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Arzneimittel und Therapie
Gegen Depressionen in jungen Jahren
Agomelatin auch bei Jugendlichen sicher und wirksam
Etwa ein bis sechs Prozent der acht- bis elfjährigen Kinder und rund drei bis acht Prozent der Heranwachsenden im Alter zwischen 12 und 15 Jahren leiden unter einer schweren depressiven Störung, die häufig in einem späteren Lebensalter erneut auftritt. Die Symptomatik der Erkrankung ist der von Depressionen bei Erwachsenen sehr ähnlich, es gibt aber auch Unterschiede: Während Freudlosigkeit und Hoffnungslosigkeit häufiger bei Erwachsenen auftreten, leiden Kinder und Jugendliche eher unter somatischen Beschwerden, Reizbarkeit und halluzinogenen Stimmungsschwankungen. Des Weiteren kann die Depression mit Suizidalität einhergehen. So ist in der Gruppe der Adoleszenten die Selbsttötung die zweit- oder dritthäufigste Todesursache. Ein Abwarten und Hoffen auf Besserung ist also fehl am Platz. Leitlinien empfehlen bei moderaten bis schweren Depressionen bei Kindern und Heranwachsenden initial eine Verhaltenstherapie, eine interpersonelle Behandlung oder eine Familientherapie. Bei schweren Verläufen können diese Methoden mit einer Psychopharmakotherapie verknüpft werden.
Neue Wirkmechanismen sind gefragt
Obwohl die Psychotherapie das Mittel der Wahl ist, ist sie nicht immer verfügbar. Daher sind pharmakotherapeutische Alternativen erforderlich. Diese sind allerdings rar: Für junge Menschen zugelassen sind lediglich Fluoxetin (EU-Zulassung) und Escitalopram (Letzteres ist nur von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA für Heranwachsende zugelassen). Andere Wirkstoffe verstärken bei jungen Patienten häufig noch die Suizidalität, neue Wirkmechanismen sind also gefragt. Ob der Melatonin-Rezeptor-Agonist und Serotonin-5-HT2C-Rezeptor-Antagonist Agomelatin das Repertoire erweitern könnte, wurde in einer internationalen Studie untersucht.
Für die randomisierte, doppelblinde, multizentrische Parallelgruppen-Studie wurden 400 Probanden (medianes Alter 13,7 Jahre) mit schweren Depressionen ausgewählt, die während einer dreiwöchigen Einleitungsphase nicht auf eine psychosoziale Therapie ansprachen. Die Kinder und Heranwachsenden wurden 1:1:1:1 randomisiert und erhielten neben der Psychotherapie einmal täglich entweder 10 mg oder 25 mg Agomelatin, Fluoxetin (als aktive Vergleichsgruppe in einer Dosierung zwischen 10 und 20 mg) oder Placebo. Das Ausmaß der Depression wurde anhand der Children’s Depression Rating Scale (CDRS-R), einem semistrukturierten Interview zur Diagnostik depressiver Störungen bei Kindern und Jugendlichen, erfasst. Der primäre Studienendpunkt war die Veränderung in der CDRS-R-Skala zwischen dem Beginn der Pharmakotherapie und nach zwölf Wochen Behandlung.
Wirksam nur bei Adoleszenten
Alle Pharmakotherapien (Agomelatin, Fluoxetin) waren wirksamer als eine Placebo-Behandlung. Der größte Unterschied zwischen Placebo und einer medikamentösen Therapie wurde mit Agomelatin in einer Dosierung von 25 mg erzielt – geschätzter Unterschied 4,22 Punkte (p = 0,04). Ein ähnliches Ergebnis wurde unter Fluoxetin erzielt (geschätzter Unterschied -3,74 Punkte; p = 0,039). Unter Agomelatin in einer Dosierung mit 10 mg lag der Unterschied im Vergleich zu einer Placebo-Gabe bei -3,18 Punkten (p = 0,079). Der günstige Effekt einer medikamentösen Therapie mit Agomelatin zeigte sich nur bei Heranwachsenden, jedoch nicht bei Kindern. Was die Therapiesicherheit anbelangt, so wurde Agomelatin gut vertragen, wirkte sich nicht auf das Gewicht oder die Sexualfunktionen aus. Es gab keine Hinweise auf Suizidalität oder erhöhte Hepatotoxizitäten (unter Fluoxetin und Agomelatin traten jeweils zwei Fälle einer reversiblen Erhöhung der Aminotransferasen auf).
Aufgrund dieser Daten sehen die Studienautoren in Agomelatin eine mögliche Option zur Therapie depressiver Heranwachsender, nach Möglichkeit unter Einbeziehung einer psychosozialen Beratung. |
Literatur
Arango C et al. Safety and efficacy of agomelatine in children and adolescents with major depressive disorder receiving psychosocial counselling: a double-blind, randomised, controlled, phase 3 trial in nine countries. Lancet Psychiatry. 2022;9(2):113-124. doi: 10.1016/S2215-0366(21)00390-4
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