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Beratung

Frühzeitig und konsequent

Aktuelle Therapieempfehlungen bei Kindern mit Gelenkrheuma

Wenn Rheuma bereits im Kindesalter beginnt, drohen frühzeitige Einschränkungen der Beweglichkeit bis hin zu körperlichen Behinderungen. Obwohl die juvenile idiopathische Arthritis noch nicht heilbar ist, kann durch Medikamente bei 70% bis 95% der Betroffenen eine Remission erreicht werden. Voraussetzung dafür ist die rechtzeitige Diagnose und ein früher Beginn der Therapie, die konsequent fortgeführt werden muss. Aktuelle Studien zeigen: Je früher mit der Behandlung begonnen wird, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, im Erwachsenenalter therapiefrei zu sein. | Von Claudia Bruhn

Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist eine chronische Erkrankung unklarer Ursache, die vor dem 16. Lebensjahr beginnt. Sie geht mit entzündlichen Veränderungen wie Schwellungen oder schmerzhaften Bewegungseinschränkungen in mindestens einem Gelenk einher. Am häufigsten sind die Kniegelenke betroffen. Für die Diagnose müssen die Beschwerden über mindestens sechs Wochen bestanden haben und andere Erkrankungen zuvor ausgeschlossen worden sein. Ähnlich wie bei Rheuma im Erwachsenenalter ist kindliches Rheuma keine einheitliche Erkrankung. Rheuma­tologen haben jedoch für das Kindesalter teilweise andere Kategorien definiert, sodass man Begriffe wie rheumatoide Arthritis oder Spondyloarthritis vergeblich sucht. Unterteilt wird die juvenile idiopathische Arthritis in Abhängigkeit von den Symptomen in folgende sieben Subtypen:

  • systemische Arthritis (sJIA), früher nach dem Entdecker Still-Syndrom genannt: Der ganze Körper ist betroffen. Intermittierend treten Arthritis und Fieber für mindestens zwei Wochen sowie mindestens ein weiteres Krite­rium z. B. flüchtiger erythematöser Hautausschlag oder generalisierte Lymphknotenvergrößerung auf.
  • Oligoarthritis (OA): In den ersten sechs Erkrankungs­monaten sind ein bis vier Gelenke betroffen. Danach können je nach Verlaufsform weitere Gelenke erkranken. Bleibt es im Verlauf bei maximal vier Gelenken, spricht man von einer persistierenden Oligoarthritis. Sind nach sechs Monaten mehr als vier Gelenke betroffen, handelt es sich um eine erweiterte Oligoarthritis.
  • Rheumafaktor-positive Polyarthritis (RF+ PA): Die Arthritis besteht in mehr als vier Gelenken in den ersten sechs Erkrankungsmonaten, und mindestens zwei Tests auf Rheumafaktoren im Abstand von drei Monaten sind positiv.
  • Rheumafaktor-negative Polyarthritis (RF- PA): Es sind mehr als vier Gelenke in den ersten sechs Erkrankungsmonaten betroffen, und ein Test auf Rheumafaktoren ist negativ.
  • Psoriasis-Arthritis (PsA): Es besteht eine Arthritis und eine Psoriasis oder eine Arthritis mit mindestens zwei weiteren Merkmalen, z. B. Daktylitis (Entzündung an Finger oder Zeh mit mehreren betroffenen Gelenken), Nagelveränderungen wie Tüpfelung oder Psoriasis bei Verwandtem ersten Grades. Es ist ein früher oder später Beginn möglich (mit zwei bis vier Jahren bzw. neun bis elf Jahren).
  • Enthesitis-assoziierte Arthritis (EAA): Arthritis und Enthesitis (Entzündung von bindegewebigen Sehnen­ansätzen an Knochen) treten kombiniert auf oder eine Arthritis tritt mit mindestens zwei weiteren Merkmalen auf, z. B. Druckschmerz über den Iliosakralgelenken und/oder entzündlicher Rückenschmerz lumbosakral oder männliches Geschlecht mit Alter > sechs Jahren bei Erkrankungsbeginn.
  • andere Arthritis: Darunter fasst man Arthritiden, die nicht eindeutig einem der Subtypen zugeordnet werden können.

Für die meisten dieser Formen liegt der Erkrankungsbeginn zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr – in einem Alter, im dem die Betroffenen noch nicht in der Lage sind, ihre Symptome differenziert zu beschreiben. Zwei typische Symptome der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis sind Fieber und Hautausschläge. Weil diese auch bei viral bedingten Atemwegserkrankungen oder bei vorübergehenden Hautreaktionen auf Umweltreize häufiger auftreten, liegt der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung nicht unbedingt nahe. Andererseits kann bei Kleinkindern, die Schonhaltungen einnehmen oder wieder häufiger getragen werden möchten, auch eine harmlose Hüftgelenk­entzündung (Coxitis fugax), der Hüftschnupfen, die Ursache sein. Sie betrifft Jungen häufiger als Mädchen und heilt nach wenigen Tagen von selbst aus. Der Arzt kann dabei mittels Ultraschall einen typischen Gelenkerguss feststellen.

Ein früher Therapiebeginn ist wichtig

Eine kausale Therapie ist derzeit bei keiner der Subtypen der juvenilen idiopathischen Arthritis möglich. Die Ziele der Behandlung bestehen darin, Symptome und Entzündungen möglichst vollständig zu kontrollieren sowie Folgeschäden wie z. B. Behinderungen und Begleiterkrankungen wie Depression, Hypertonie oder Diabetes zu verhindern. Außerdem soll eine altersgerechte Entwicklung bei guter Lebensqualität gewährleistet werden. Um das zu erreichen, ist ein sehr früher Behandlungsbeginn notwendig. Treten erstmalig Symptome auf oder besteht aus sonstigen Gründen ein Verdacht auf eine juvenile idiopathische Arthritis, sollten Betroffene möglichst innerhalb von sechs Wochen einem Kinder- und Jugendrheumatologen vorgestellt werden. Es vergehen jedoch heute noch bis zu vier Monate, bis das Kind einem Rheumatologen vorgestellt wird. Dies erklärte Prof. Dr. med. Kirsten Minden, Kinderrheumatologin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums, bei einer Fortbildungsver­anstaltung der Apothekerkammer Berlin im Januar 2022.

Sollte die Diagnose juvenile idiopathische Arthritis gestellt werden, ist ein zeitnaher Besuch beim Augenarzt wichtig, um eine Uveitis auszuschließen oder zu diagnostizieren (s. Kasten „Uveitis: Rheuma kann ins Auge gehen“).

Uveitis: Rheuma kann ins Auge gehen

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Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis besitzen ein erhöhtes Risiko für eine Uveitis. Dabei handelt es sich um eine meist beidseitige Entzündung der mittleren Augenhaut (Uvea), die aus Regenbogenhaut (Iris), Aderhaut (Choroidea) und dem Ziliarkörper (Corpus ciliare) besteht. Mögliche Anzeichen sind gerötete Augen, häufiges Zwinkern oder Augenreiben. Bei Kindern mit der chronischen Gelenkerkrankung tritt die Uveitis bevorzugt im vorderen Augenabschnitt auf (anteriore Uveitis), wo sie oft unbemerkt verläuft und das Auge äußerlich unauffällig erscheint. Erst eine Spaltlampenuntersuchung beim Augenarzt kann Hinweise auf eine Entzündung liefern. Um bleibende Schäden wie bspw. Visusminderung, Glaukom oder Katarakt zu vermeiden, ist eine frühzeitige Diagnostik wichtig. Deshalb sollten Kinder und Jugendliche innerhalb von zwei Wochen nach der Erstdiagnose der juvenilen idiopathischen Arthritis beim Ophthalmologen vorgestellt werden, auch wenn keine Augensymptome vorliegen. Die Behandlung der Uveitis erfolgt stufenweise. Begonnen wird mit topischen Corticosteroiden (Prednisolon 1%, Dexamethason 0,1%) als Augentropfen. Wenn damit keine ausreichenden Erfolge erzielt werden können, wird die Behandlung intensiviert. Fast alle konventionellen und biologischen DMARDs, die bei der chronischen Gelenkerkrankung zum Einsatz kommen, sind auch gegen Uveitis wirksam, allerdings in unterschiedlichem Maße. Unter den Biologika sollte laut der „Interdisziplinären Leitlinie zur Diagnostik und antientzündlichen Therapie der Uveitis bei juveniler idiopathischer Arthritis“ Adalimumab (z. B. Humira®) bevorzugt werden. Wurde bei der Erstuntersuchung beim Augenarzt keine Uveitis festgestellt, werden regelmäßige Screening-Untersuchungen empfohlen, je nach Krankheitsdauer in Abständen zwischen drei und zwölf Monaten.

Stellenwert der medikamentösen Therapie

Die Behandlung der juvenilen idiopathischen Arthritis stützt sich auf verschiedene Säulen. Medikamente sind dabei die Hauptoption. Je nach Aktivität, Schwere und Risikoprofil der Erkrankung werden folgende Therapeutika eingesetzt:

  • nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
  • Glucocorticoide
  • krankheitsmodifizierende antirheumatische Arzneimittel (Disease-modifying anti-rheumatic drugs, DMARDs)
  • konventionelle synthetische DMARDs (csDMARDs)
  • biologische DMARDs (bDMARDs)
  • zielgerichtete synthetische DMARDs (tsDMARDs)

Nichtsteroidale Antirheumatika bei allen Formen

Bei den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), die bei Kindern und Jugendlichen bei allen Subtypen der juvenilen idiopathischen Arthritis zum Einsatz kommen können, stehen jedoch noch zu wenig kindgerechte Darreichungs­formen zur Verfügung. Beispielsweise sind in Saftform derzeit nur die zwei Wirkstoffe Ibuprofen (z. B. Ibuflam® 40 mg/ml Suspension) und Naproxen (Naproxen® Infectopharm 50 mg/ml Suspension) auf dem Markt. Davon besitzt allerdings nur das Naproxen-Präparat eine Zulassung zur Behandlung der juvenilen rheumatoiden Arthritis bei Kindern und Jugendlichen (ab zwei Jahren).

Um eine ausreichende antientzündliche Wirkung zu erreichen, können Kinderrheumatologen bei NSAR Dosierungen verordnen, die oberhalb der Tagesmaximal­dosis liegen. So kann Ibuprofen laut Empfehlung der S2k-Leitlinie „Therapie der Juvenilen Idiopathischen Arthritis“ bis zu einer Dosis von 40 mg/kg Körpergewicht (KG) gegeben werden. Eltern könnten nach dem Lesen des Beipackzettels verunsichert sein, da dort nur 30 mg/kg KG als Tagesmaximaldosis angegeben sind.

Glucocorticoide bei aktiver Erkrankung

Glucocorticoide werden in der Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis nach dem Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ eingesetzt, erläuterte Professorin Minden. Die S2k-Leitlinie unterscheidet verschiedene Applikationsformen und Dosierungen. So werden im stationären Bereich initial zur Überbrückung des Zeitraums bis zum Einsatz der krankheitsmodifizierenden anti­rheumatischen Arzneimittel (DMARDs) bis zu zwei Wochen lang täglich 0,2 bis max. 0,5 mg/kg KG Prednisolon-Äquivalent verabreicht. Bei hochaktiver systemischer Erkrankung, die auch mit einer Myo- oder Perikarditis verbunden sein kann, ist eine intravenöse Methylprednisolon-Pulstherapie über maximal drei Tage effektiv. Bei starken Gelenkbeschwerden wird ein Glucocorticoid als mikrokristalline Suspension (Triam­cinolonhexacetonid, Lederlon® 5 mg Injektionssuspension) intraartikulär verabreicht.

Mit Methotrexat früh beginnen

Wenn die Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheuma­tika oder Glucocorticoiden nicht erfolgreich war, werden bei der juvenilen idiopathischen Arthritis konventionelle synthetische krankheitsmodifizierende antirheumatische Arzneimittel (csDMARDs) eingesetzt. Diese können auch als zusätzliche Therapie zum Einsatz kommen. Gemeinsam ist den DMARDs ein langsamer Wirkungseintritt, der bis zu drei Monate oder länger auf sich warten lassen kann. Die erste Wahl ist Methotrexat (MTX), das oral (z. B. Lantarel® Tabletten) oder subkutan (z. B. metex® Fertig­spritze oder -pen) verabreicht wird. In der Regel erfolgt eine Kombination mit Folsäure einmal wöchentlich in einer Dosierung von 5 mg 24 bis 48 Stunden nach Methotrexat.

Dagegen kommen Sulfasalazin und Leflunomid nur in bestimmten Fällen zum Einsatz: Sulfasalazin (z. B. Pleon® RA magensaftresistente Tabletten) kann bei der Enthesitis-assoziierten Arthritis hilfreich sein. Leflunomid hat sich bei jüngeren Kindern und Jugendlichen als unzureichend wirksam erwiesen und ist deshalb erst ab 18 Jahren zugelassen.

Strategien gegen unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei MTX

Methotrexat ist bei juveniler idiopathischer Arthritis hoch wirksam. Studien zufolge können mehr als 70% der behandelten Kinder und Jugendlichen eine Remission erreichen. Problematisch sind jedoch die gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Durchfall, die bei etwa jedem zweiten Patienten auftreten. Anders als bei anderen Wirkstoffen, bei denen Magen-Darm-Nebenwirkungen mit zunehmender Behandlungsdauer nachlassen können, wird bei Methotrexat eine gegenläufige Entwicklung beobachtet. Dies könnte daran liegen, dass bei den Patienten aufgrund von Erfahrungen mit Nebenwirkungen bei vorangegangenen Einnahmen Aversionen und antizipatorische Übelkeit auftreten.

Folgende Strategien werden zur Linderung eingesetzt:

  • Gabe von Folsäure (nur teilweise wirksam)
  • Dosisreduktion von Methotrexat
  • Wechsel der Darreichungsform, z. B. anstelle von Tabletten Saft (Jylamvo®, nur als Import verfügbar) oder als Injektionslösung in Fertigs­pritze oder -pen
  • MTX als Individualrezeptur in Kapseln verordnen
  • Einnahme abends vor dem Schlafengehen
  • Gabe von Ondansetron 30 Minuten vor und nach MTX
  • kognitive Verhaltenstherapie bei antizipatorischer Übelkeit

Biologika bei juveniler idiopathischer Arthritis

In den frühen 2000-er-Jahren haben Biologika Einzug in die Behandlung des kindlichen Rheumas gehalten. Sie sind indiziert, wenn mit den konventionellen synthetischen DMARDs keine Remission erreicht werden kann oder der Steroidbedarf zu hoch ist. Zurzeit sind sieben Präparate zugelassen (s. Tab.), die auch bei rheumatischen Erkrankungen im Erwachsenenalter eingesetzt werden, doch nicht nur dort. Aufgrund ihrer Fähigkeit, proinflammtorische Botenstoffe wie Tumornekrosefaktor α (TNF-α) oder Inter­leukin 1 (IL-1) und IL-6 auf unterschiedliche Weise zu hemmen, sind sie bei weiteren Krankheiten wirksam, bei denen entzündliche Prozesse eine Rolle spielen. So sind beispielsweise Adalimumab (z. B. Humira®) und Etanercept (z. B. Enbrel®) bei Kindern und Jugendlichen auch bei Plaque-Psoriasis und Anakinra (Kineret®) bei periodischen Fieber­syndromen wirksam. Adalimumab und Etanercept waren die ersten biologischen DMARDs (bDMARDs) bei der juvenilen idiopathischen Arthritis. Deshalb gibt es dazu die meisten Erfahrungen sowie umfangreiche Registerdaten, z. B. im Biologika-Register JuMBO (s. Kasten „Die Patientenver­sorgung verbessern“). Laut der S2k-Leitlinie „Therapie der Juvenilen Idiopathischen Arthritis“ sollen bei aktiver systemischer Arthritis neben Glucocorticoiden die Biologika Anakinra, Canakinumab (Ilaris®) oder Tocilizumab (Roactemra®) vorrangig eingesetzt werden. In der Praxis hat Anakinra allerdings aufgrund der täglichen Gabe an Bedeutung verloren. Infliximab (z. B. Remicade®) ist zurzeit nur zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis bei Erwachsenen zugelassen. Laut der Leitlinienempfehlung ist es jedoch ein Reserve-Arzneimittel bei Enthesitis-assoziierter Arthritis bei Kindern und Jugendlichen.

Tab.: Biologische krankheitsmodifizierende antirheumatische Arzneimittel (bDMARDs) bei juveniler idiopathischer Arthritis. Die Arzneistoffe richten sich gegen proinflammatorische Zytokine oder ihre Rezeptoren (Tumornekrosefaktor-alpha, Interleukine) und co­stimulatorische Moleküle (CD80, CD86) von Lymphozyten. Golimumab muss mit MTX kombiniert werden, alle anderen Substanzen können auch als Mono­therapie verabreicht werden [S2k-Leitlinie „Therapie der Juvenilen Idiopathischen Arthritis“, Lauer-Taxe Online 4.0].
Wirkstoff
Wirkprinzip
Präparate
Indikationen
Anwendung
Adalimumab
TNF-α-Inhibitor
Humira®, Biosimilars
polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis und Uveitis: ab zwei Jahren; Enthesitis-assoziierte Arthritis: ab sechs Jahren
alle zwei Wochen subkutan
Etanercept
TNF-α-Inhibitor
Enbrel®, Biosimilars
Polyarthritis (Rheumafaktor-positiv oder -negativ) und erweiterte Oligoarthritis: ab zwei Jahren; Enthesitis-assoziierte Arthritis und Psoriasis-Arthritis: ab zwölf Jahren
ein- bzw. zweimal wöchentlich subkutan
Golimumab
TNF-α-Inhibitor
Simponi®
polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis: ab zwei Jahren
intravenös oder subkutan einmal monatlich, in Kombination mit MTX
Abatacept
Costimulations-Antagonist
Orencia®
polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis: ab zwei Jahren
intravenös oder subkutan einmal wöchentlich
Tocilizumab
IL-6-Rezeptor­antagonist
Roactemra®
systemische juvenile idiopathische Arthritis: ab einem Jahr; polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis: ab zwei Jahren
intravenös oder subkutan einmal wöchentlich
Anakinra
Interleukin-1-Rezeptor­antagonist
Kineret®
systemische juvenile idiopathische Arthritis: ab acht Monaten
subkutan einmal täglich; aufgrund der häufigen Anwendung kaum noch von Bedeutung
Canakinumab
Interleukin 1β-Antikörper
Ilaris®
systemische juvenile idiopathische Arthritis: ab zwei Jahren
alle vier Wochen subkutan

Die Patientenversorgung verbessern

Um die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit juveniler idiopathischer Arthritis und weiteren entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu verbessern, werden am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin, einem Institut der Leibniz-Gemeinschaft, derzeit drei große bundesweite Kohortenstudien durchgeführt:

  • die Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher, mit der pro Jahr knapp 14.000 rheumakranke Kinder und Jugendliche im ganzen Bundesgebiet erfasst werden
  • die JIA-Frühkohorte ICON mit 975 langfristig beobachteten Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis und ca. 500 gesunden Gleichaltrigen
  • das Biologika-Register JuMBO für junge Erwachsene mit juveniler idiopathischer Arthritis (> 1700 Teilnehmer)

Darin wird beispielsweise untersucht, wie schnell Betroffene nach Ausbruch ihrer Erkrankung einen spezialisierten Facharzt (Rheumatologen) aufsuchen, welche Arzneimittel verordnet werden und wie die Patienten mit ihrer Erkrankung umgehen. Erste Ergebnisse liegen bereits vor. So konnte in den Studien beispielsweise gezeigt werden, dass durch eine intensive Therapie seltener Komplikationen wie Augenentzündungen, Gelenkschäden oder Funktionseinbußen im Alltag auftreten. Außerdem ergaben die Studien, dass der Zeitpunkt des Beginns der Basistherapie entscheidend für die Langzeitprognose der chronischen Gelenkerkrankung bei Kindern ist. Je früher eine intensive Behandlung erfolgt, umso häufiger sind die Betroffenen als Erwachsene beschwerde- und therapiefrei.

[AG Prof. Dr. K. Minden, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin]

Als Nebenwirkung der Biologika können Infektionen begünstigt werden oder schwerer verlaufen. Derzeit gibt es laut Prof. Dr. med. Kirsten Minden keinen Nachweis dafür, dass Biologika im Vergleich zu konventionellen synthetischen DMARDs mit einem höheren Risiko für maligne Erkrankungen verbunden sind.

Neueste Option: tsDMARDs

Die neueste Entwicklung bei der juvenilen idiopathischen Arthritis sind zielgerichtete (engl. targeted) synthetische krankheitsmodifizierende antirheumatische Arzneimittel (tsDMARDs). Dabei handelt es sich um kleine Moleküle, die im Gegensatz zu den Biologika im Zellinneren wirken und die Signalwege von mehreren Interleukinen gleichzeitig hemmen können. Ein Vorteil gegenüber den Biologika besteht in der oralen Verabreichung. Die erste bei kindlichem Rheuma zugelassene Substanz ist Tofacitinib (Xeljanz®), das seit 2021 ab einem Alter von zwei Jahren bei der aktiven polyartikulären juvenilen idiopathischen Arthritis (Rheuma­faktor-positive [RF+] oder -negative [RF-] Polyarthritis und erweiterte Oligoarthritis) und bei der juvenilen Psoriasis-Arthritis indiziert ist. Voraussetzung für die Verordnung ist, dass die Patienten auf eine vorangegangene DMARD-Therapie unzureichend angesprochen haben. Tofacitinib kann in Kombination mit Methotrexat oder als Mono­therapie angewendet werden, sofern MTX nicht vertragen wird oder die Behandlung damit nicht fortgesetzt werden kann. Zur Behandlung von Rheuma bei Erwachsenen sowie weiteren Indikationen sind außer Tofacitinib auch die JAK-Inhibitoren Baricitinib (Olumiant®), Upadacitinib (Rinvoq®) und Filgotinib (Jyseleca®) zugelassen. Derzeit laufen klinische Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Baricitinib und Upadacitinib auch bei Kindern und Jugendlichen prüfen. Laut der Datenbank Clinicaltrials.gov ist mit Resultaten jedoch frühestens ab 2027 zu rechnen.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Die medikamentöse Behandlung der juvenilen idiopathischen Arthritis wird durch spezielle physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen ergänzt, um die Gelenkbeweglichkeit zu erhalten bzw. zu verbessern. Die Kinder und Jugendlichen sowie ihre Betreuungspersonen sollten dazu angeleitet werden, die speziell angepassten Übungen täglich zuhause durchzuführen. Manchmal kann es notwendig sein, dass der Arzt orthopädische Hilfsmittel (z. B. Orthesen) verordnet, zum Beispiel zur Stabilisierung der Gelenke. Dennoch ist Schonung der falsche Ansatz bei der juvenilen idiopathischen Arthritis. Stattdessen sollten Kinder und Jugendliche zu einem aktiven Lebensstil und zu sportlichen Aktivitäten ermutigt werden. Da die chronische Erkrankung bei den Betroffenen auch zu psychischen Problemen führen kann, ist gegebenenfalls eine psycho­logische Betreuung angezeigt. In bestimmten Fällen können auch chirurgische Maßnahmen zum Einsatz kommen, z. B. um Fehlstellungen der Gliedmaßen zu korrigieren. |

Literatur

Arbeitsgruppe Prof. Dr. med. Kirsten Minden: Wie können wir die Ver­sorgung junger Menschen mit Rheuma optimieren?, www.drfz.de/forschung/pb2/ag/kinder-und-jugendrheumatologie

Basra HAS, Humphries PD. Juvenile idiopathic arthritis: what is the utility of ultrasound? Br J Radiol 2017;90:20160920

Illing S, Lennecke K, Schäfer C. Praxiswissen Pädiatrische Pharmazie. Für die Beratung in der Apotheke. 1. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 2021

Interdisziplinäre Leitlinie zur Diagnostik und antientzündlichen Therapie der Uveitis bei juveniler idiopathischer Arthritis. S2k-Leitlinie, Hrsg. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) und Beteiligung weiterer Fachgesellschaften, Stand: Mai 2021, AWMF-Registernummer: 045-012

Lauer-Taxe Online 4.0 Datenstand: 15. März 2022

Minden K et al. Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit juveniler idiopathischer Arthritis. Aktuelle Rheumatologie 2018;43:375–382

Nigrovic PA et al. Biological classification of childhood arthritis: roadmap to a molecular nomenclature. Nat Rev Rheumatol 2021;17:257–269

Therapie der Juvenilen Idiopathischen Arthritis. S2k-Leitlinie, Hrsg. Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) und Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Stand November 2019, AWMF-Registernummer 027-020

Wie wird Uveitis behandelt. Informationen von Abbvie Care, www.abbvie-care.de/erkrankung/uveitis/wie-wird-uveitis-behandelt/

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin und Autorin in Berlin. Seit 2001 schreibt sie Beiträge für Zeitschriften des Deutschen Apotheker Verlags sowie für medizinische Fachverlage.

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