Arzneimittel und Therapie

Jetzt auch in der Schwangerschaft

Metformin-haltiges Glucophage® erhält Zulassungserweiterung

cel/mab | Schwangerschaftsdiabetes erhöht das Risiko für Komplikationen wie Bluthochdruck, Präeklampsie und schwereres Geburtsgewicht. Bisher stand betroffenen Frauen ­lediglich Insulin in der Pharmako­therapie zur Verfügung. Nun haben auch die Metformin-Produkte Glucophage®, Glucophage XR® und Stagid® in Europa die Zulassungserweiterung für Schwangere erhalten.

Neben Bewegung und Ernährungstherapie wurde bei Gestationsdiabetes bisher lediglich Insulin als Arzneimittel angewendet. Was bislang fehlte, war die Zulassung von Metformin für Schwangere – das hat sich nun geändert: Merck erhielt für seine Metformin-Produkte Glucophage® (Metformin-HCl), Glucophage XR® (gibt Metformin-HCl verzögert frei, in Deutschland nicht erhältlich) und Stagid®

(Metformin hemiembonat, nur in Frankreich erhältlich) die Zulassungs­erweiterung, sodass künftig auch Schwangere von der Empfängnis bis zur Geburt Metformin anwenden dürfen. Merck konnte anhand einer registerbasierten Kohortenstudie zeigen, dass Metformin auch in der Schwangerschaft sicher und wirksam ist: Kinder von mehr als 4000 Metformin-exponierten Schwangeren wurden hierfür über elf Jahre nachbeobachtet, zudem berücksichtigt die Zulassung unabhängige wissenschaftliche Publikationen. Spätfolgen für das Kind (z. B. bezüglich geistiger Entwicklung und Körpergewicht) sind bislang nicht bestätigt. Bezogen auf das Geburtsgewicht des Babys war dieses beim plazentagängigen Metformin geringer als unter Insulin, auch der Blutzuckerabfall der Neugeborenen direkt nach Geburt war geringer.

Zulassungserweiterung auch für Tresiba®

Neben Metformin hat auch das langwirksame Basalinsulin Tresiba® (Insulin degludec) die Zulassungserweiterung für Schwangere von der Europäischen Kommission erhalten. Voraussetzung für die Zulassung waren die Ergebnisse einer Studie, in der Insulin degludec im Vergleich zu Insulin detemir jeweils in Kombination mit Insulin aspart (NovoRapid®) ähnlich wirksam und sicher bei Schwangeren war.

Gute Blutzuckerkontrolle

Die Zulassung wurde im Rahmen eines europäischen Worksharing-Verfahrens erteilt, an dem sich mehrere europäische Gesundheitsbehörden beteiligt haben. Bei der Nutzen-Risiko-Analyse ging es vor allem um die Behandlung von Prägestations- und Gestationsdiabetes: Metformin erreichte bei der Schwangeren eine vergleichbare Blutzuckerkontrolle wie Insulin, war laut Merck diesem aber in Hinblick auf Gewichtszunahme während der Schwangerschaft überlegen. Zusätzlich war die Anwendung von Metformin während der Schwangerschaft mit einem geringeren Risiko für schwangerschaftsinduzierte Hypertonie und Präeklampsie assoziiert. Wird mit der alleinigen Gabe von Metformin keine zufriedenstellende Blutzuckerkontrolle erreicht, kann Metformin auch mit Insulin kombiniert werden, oder es wird auf eine reine Insulin-Therapie umgestellt. In Kombination mit Insulin konnte Metformin bei Prägestationsdiabetes signifikant die erforderliche Insulin-Dosis senken, ebenso das Risiko für eine schwere Hypoglykämie.

Freispruch für Metformin

Erst 2017 kamen Wissenschaftler noch zu einem anderen Studienergebnis: 5% der Kinder, deren Mütter im ersten Trimenon Metformin eingenommen hatten, kamen mit großen Geburtsdefekten zur Welt. In der Kontrollgruppe waren es 2%, was einem rund 70% erhöhten Risiko entspricht. Fehl- und ­Totgeburten traten bei rund 21% der Frauen in der Metformin-Gruppe auf und bei etwa 11% der Frauen in der Kontrollgruppe, was ein um rund 60% erhöhtes Risiko bedingt. Aber: Diese Verteilung zeigte sich nur, wenn man die Indikationen Gestationsdiabetes und polyzystisches Ovarialsyndrom zusammen auswertete. Separat betrachtet, betrug das Risiko für einen großen Geburtsdefekt bei Frauen mit Gestationsdiabetes 8% und etwa 2% bei Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom (jeweils unter Metformin), und letzteres Risiko war damit gleich groß wie in der Kontrollgruppe. Bei Tot- und Fehlgeburten lag das Risiko unter Metformin für Frauen mit Gestationsdiabetes bei rund 24%, bei anderen Indikationen bei etwa 17%, was eine Diskrepanz zur Kontrollgruppe zeigt (11%). Eine mög­liche Erklärung könnte sein, dass Frauen, die Metformin aufgrund eines polyzystischen Ovarialsyndroms einnehmen, an sich schon ein nachweislich höheres Risiko für Spontanaborte aufweisen. Die Wissenschaftler gingen somit davon aus, dass das erhöhte Risiko für Geburts­defekte, Spontanaborte und Fehlge­burten auf den Diabetes zurückzuführen ist und nicht auf den Wirkstoff ­Metformin. |

Literatur

Behandlung mit Insulin degludec (Tresiba®) bei schwangeren Frauen mit Diabetes. Pressemitteilung von NovoNordisk, 2. März 2022

Glucophage® als erstes orales Diabetes-Medikament in Europa zur Anwendung während der Schwangerschaft zugelassen. Pressemitteilung von Merck, 28. Februar 2022

Panchaud A et al. Pregnancy outcomes in women on metformin for diabetes or other indications among those seeking teratology infor­mation services. British Journal of Clinical Pharmacology 2017. doi: 10.1111/bcp.13481

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