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Klassische Nahrungsergänzungsmittel in vegan

Wenn es um vegane Nahrungs­ergänzungsmittel geht, denkt man wahrscheinlich schnell daran, dass sie keine Gelatine oder Lactose enthalten dürfen. Für diese Probleme gibt es mit pflanzenbasierten Kapselhüllen bzw. alternativen Füllmitteln schon seit Längerem etablierte Lösungen. Aber welche Zutaten gibt es darüber hinaus, bei denen man vielleicht nicht sofort an einen tierischen Ursprung denkt? Wie können sie ersetzt werden und wo gibt es Grenzen? | Von Desiree Aberle 

Vegan liegt im Trend. Kannte vor einigen Jahren diesen Begriff kaum einer, ist er inzwischen in aller Munde. Vereinfacht sagt „vegan“ aus, dass ein Produkt frei von tierischen Bestandteilen ist. Bereits in der Herstellung dürfen keine Stoffe tierischen Ursprungs eingesetzt werden, selbst wenn sie später nicht im Endprodukt enthalten sind. Eine konkrete Definition hat die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz erarbeitet (s. Kasten „Definition ‚vegan‘ und ‚vegetarisch‘“).

Definition „vegan“ und „vegetarisch“

Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Deshalb gilt auch für sie die Definition des Begriffs „vegan“ der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz:

„Vegan sind Lebensmittel, die keine Erzeugnisse tierischen Ursprungs sind und bei denen auf allen Produktions- und Verarbeitungsstufen keine

  • Zutaten (einschließlich Zusatzstoffe, Trägerstoffe, Aromen und Enzyme) oder
  • Verarbeitungshilfsstoffe oder
  • Nicht-Lebensmittelzusatzstoffe, die auf dieselbe Weise und zu demselben Zweck wie Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden,

die tierischen Ursprungs sind, in verarbeiteter oder unverarbeiteter Form zugesetzt oder verwendet worden sind“ [1].

Dagegen abgegrenzt werden „vegetarische“ Lebens­mittel, die per definitionem auch die nachstehenden Zutaten bzw. Bestandteile oder Erzeugnisse daraus enthalten dürfen: „Milch, Kolostrum, Farmgeflügeleier, Bienen­honig, Bienenwachs, Propolis oder Lanolin aus von lebenden Schafen gewonnener Wolle“ [1].

Sollte es trotz Vorkehrungen und guter Herstellungspraxis (GMP) unbeabsichtigt und technisch nicht vermeidbar zu Verunreinigungen mit Erzeugnissen kommen, die den oben genannten Kriterien nicht entsprechen, darf das Lebensmittel trotzdem als vegan bzw. vegetarisch bezeichnet werden.

Quelle: Definitionen vegan-vegetarisch. Dokument der Verbraucherschutz­ministerkonferenz, Mai 2016 [1]

Vegane Siegel

Auf Verpackungen vieler Lebensmittel findet man in­zwischen ein grünes „V“ auf gelbem Hintergrund – das ­sogenannte „V-Label“. Mit den schriftlichen Zusätzen „vegetarisch“ bzw. „vegan“ lässt sich ein Produkt für den Ver­braucher entsprechend einfach einordnen. Das V-Label ist europa­weit das einzige unabhängige Siegel für vegetarische und vegane Lebensmittel. Um eine entsprechende Zertifizierung zu erhalten, muss der Hersteller eine Selbstauskunft darüber geben, wie sein Produkt zusammengesetzt ist und welche Hilfsstoffe bei der Verarbeitung eingesetzt wurden. ­Diese Angaben werden geprüft und regelmäßig durch unabhängige Labore kontrolliert. Beim V-Label gilt neben der genannten Definition der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz auch, dass die Produkte keine gentechnisch veränderten Zutaten enthalten dürfen und dass keine Tierversuche im Zusammenhang mit dem Produkt durchgeführt wurden. Medikamente können keine V-Label-Lizenz erhalten, Nahrungsergänzungsmittel schon.

Darüber hinaus können Unternehmen aber auch eigene Siegel auf ihre Produkte aufbringen. Diese unterliegen allerdings keiner unabhängigen Kontrolle.

Möglichkeiten und Grenzen der Austauschbarkeit

Inzwischen gibt es für zahlreiche klassische Inhaltsstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln wie Omega-3-Fettsäuren Ersatzprodukte nicht tierischen Ursprungs. Die Tabelle gibt einen Überblick über vielfach eingesetzte Nährstoffe sowie Hilfs- und Zusatzstoffe, die von Tieren gewonnen werden und zeigt vegane Alternativen dazu auf.

Tab.: Beispiele häufig eingesetzter Nähr-, Hilfs- und Zusatzstoffe tierischen Ursprungs in Nahrungsergänzungs­mitteln sowie vegane Alternativen, falls vorhanden (nach [2-6])
Inhaltsstoffe (tierische Quelle)
vegane Quelle
vegane Alternative (Beispiele)
Nährstoffe
Chondroitinsulfat (Rind, Schalentiere)
Algen
Phytodroitin™ z. B. im Kombipräparat Glucosamin+Chondroitin Kapseln von Sunday Natural
Colecalciferol/Vitamin D3
(Schaf [Lanolin])
Flechten (Lichen), Algen
z. B. Vitamin D3 1000 vegan Vital-Kapseln Salus, Vitamin D Verla® purKaps, vitamin D‑Loges® liposomal pflanzlich
Collagen (Rind, Huhn, Fisch)
keine
keine
Glucosaminsulfat (Rind, Schalentiere)
Mais
z. B. Glucosamin 850 mg hochdosiert vegan Kapseln von Sunday Natural
Gelée Royale, Honig, Propolis (Biene)
keine
keine
Hyaluronsäure (Huhn [Hahnenkamm])
biotechnisch
z. B. Pure Encapsulations® Hyaluronsäure Kapseln
Kolostrum/Erstmilch (Rind)
keine
keine
Molke (Rind)
Reis, Hülsenfrüchte, Soja
z. B. Bio Reis Protein Pulver von Allpharm
Omega-3-Fettsäuren (Fisch, Krill)
Mikroalgen (Schizochytrium)
z. B. Norsan Omega-3 vegan flüssig, omega3-Loges® pflanzlich, Naturafit Omega-3 vegan Algenöl 834 mg Kapseln
Hilfs- und Zusatzstoffe
Gelatine (Schwein, Rind, Geflügel)
Holz (Cellulose), Tapioka
Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC), Pullulan
Honig als Süßungsmittel, Geschmacksstoff (Biene)
Zuckerrübe, Zuckerrohr,
synthetisch
Saccharose, Aspartam, Honigaroma
Lactose (Rind [Milch])
Mais, Kartoffel, Weizen,Fructose, Holz (Cellulose)
Stärke, Mannitol, mikrokristalline Cellulose
Magnesiumstearat (Rind [Milchfett, Talg], Schwein [Schmalz])
Sojaöl, Rapsöl, Maiskeimöl
pflanzliches Magnesiumstearat

Allerdings sind manche tierische Nährstoffkombinationen so speziell zusammengesetzt, dass für sie keine Alternative existiert. Das trifft beispielsweise auf Kolostrum zu, die Erstmilch von Säugern, die neben Vitaminen und Mineralstoffen auch Wachstumsfaktoren und Immunglobuline enthält. Auch Bienenprodukte wie Gelée Royale, Honig und Propolis weisen eine nicht nachzuahmende Zusammen­setzung auf. So kann Honig neben Kohlenhydraten und Vitaminen auch Enzyme mit antibakterieller Wirkung enthalten. Ein weiterer Nährstoff, für den es bisher kein veganes Ersatzprodukt gibt, ist das Strukturprotein Collagen. Es sind zwar Präparate verfügbar, die vermeintlich pflanz­liches Collagen enthalten. Aber bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass sie kein Collagen an sich beinhalten, sondern meist pflanzliche Proteine, z. B. aus Erbse oder Mandel, die zu einer „normalen Collagen-Bildung“ beitragen sollen. Aber es gibt Hoffnung auf „echtes“ veganes Collagen: Im Jahr 2020 meldete die Fachzeitschrift Chemie Technik, dass es einem Chemiekonzern gelang, synthetisches Collagen herzustellen. Allerdings scheint aktuell noch kein ent­sprechendes Präparat auf dem Markt zu sein.

Vitamin D3 ist häufig „nur“ vegetarisch

Colecalciferol (Vitamin D3) kann durch Sonnenlicht in der Haut gebildet (s. Abb.) oder über die Nahrung zugeführt werden. Häufig reicht das allerdings nicht aus, sodass das „Sonnenvitamin“ supplementiert werden muss. Der Ausgangsstoff zur Synthese von Vitamin D3 für Nahrungsergänzungsmittel ist in vielen Fällen Lanolin. Aus dem Wollfett wird 7-Dihydrocholesterol extrahiert, das mithilfe von ultraviolettem Licht in Colecalciferol (Vitamin D3) umgewandelt und anschließend aufgereinigt wird. Da Lanolin aus der Wolle lebender Schafe gewonnen wird, handelt es sich bei dem daraus gewonnenen Vitamin D3 um ein vegetarisches Produkt [9]. Auch hierfür gibt es inzwischen vegane Alter­nativen aus Algen bzw. Flechten. Zuvor gab es als tierfreien Ersatz Präparate aus Hefen und Pilzen mit Ergocalciferol (Vitamin D2). Über die Bioäquivalenz von Vitamin D2 und Vitamin D3 wurde häufig diskutiert. Um den Vitamin-D-Status im Blut zu überprüfen, wird die an C-25 hydroxylierte Form von Vitamin D, das 25-Hydroxy-Vitamin D, betrachtet. Mehrere Studien ergaben, dass Vitamin D3 die Serumkonzentration von 25-Hydroxy-Vitamin-D stärker erhöht als Vitamin D2 [10, 11]. Daher sind Produkte mit Colecalciferol zu bevorzugen.

Endogene Synthese und Metabolismus von Colecalciferol (Vitamin D3). In der Leber entsteht aus Cholesterol 7-Dehydrocholesterol. Durch UVB-Strahlung bilden Keratinozyten in der Haut daraus Colecalciferol, welches in der Leber zu Calcidiol hydroxyliert wird. In den Nieren wird wiederum durch eine weitere Hydroxylierung je nach Bedarf die aktive Form 1,25-Dihydroxycolecalciferol oder die unwirksame Form 24,25-Dihydroxycolecalciferol gebildet. Ergocalciferol kann ebenfalls in Leber und Nieren hydroxyliert und aktiviert werden [nach 14].

Bekannte Marken mit veganen Produkten

Dem Trend zu veganen Lebensmitteln tragen mittlerweile viele Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln Rechnung. Teilweise stellen sie bereits vorhandene Produkte auf „vegan“ oder „vegetarisch“ um, teilweise bringen sie zusätzlich zum bestehenden Portfolio spezielle Vegan-Linien auf den Markt. So bietet z. B. Verla-Pharm zusätzlich zu seinem bekannten Sortiment seit ein paar Jahren mit der purKaps-Linie vegane Nahrungsergänzungsmittel in Cellulose-Kapseln an. Diese Produkte sind nicht nur auf Vegetarier und Veganer ausgerichtet, sondern auch auf Personen mit Unverträglichkeiten. Daher enthalten sie möglichst wenig Hilfs- und Zusatzstoffe. Diesen Ansatz verfolgen auch die Unternehmen Promedico mit der Marke Pure Encapsula­tions® sowie Naturafit mit dem Naturafit-Portfolio. Sie bieten Reinstoffe ohne unnötige Zusätze an. Eine Vielzahl der Präparate sind vegan, was Pure Encapsulations® mit einem eigenen Label und Naturafit in Schriftform auf der Webseite und der Verpackung angibt. Beide Hersteller setzen Kapseln auf Cellulose-Basis ein. Auch Salus und Dr. Loges®, Protina und weitere Unternehmen bieten vegane Präparate an und werden sicherlich künftig weitere auf den Markt bringen. |

Vegan = umweltfreundlich?

Foto: sarayut_sy/AdobeStock

Ein Hauptargument für vegane Produkte ist der Tierschutz, der ohne Frage wichtig ist. Aber wie sieht es mit dem Umweltschutz aus? Sind vegane Produkte automatisch umweltfreundlicher als solche tierischen Ursprungs? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten und hängt vom einzelnen Produkt und Faktoren wie Herstellung und Transportwegen ab.

Von Lebensmitteln weiß man, dass der ökologische Fußabdruck von tierischen Produkten, insbesondere von Fleisch, vergleichsweise groß ist. Aber diese Tatsache allein reicht zur Beurteilung der Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses nicht aus.

Dass man sich durchaus kritisch mit veganen Produkten auseinandersetzen sollte, zeigt das Fachportal für die pharmazeutische Industrie „Pharmatechnik“ (pharmatechnik-online.com, nicht zu verwechseln mit dem Softwareanbieter Pharmatechnik). In einem Beitrag wird die Herstellung der häufig bei veganen Produkten eingesetzten Kapselhüllen aus Hydroxy­propylmethylcellulose (HPMC) mit Gelatine verglichen. Während Gelatine mittels Heißwasserextraktion aus Nebenprodukten der Fleischindustrie hergestellt wird, muss Cellulose mit einer Reihe von Chemikalien aufgeschlossen werden, um zur HPMC-Kapsel zu werden. Dazu sind Substanzen wie das potenziell kanzerogene Propylenoxid und das ebenfalls gesundheitsschädliche Chlormethan nötig, was die Umweltfreundlichkeit infrage stellt. Tierschutz und Umweltschutz gehen also leider nicht immer Hand in Hand [12; 13].

Literatur

 [1] Definitionen vegan-vegetarisch. Dokument der Verbraucherschutzministerkonferenz, Mai 2016, www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/VSMK-Dokumente.html

 [2] Lauer-Taxe® Online 4.0, Datenstand: 01.04.2022

 [3] Produktinformationen der Hersteller

 [4] Bruhn, C. „Einmal Ibu vegan, bitte!“ DtschApothZtg 2020;160(5):42-45

 [5] Borsch, J. Problematische Hilfsstoffe: Schwein, Rind und Co. – Arzneimittel enthalten oft Substanzen tierischen Ursprungs. DtschApothZtg 2015;155(46):10-11

 [6] Fahr, A. Voigt Pharmazeutische Technologie – Für Studium und Beruf. 13. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 2021

 [7] Honig: Gesund essen – Honig in der Ernährung. Informationen des Bundeszentrums für Ernährung, Stand: August 2019, www.bzfe.de/lebensmittel/vom-acker-bis-zum-teller/honig/honig-gesund-essen/

 [8] Gelée Royale – königliches Anti-Aging? Informationen der Verbraucherzentrale, Stand: März 2021, www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/gelee-royale-koenigliches-antiaging-21063

 [9] Vitamin D3 liquid – Häufige Fragen. Informationen von Pure Encapsulations®, www.purecaps.net/produkte/vitamin-d3-liquid

[10] Lehmann U et al. Bioavailability of Vitamin D2 and D3 in Healthy Volunteers, a Randomized Placebo-Controlled Trial. J Clin Endocrinol Metab 2013;98(11):4339-4345

[11] Tripkovic L et al. Daily supplementation with 15 μg vitamin D 2 compared with vitamin D 3 to increase wintertime 25-hydroxyvitamin D status in healthy South Asian and white European women: a 12-wk randomized, placebo-controlled food-fortification trial. Am J Clin Nutr 2017;106(2):481-490

[12] Für Klima und Umwelt: Tierische Produkte höher besteuern. Informationen des Umweltbundesamtes, Januar 2017, www.umweltbundesamt.de/fuer-klima-umwelt-tierische-produkte-hoeher#ist-der-vorschlag-unsozial-weil-auch-geringverdiener-durch-die-hohere-mehrwertsteuer-fur-tierische-produkte-belastet-werden

[13] HPMC versus Gelatine. Informationen von Pharmatechnik, Oktober 2019, www.pharmatechnik-online.com/hpmc-versus-gelatine/

[14] Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020

Autorin

Desiree Aberle hat Pharmazie in Heidelberg studiert. Nach ihrer Approbation arbeitete sie mehrere Jahre in einer öffent­lichen Apotheke. Im Oktober 2021 begann sie ihr Volontariat bei der Deutschen Apotheker Zeitung.

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