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Praxis

Online negativ bewertet – und nun?

Gerichtliche Entscheidungen und juristische Einschätzung

Heutzutage werden im Internet so gut wie keine Produkte oder Dienstleistungen mehr erworben, ohne dass man sich vorab über die Erfahrungen anderer Kunden informiert, sei es beim Kauf eines Elektrogeräts oder bei der Buchung der nächsten Urlaubsreise. Entweder findet man die Produktbewertung direkt auf der Website des Anbieters, auf einem speziellen Bewertungsportal oder in einer Google-Rezension. Dienst­leistungen oder Einzelhandelsgeschäfte können bei ­Google mit einem bis fünf Sternen, teils mit ergänzender Begründung, bewertet werden oder – so z. B. bei speziellen Portalen wie Jameda für Ärzte oder auch Apotheken – nach Kundenzufriedenheit benotet werden. | Von Janna Schweim

Das nachfolgende Beispiel einer Apothekenbewertung ­wurde im Wortlaut auf der Plattform Jameda gefunden. Die Wiedergabe erfolgt allerdings bereinigt um Angaben zur konkreten Apotheke oder zu Produktnamen:

„Beratung ist in Ordnung. Allerdings ist diese Apotheke eine äußerst gewinnorientierte Apotheke. Bei Pantoprazol gibt es unterschiedliche Hersteller, und bei einer anderen Apotheke wurde mir sofort die günstige Variante von […] verkauft. Hier wird einem aber gleich das Teure von […] untergejubelt. Wohlgemerkt nach Abzug des Rabattes meiner Kundenkarte. Einfach nur schlecht. Der Gewinndruck und der Druck der Pharma-Industrie muss verdammt groß sein.“

Mit einer Bewertung nach „Schulnoten“ von insgesamt 2,8 und jeweils einer 2 bei Beratung und Freundlichkeit kommt die Apotheke noch ganz gut davon. Service und Diskretion fallen allerdings in der Wahrnehmung des Kritikers schon ab (beide Note 3). Mit der Note 4 wird dann die Produktauswahl bewertet und zugleich unterstellt, dass gezielt das teuerste Arzneimittel anstelle eines günstigeren Generikums aus Profitorientierung verkauft werden würde. Im vorliegenden Fall wird mangels näherer Angaben unterstellt, dass es sich um Pantoprazol zur kurzzeitigen Anwendung in der nicht verschreibungspflichtigen Dosierung von 20 mg gehandelt hat, oder – im Falle der Verschreibung einer höheren Dosierung – eine Austauschbarkeit „aut idem“ möglich gewesen wäre.

Neben der korrekten fachlichen Beratung aus pharmazeutischer Sicht, welche immer im Vordergrund stehen sollte, muss berücksichtigt werden, dass Apothekerinnen und Apotheker in gewissem Maße auch Kaufleute sind. Einer anderen Kauffrau oder einem anderen Kaufmann im Einzelhandel würde man das Anbieten eines teureren Produkts wohl seltener zum Vorwurf machen als in der Apotheke, zumal der Kunde – egal in welchem Geschäft – immer die Möglichkeit hätte, nach einer günstigeren Alternative zu fragen. Die neutralste Vorgehensweise seitens der Apotheke wäre es sicherlich, verschiedene gleichwertige Produkte mit unterschiedlichen Preisen dem Kunden zur Wahl zu stellen und dabei auf ggf. vorhandene Unterschiede hin­zuweisen.

Muss man sich negative Kritik gefallen lassen?

Fraglich ist jedoch, im vorliegenden Beispiel wie auch bei anderen Online-Rezensionen, ob die Apothekenleitung sich eine solche negative Kritik gefallen lassen muss oder ob bzw. ab wann es sich möglicherweise um eine unzulässige Bewertung handelt, welche sogar einen Straftatbestand erfüllt und gegen die man sich erfolgreich zur Wehr setzen könnte.

Eine Online-Rezension stellt zunächst immer eine Meinungsäußerung dar, welche an sich noch nicht strafbar ist. Wenn sich jemand durch die Äußerung einer anderen Person angegriffen fühlt, muss geprüft werden, ob die vermeintlich verletzende Aussage eine bloße Meinungsäußerung oder eine (unwahre) Tatsachenbehauptung darstellt. Bloße Meinungsäußerungen und wahre Tatsachenbehauptungen sind grundrechtlich über die Meinungsfreiheit geschützt und verletzen nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der von der Aussage betroffenen Person. Dies gilt nicht für unwahre Tatsachenbehauptungen, als solche gelten sowohl Lügen als auch bewusst unvollständige Darstellungen einer Situation – bereits bewiesene unwahre Aussagen muss der oder die Betroffene nicht hinnehmen. Bei anderen Tatsachen trifft den Äußernden bzw. die Äußernde die Pflicht, die Wahrheit der Tatsache zu beweisen. Es muss immer der Einzelfall betrachtet werden, die Beurteilung wird nicht selten dadurch erschwert, dass in Aussagen Tatsachenbehauptungen und Meinungen oft miteinander vermischt werden.

Tatsachenbehauptung mit Wahrheitsgehalt?

Im oben genannten Beispiel der Jameda-Bewertung handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, dass die Apotheke ein teures anstelle eines günstigeren Pantoprazol-Präparats verkauft habe. Es müsste vom Kunden verlangt werden, die Richtigkeit dieser Tatsache zu beweisen, z. B. anhand einer Quittung, welche belegt, dass in der betroffenen Apotheke das besagte Arzneimittel zum genannten Preis gekauft wurde. Da der Kunde äußert, dass ihm in einer anderen Apotheke das günstigere Alternativprodukt verkauft worden sei, ist fraglich, ob dieses Wissen bereits beim Einkauf in der bewerteten Apotheke bestand oder der teure Einkauf zeitlich vor dem günstigen Einkauf stattgefunden hat, zunächst also wirklich das teurere Produkt „untergejubelt“ wurde und der Kunde erst später von der günstigeren Alternative erfahren und sich daher übervorteilt gefühlt hat. Für diese Beurteilung liegen aufgrund der Kürze der Rezension zu wenige Informationen vor. Wenn der Kunde die verschiedenen Produkte und Preise bereits kannte, so stand es ihm frei, das günstigere Produkt zu verlangen. Ohne den Verlauf des Beratungs­gesprächs zu kennen, fällt die abschließende Be­urteilung schwer, da sich ein Kunde auch bewusst für ein teureres Produkt, z. B. wegen guter Erfahrungen, entscheiden könnte, ohne von der Apotheke zum Kauf beeinflusst worden zu sein. In einer Auseinandersetzung vor Gericht müsste die Tatsachenbehauptung mit viel mehr Informationen ergänzt werden, um den Wahrheitsgehalt beurteilen zu können.

Von übler Nachrede bis zur Verleumdung

Sofern eine unwahre Tatsachenbehauptung festgestellt werden sollte, könnte diese strafrechtlich eine üble Nachrede gemäß § 186 StGB oder eine Verleumdung gemäß § 187 StGB darstellen. Eine üble Nachrede begeht der- bzw. diejenige, der bzw. die gegenüber Dritten über eine andere konkrete Person eine ehrverletzende Tatsache behauptet oder verbreitet, die nicht nachweislich wahr und geeignet ist, die Person verächtlich zu machen bzw. in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Bei der üblen Nachrede muss der Täter selbst nicht wissen, dass die Tatsache unwahr ist. Vor Gericht muss er dann aber darlegen und beweisen, dass es sich um eine wahre Tatsache gehandelt hat. Gelingt dieser Beweis nicht, so wird die Äußerung wie eine unwahre Tatsache behandelt. Weiß der Täter jedoch bereits zum Zeitpunkt der Äußerung, dass die verbreitete ehrverletzende Tatsache unwahr ist, so läge eine Verleumdung vor. Sowohl durch eine Meinungsäußerung als auch durch eine Tatsachenbehauptung könnte noch der Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfüllt sein. Eine Äußerung direkt gegenüber der betroffenen Person oder gegenüber Dritten kann dann zur Beleidigung werden, wenn man die persönliche Ehre des anderen missachtet – z. B. wenn man den Wert des anderen geringer darstellt, als er tatsächlich ist. Nicht ausreichend sind demgegenüber bloße Unhöflichkeiten oder Taktlosigkeiten. In den Bereich der Beleidigung fällt auch die sog. Schmähkritik. Bei dieser Form der Kritik kommt es dem Äußernden nicht mehr auf die Auseinandersetzung in der Sache an, sondern nur noch darauf, den Betroffenen herabzuwürdigen, zu diffamieren und in seiner Würde zu verletzen. Entscheidend ist hier die sachliche Grundlage – liegt diese vor, ist eine Äußerung auch dann zulässig, wenn sie überzogen und drastisch (Stichwort: Satire) erscheint. Grundsätzlich kämen als Rechtsmittel gegen entsprechende Äußerungen im Internet Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung oder Ansprüche auf Widerruf bzw. Richtigstellung von unwahren Tatsachenbehauptungen in Betracht.

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Portal-Betreiber müssen bei Beanstandungen von Bewertungen ein ausführliches Prüfverfahren samt Einforderung von Belegen und Nachweisen durchführen – dies entschied der Bundesgerichtshof im Falle eines Arzt­bewertungsportals.

BGH-Urteil im Falle eines Arztbewertungsportals

Die genannten Straftatbestände wären in dem eingangs aufgeführten Beispiel alle nicht erfüllt, da in der Rezension keine konkrete Person – z. B. Angestellte der Apotheke – genannt wird, mit welcher das Verkaufsgespräch stattge­funden hat, die getroffenen Aussagen über die Apotheke als solche reichen für die strafrechtliche Qualifizierung nicht aus. Zudem erschwert die Bewertung im Internet, die in der Regel unter Pseudonymen und nicht mit Nennung von Klarnamen erfolgt, die Ermittlung und Klage gegen den Täter.

Was aber könnte die Apothekenleitung dennoch unternehmen, wenn sie die Rezension als ungerecht und unwahr, möglicherweise sogar als ruf- und geschäftsschädigend empfindet?

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat im Jahr 2016 (VI ZR 34/15) im Falle eines Arztbewertungsportals entschieden, dass die Portal-Betreiber bei Beanstandungen von Bewertungen ein ausführliches Prüfverfahren samt Einforderung von Belegen und Nachweisen durchführen müssen. Obwohl vom Portal-Betreiber keine Prüfung von Nutzerbeiträgen vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen verlangt wurde, bestand ein Anspruch darauf sehr wohl ab Kenntniserlangung, d. h. nach entsprechendem Hinweis des Betroffenen. Auch wenn der Prüfungsaufwand den Betrieb des Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren darf, ist nach Einschätzung des BGH zu berücksichtigen, dass eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen gerecht werden muss.

Auf EU-Ebene wird derzeit über den Entwurf einer Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste („Gesetz über digitale Dienste“) vom 15. Dezember 2020 beraten und ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren wurde im Januar 2022 auf den Weg gebracht, damit die vorgesehenen Regelungen anschließend unmittelbar in allen EU-Staaten gelten. Jüngst, am 22. April 2022, haben sich Europäischer Rat, EU-Parlament und EU-Kommission über den „Digital Services Act“ – die Verordnung über digitale Dienste (DSA) – geeinigt. Neben dem besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie ihrer Grundrechte im Internet zielt das Gesetz auch auf die Schaffung eines leistungsfähigen bzw. klaren Transparenz- und Rechenschaftsrahmens für Online-Plattformen ab. Insbesondere große Online-Plattformen (z. B. Google, Amazon etc.) sollen dabei in die Pflicht genommen werden, denn das EU-Gesetz sieht Melde- und Abhilfeverfahren sowie Schutzmaßnahmen vor, um illegale Waren, Dienstleistungen oder Inhalte aus dem Internet zu entfernen. Anbieter von Hosting-Diensten sollen zukünftig gesetzlich verpflichtet werden, auf solche Meldungen sofort reagieren zu müssen und dabei die Art der gemeldeten illegalen Inhalte zu berücksichtigen und abzuschätzen, wie dringend nötig es wäre, sie zu entfernen. Dazu würden u. a. auch unwahre und beleidigende Online-Rezensionen gehören, die von den Plattform-Betreibern überprüft und ggf. gelöscht werden müssten. Dadurch soll es den Betroffenen – Verbrauchern wie Unternehmen – leichter gemacht werden, ihre Ansprüche auf Beseitigung oder Richtigstellung von Inhalten im Internet geltend zu machen. Bislang wären die Betroffenen auf den oft mit Anwalts- und/oder Gerichtskosten verbundenen Rechtsweg angewiesen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Fazit

Grundsätzlich soll festgehalten werden, dass sowohl Verbraucher als auch Unternehmen den transparenten digitalen Austausch über Waren und Dienstleistungen in der Regel schätzen und partnerschaftlich nutzen. So sollten auch Apotheken unternehmerisch agieren und mit den Verfassern von Rezensionen in den Dialog treten und sich insbesondere mit konstruktiver Kritik auseinandersetzen. Auch auf negative Kritik kann man freundlich reagieren und unzufriedene Kunden ggf. mit einer sachlichen Antwort besänftigen. Damit anstelle eines negativ verzerrten ein ausgewogeneres Bild über die eigene Apotheke im Internet entsteht, kann auch präventiv gehandelt werden, indem man zufriedene Kundinnen und Kunden motiviert, die positiven Erfahrungen im Internet zu teilen. |

Autorin

Dr. Janna K. Schweim, Rechtsanwältin, Köln

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