Pandemie Spezial

Bringen mRNA-Impfstoffe Hormone durcheinander?

Vorübergehende Veränderungen im weiblichen Zyklus sind möglich

Seit geraumer Zeit wird diskutiert, ob Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 den weiblichen Zyklus verändern. So wurde über Zyklusverlängerungen, verstärkte und verlängerte Blutungen und Amenorrhoen nach Impfung berichtet. Doch besteht hier wirklich ein kausaler Zusammenhang? Dieser Frage gingen zwei aktuelle Studien nach.

Der weibliche Zyklus hat nach Lehrbuch eine Dauer von 28 Tagen – die tatsächliche Länge ist jedoch individuell und schwankt sowohl von Frau zu Frau als auch von Zyklus zu Zyklus und kann zwischen 25 und 31 Tagen liegen. Abweichungen davon werden als Zyklusanomalien bezeichnet – es kann zu Veränderungen der Blutungsfrequenz und der Blutungsstärke kommen. Vorübergehende Abweichungen sind normal – so kommt es bei bis zu einem Drittel der Frauen im Laufe des Lebens zu Zyklusstörungen. Der weibliche Zyklus unterliegt natürlichen Schwankungen und kann durch Stress, Reisen, ungesunde Lebensweise, Erkrankungen und Medikamente beeinflusst werden [1, 2, 3].

In den Medien wird fortlaufend über diverse Zyklusveränderungen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-­Impfung berichtet. In zwei Beobachtungsstudien wurde dies genauer untersucht.

Foto: Studio Romantic/AdobeStock

Veränderungen des weiblichen Zyklus nach einer Corona-Impfung werden immer wieder berichtet. Da in den Zulassungsstudien der Impfstoffe dies nicht explizit untersucht wurde, sind zwei Beobachtungsstudien erschienen.

USA-Studie: Dauer um einen Tag verlängert

In der ersten Studie aus den USA wurde der Zyklus von knapp 4000 Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren mit normaler Zykluslänge (24 bis 38 Tage) und ohne Verwendung hormoneller Verhütungsmittel mithilfe einer App überwacht. Von den Studienteilnehmerinnen waren 2403 mit einem Corona-Impfstoff geimpft (55% mit Biontech/Pfizer, 35% mit Moderna und 7% mit Johnson & Johnson/Janssen); die restlichen Teilnehmerinnen (n = 1556) waren ungeimpft. Die Daten wurden in beiden Gruppen über sechs Zyklen erhoben – bei den geimpften Frauen drei aufeinanderfolgende Zyklen vor der Impfung und drei Zyklen während und nach der Impfung. In der geimpften Gruppe zeigte sich nach der ersten Impfdosis eine durchschnittliche Verlängerung der Zyklusdauer um 0,64 Tage (98,75%-Konfidenzintervall [KI] 0,27 bis 1,01); nach der zweiten Dosis um 0,79 Tage (98,75%-KI 0,40 bis 1,18) im Vergleich zur ungeimpften Gruppe. Wenn die Frauen beide Impfdosen im gleichen Zyklus bekamen, war der Effekt der Zyklusverlängerung am stärksten ausgeprägt – hier kam es im Schnitt zu einer Verlängerung um zwei Tage. Bei allen Frauen waren die beobachteten Veränderungen nur vorübergehend und normalisierten sich spätestens zwei Zyklen nach der letzten Impfdosis. Die ungeimpften Frauen berichteten über keine signifikante Veränderung. Keinen Einfluss hatte die Impfung auf die Menstruationsdauer [4].

Norwegische Studie: Stärkere Blutung

In einer weiteren Studie aus Norwegen wurde der Zyklus von 5688 Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren auf Veränderungen im Zusammenhang mit der Corona-Impfung untersucht. Auch hier wurden die Frauen mithilfe einer App nach verschiedenen Menstruationsstörungen sowohl vor als auch nach den Impfdosen befragt – die Impfquote lag bei den Teilnehmerinnen bei über 90%. Mehr als 37% der Frauen berichteten schon vor der Impfung über Menstruationsstörungen – nach der ersten Impfung lag der Anteil bei 39% und nach der zweiten Dosis bei 41%. Am häufigsten wurde über eine stärkere Regelblutung berichtet – hier war das relative Risiko (RR) am höchsten (nach der ersten Impfung: RR 1,90; 95%-KI 1,69 bis 2,13 und nach der zweiten Impfung: RR 1,84, 95%-KI 1,66 bis 2,03). Auch Verlängerungen der Menstruationsdauer und verkürzte Zyklusintervalle traten nach der Impfung auf. Die Menstruationsveränderungen waren auch hier nur vorübergehend und normalisierten sich nach kurzer Zeit wieder [5].

Kein kausaler Zusammenhang mit kurzfristigen Veränderungen

Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, dass es nach der Impfung gegen SARS-CoV-2 zu leichten und vorübergehenden Veränderungen im Zyklusgeschehen kommen kann – ein kausaler Zusammenhang ist jedoch bisher nicht belegt. Auch der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) kam im August letzten Jahres zu dem Entschluss, dass es keine hin­reichenden Belege für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Corona-­Impfung und Zyklusanomalien gibt [6].

Zyklusanomalien

Unregelmäßigkeiten bei der Menstruation können sich in veränderter Blutungsfrequenz oder veränderter Blutungsstärke äußern:

gestörte Blutungsfrequenz

  • Polymenorrhoe: blutungsfreie Intervalle < 25 Tage
  • Oligomenorrhoe: selten auftretende spontane Uterusblutungen Abständen von sechs bis zwölf Wochen
  • primäre Amenorrhoe: bis zum 16. Lebensjahr ist keine Blutung aufgetreten; sekundäre Amenorrhoe: die Menarche hat schon einmal stattgefunden, jetzt nicht mehr
  • Metrorrhagie: azyklisch auftretende Uterusblutungen

gestörte Blutungsstärke

  • Hypomenorrhoe: schwache Uterusblutung
  • Hypermenorrhoe: starke Uterusblutung (> 80 ml)
  • Menorrhagie: zu starke und zu lange anhaltende Monatsblutung

PEI: Fälle von Zyklusstörungen nicht ungewöhnlich hoch

Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat sich mit der Thematik beschäftigt – im Sicherheitsbericht des Instituts von August 2021 wird bis zum Zeitpunkt Juli 2021 von über 310 Einzelfallmeldungen von Zyklusstörungen nach der Corona-Impfung berichtet. Davon traten 157 Fälle nach der Impfung mit Biontech/Pfizer, 25 Fälle nach Moderna, 127 Fälle nach AstraZeneca und ein Fall nach der Impfung mit Johnson & Johnson/Janssen auf. Insgesamt wurden in dem Zusammenhang über 368 unerwünschte Ereignisse gemeldet – knapp 10% wurden als schwerwiegend eingestuft. In mehr als 30% der Fälle waren die Beschwerden zum Zeitpunkt der Meldung bereits vollständig abgeklungen – in 34% der Fälle waren die unerwünschten Ereignisse als noch nicht gebessert beschrieben und in mehr als 17% der Fälle war der weitere Ausgang unbekannt. Das Spektrum an Zyklusstörungen war breit gefächert – so wurde unter anderem über Zwischenblutungen, Menstruationsverzögerungen, starke Menstruationsblutungen und Amenorrhoen berichtet. Das PEI weißt in seinem Sicherheitsbericht von August 2021 darauf hin, dass „unter Berücksichtigung der Anzahl geimpfter Frauen in den relevanten Altersgruppen und der Häufigkeit von Zyklusstörungen erscheint die Zahl der Meldungen nicht ungewöhnlich hoch zu sein, wenngleich davon auszugehen ist, dass viele, insbesondere vorübergehende Zyklusstörungen, nicht berichtet werden“ [7]. Im jüngsten Sicherheitsbericht von Februar 2022 wird auf die mögliche Nebenwirkung nicht näher eingegangen. Die Informationen sind dürftig – über „Menstruelle Erkrankungen“ wird lediglich im Zusammenhang mit der Impfung von Biontech/Pfizer bei Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren berichtet – nach der ersten oder der zweiten Impfdosis kam es zu etwa 0,03 Fällen pro 1000 Impfungen. Das Phänomen sei nach der Boosterimpfung seltener aufgetreten. Detailliertere Informationen fehlen im aktuellen Sicherheitsbericht [8].

RKI: Im Vorfeld informieren

Auch das Robert Koch-Institut (RKI) erwähnt auf seiner Homepage in der Rubrik „COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ)“, dass die Länge des weiblichen Zyklus natürlichen Schwankungen unterlegen ist und eine Reihe von Faktoren (z. B. Stress) Einfluss darauf haben können. Laut RKI wurden Zyklusstörungen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung international beobachtet und würden weiter erforscht. Zyklusveränderungen seien aber auch bei anderen Impfungen oder durch Infektionen bekannt und gingen auf eine Aktivierung des Immunsystems zurück. Das Institut weißt ebenfalls darauf hin, dass ein kausaler Zusammenhang nicht bekannt sei, dennoch wird explizit erwähnt, dass Frauen über diese mögliche Nebenwirkung im Rahmen des Aufklärungsgesprächs vor der Impfung informiert werden sollten, um etwaigen Sorgen oder Verunsicherungen entgegenzuwirken. Das Gerücht der „Unfruchtbarkeit im Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung“ hält sich sehr hartnäckig in den Medien – das RKI betont daher extra, dass die beobachteten Störungen nur vorübergehend und nicht mit Unfruchtbarkeit verbunden seien [9].

BZgA klärt auf

Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gibt für besorgte Frauen auf ihrer Homepage „Infektionsschutz“ Informationen zu diesem Thema. Hier wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die bisher gemeldeten Zyklusanomalien im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-­Impfung vorübergehend sind. Gleichzeitig wird betont, dass Zyklusstörungen nicht direkt auf den verabreichten Impfstoff zurückzuführen seien –­ typische Impfreaktionen wie Fieber oder Muskelschmerzen seien Stress für den Körper und Stress ein häufiger Auslöser für Zyklusstörungen. Eine weitere in Betracht zu ziehende Möglichkeit sei die durch die Impfung stimulierte Freisetzung von Immunzellen – auch in der Gebärmutterschleimhaut – und es so zu möglichen Veränderungen im Zyklus kommen könnte. Es wird erwähnt, dass ein unregelmäßiger Zyklus sich in aller Regel schnell wieder normalisiert – sollten die Unregelmäßigkeiten jedoch länger als drei Monate nach der Impfung anhalten, ist ein Arzt zu konsultieren [3].

Zyklusstörungen als Antwort des Immunsystems nicht neu

Der Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF) hat ebenfalls Stellung bezogen und betont, dass vorübergehende Veränderungen im Zyklusgeschehen als Reaktion auf Infektionen oder Immunreaktionen nicht ungewöhnlich seien – schließlich seien das Immunsystem und das Hormonsystem eng miteinander verbunden. Laut dem Verband bestehe kein Grund zur Sorge – wichtig sei die Aufklärung der Frauen im Vorfeld [10]. Die beobachteten Zyklusstörungen sind nicht nur im Zusammenhang mit der Impfung gegen Corona festgestellt worden, sondern auch nach durchgemachter Infektion wurde über vorübergehende Veränderungen im weiblichen Zyklus berichtet [11].

PRAC untersucht Amenorrhoe und starke Blutungen genauer

Nun wird das Ganze erneut aufgerollt – im Februar gab die EMA bekannt, dass eingehende Untersuchungen zu den Meldungen über eine Amenorrhoe und starke Menstruationen über drei oder mehr aufeinanderfolgende Monate nach Impfung mit einem mRNA-Vakzin eingeleitet wurden. Hierzu würden alle verfügbaren Daten aus Studien, Spontanmeldesystemen und wissenschaftlicher Literatur herangezogen. Weiterhin wird betont, dass nach wie vor unklar sei, ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden beobachteten Zyklusstörungen und den Corona-Impfungen gibt [12]. Bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse die neuen Untersuchungen ergeben werden. |

Literatur

 [1] Weiblicher Zyklus. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Weiblicher_Zyklus

 [2] Zyklusanomalie. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Zyklusst%C3%B6rung

 [3] Hat die Corona-Schutzimpfung einen Einfluss auf den weiblichen Zyklus? Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGa), Infektionsschutz.de, www.infektionsschutz.de/mediathek/fragen-antworten/?tx_sschfaqtool_pi1%5Baction%5D=list&tx_sschfaqtool_pi1%5Bcontroller%5D=FAQ&tx_sschfaqtool_pi1%5Bfaq%5D=5063&cHash=69d570f51baed91564bf960038579c00

 [4] Edelmann A et al. Association Between Menstrual Cycle Length and Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) Vaccination: AU.S.Cohort. Obstetrics & Gynecology 2022; doi:10.1097/AOG.0000000000004695

 [5] Trogstad L et al. Increased Occurence of Menstrual Disturbances in 18- to 30-Year-Old Women after COVID-19 Vaccination. SSRN 2022; https://ssrn.com/abstract=3998180 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3998180

 [6] Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC). Meeting 5. August 2021; www.ema.europa.eu/en/documents/agenda/agenda-prac-draft-agenda-meeting-5-august-2021_en.pdf

 [7] Sicherheitsbericht August 2021, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis zum 31. Juli 2021, Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-bis-31-07-21.pdf?__blob=publicationFile

 [8] Sicherheitsbericht Februar 2022. Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis zum 31. Dezember 2021. Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-31-12-21.pdf?__blob=publicationFile&v=5

 [9] COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ). Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: März 2022; www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html

[10] Update: Corona-Impfung und Zyklus. Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF), Frauenärzte im Netz, www.frauenaerzte-im-netz.de/aktuelles/meldung/update-corona-impfung-und-zyklus/

[11] Khan SM et al. SARS-CoV-2 infection and subsequent changes in the menstrual cycle among participants in the Arizona CoVHORT study. Am J Obstet Gynecol 2021; doi: 10.1016/j.ajog.2021.09.016 pmid:34555320

[12] PRAC recommends suspending hydroxyethyl-starch solutions for infusion from the market. Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC). News 11/02/2022, www.ema.europa.eu/en/news/meeting-highlights-pharmacovigilance-risk-assessment-committee-prac-7-10-february-2022

 

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Apothekerin Dr. Martina Wegener

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