Foto: tomschoumakers/AdobeStock

Kardiologie

Entzündetes Herz

Das Krankheitsbild infektiöse Endokarditis

Beschwerden wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schüttelfrost, Nachtschweiß, Fieber und Kopfschmerzen sind nicht zwangsläufig Anzeichen für eine Grippe oder COVID-19. Es kann auch eine infektiöse ­Endokarditis dahinterstecken. Aber was ist das eigentlich für eine Krankheit? Welche Ursachen hat sie? Wie wird sie erkannt und behandelt? Welche Prognose haben die Patientinnen und Patienten? Und welche Möglich­keiten der Prophylaxe gibt es? | Von Stefan Oetzel 

Die Endokarditis ist eine Entzündung der Herzinnenhaut (Endokard) – eine dünne Bindegewebsschicht, die das Herz von innen auskleidet. Auch die Herzklappen gehören zum Endokard und können ebenfalls betroffen sein [1]. Damit unterscheidet sich die Endokarditis von anderen Herzentzündungen wie der Perikarditis, einer Entzündung des Herzbeutels, und der Myokarditis, einer Entzündung des Herzmuskels, die sich z. B. auch infolge einer Corona-Infektion entwickeln kann [2]. Bei der infektiösen Endokarditis wird die Entzündung durch unterschiedliche Krankheitserreger verursacht – im Gegensatz zur nicht infektiösen Endokarditis, die z. B. infolge eines rheumatischen Fiebers oder einer Autoimmunerkrankung entsteht [1, 3]. Was den Krankheitsverlauf der infektiösen Endokarditis betrifft, kann zwischen akuten Formen (Endokarditis acuta) und subakuten Formen (Endokarditis lenta) unterschieden werden. In Deutschland erkranken jährlich zwischen zwei und fünf Menschen pro 100.000 Einwohner an einer infektiösen Endokarditis, wobei Männer etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten ist über 60 Jahre alt [1]. Die infektiöse Endokarditis ist eine Erkrankung, die auch bei adäquater Behandlung lebensbedrohlich sein kann [4].

Wer ist besonders gefährdet?

Eine infektiöse Endokarditis kann prinzipiell durch alle Arten von Krankheitserregern (Bakterien, Pilze, Viren oder Parasiten) hervorgerufen werden [5]. In den allermeisten Fällen sind jedoch Bakterien, vor allem Staphylokokken und Streptokokken, für die zugrunde liegende Infektion verantwortlich. Enterokokken können, wenn auch seltener, ebenfalls Ursache einer bakteriellen Endokarditis sein (Tab. 1) [1, 6].

Tab. 1: Bakterien und Pilze, die eine infektiöse Endokarditis verursachen können (nach [6])
Erregergruppe
Haupterreger
Charakteristika
Koagulase-positive Staphylokokken
  • Staphylococcus aureus(45 bis 65%)
  • häufiger Erreger der Endokarditis acuta
α-hämolysierende Streptokokken
  • Streptococcus viridans (30%)
  • häufigster Erreger der Endokarditis lenta
Koagulase-negative Staphylokokken
  • Staphylococcus epidermidis
  • häufigster über infizierte Venenverweilkatheter übertragener Keim
Enterokokken
  • Enterococcus faecalis (< 10%)
  • Virulenz liegt zwischen der von Streptokokken und Staphylokokken
  • multiple Antibiotika-Resistenzen: immer gegenüber Penicillin G und Cephalosporinen
Streptokokken der Gruppe D
  • Streptococcus bovis
  • bei Nachweis von Streptococcus bovis muss an eine pathologische Veränderung im Gastrointestinaltrakt und insb. an ein Kolonkarzinom gedacht werden; dementsprechend ist eine Koloskopie im Verlauf obligat
weitere gramnegative Erreger
  • HACEK-Gruppe
  • Gruppe gramnegativer Erreger aus dem Mund-Rachen-Raum, die für etwa 3% der Endokarditiden verantwortlich sind
  • Pseudomonas aeruginosa
  • für etwa 3% der Endokarditiden verantwortlich, insbesondere bei intravenösem Drogenabusus
weitere seltene Erreger
  • Coxiella burnetii
  • Bartonella henselae und Bartonella quintana
  • Brucellen
  • Legionella pneumophila
  • führen häufig zum Bild der Blutkultur-negativen Endokarditis
Pilze
  • Aspergillus spp.
  • Candida spp.
  • bei Immunsuppression (z. B. HIV, Zustand nach Nierentransplantation)
  • nach kardiochirurgischen Eingriffen

Was die Pathogenese der infektiösen Endokarditis betrifft, setzen sich Bakterien oder andere Erreger, die z. B. nach einer Zahnbehandlung in den Blutkreislauf eingeschwemmt wurden (Bakteriämie), auf dem Endokard bzw. den Herzklappen fest und infizieren so das Gewebe [6, 7]. Dadurch kommt es zur Schädigung vor allem der Herzklappen, auf denen sich in der Folge bakteriell besiedelte Blutgerinnsel, die sogenannten Vegetationen, ausbilden (s. Abb.).

Abb.: Ansammlungen bakterienhaltiger Blutgerinnsel (Vegetationen) auf den vier Herzklappen (nach [7])

Diese wiederum können sich von der Herzwand lösen und als Emboli durch die Blutgefäße zirkulieren und sie blockieren. Sind hiervon Hirnarterien betroffen, kann dies zum Schlaganfall führen. Emboli können in den betreffenden Bereichen auch zu Infektionen führen und/oder kleine Blutgefäße blockieren. Eine Schädigung von Milz, Nieren oder anderen Organen sind mögliche Folgen. Wenn die Erkrankung nicht behandelt wird, können sich die Läsionen an den Herzklappen auch zu einer lebensbedrohlichen akuten Klappeninsuffizienz ausweiten [7].

Insbesondere Patientinnen und Patienten, deren Herzinnenhaut z. B. aufgrund von angeborenen bzw. erworbenen Herzfehlern oder nach Operationen am Herzen bereits vorgeschädigt ist, haben ein erhöhtes Risiko, an einer infektiösen Endokarditis zu erkranken, da sich hier die Erreger leichter auf dem Endokard ansiedeln können. Auch Menschen, bei denen sich viele Bakterien im Blut befinden, wie dies z. B. nach bestimmten Operationen oder nach dem Gebrauch von verunreinigten Kanülen der Fall sein kann, sind besonders gefährdet, ebenso wie Patientinnen und Patienten mit einem geschwächten Immunsystem. Demzufolge gibt es eine Reihe verschiedener Risikofaktoren, welche die Entstehung einer infektiösen Endokarditis begünstigen können. Hierzu gehören [5, 7]:

  • vorgeschädigte Herzklappen
  • künstliche (prothetische) Herzklappen
  • Degeneration der Herzklappen bei älteren Menschen
  • Schädigung des Herzens durch rheumatisches Fieber
  • Herzschrittmacher oder Defibrillator
  • schwere angeborene Herzfehler
  • Behandlung mit Venenverweilkathetern. Hier ist die Infektionsgefahr erhöht, da ein längerfristiger Zugang zum Blutgefäß besteht.
  • intravenöse Injektion von Drogen mit erhöhtem Infektionsrisiko durch unsterile Spritzen bzw. Kanülen
  • chirurgische Eingriffe mit erhöhter Infektionsgefahr wie Zahnbehandlungen oder Operationen an der Lunge
  • Immunsuppression, z. B. medikamentös nach Organtransplantation oder infolge einer HIV-Infektion
  • schlechter Allgemeinzustand, z. B. bei Diabetes mellitus oder Leberzirrhose

Das höchste Risiko für eine infektiöse Endokarditis besteht bei Menschen, die sich Drogen spritzen, deren Immunsystem geschwächt ist oder denen eine künstliche Herzklappe, ein Herzschrittmacher bzw. ein Defibrillator implantiert wurde [7].

Wie macht sich eine infektiöse Endokarditis bemerkbar?

Viele der klinischen Symptome einer infektiösen Endokarditis sind unspezifisch. So klagen Patientinnen und Patienten oft über hohes Fieber, vermehrtes Schwitzen und Schüttelfrost, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Schwäche, Müdig­keit, Blässe und Appetitlosigkeit [1, 5, 6]. Eine bakterielle Endokarditis ist auch häufig der Grund für Fieber, dessen Ursache zunächst nicht bekannt ist. Daher sollte ein Patient oder eine Patientin bei anhaltendem, ungeklärtem Fieber auf eine Endokarditis hin untersucht werden, insbesondere wenn gleichzeitig ein neues Herzklappengeräusch auftritt. Neben diesen allgemeinen Symptomen können zahlreiche weitere klinische Beschwerden auftreten, die bestimmte Organe betreffen (Tab. 2) [5, 6].

Tab. 2: Klinische Beschwerden, die – neben den allgemeinen Symptomen – im Verlauf einer infektiösen Endokarditis auftreten können (nach [5, 6]).
betroffene Organe /Organsysteme
klinische Symptome
Herz-Kreislauf-System
  • Anstieg der Herzfrequenz (Tachykardie)
  • neu aufgetretene oder sich verändernde bekannte Herzgeräusche
  • Anzeichen einer Herzinsuffizienz bzw. Herzklappeninsuffizienz (z. B. Ödembildung)
Haut
  • kleine punktförmige Einblutungen (Petechien), insbesondere an den Nägeln
  • schmerzlose Einblutungen an den Handflächen und Fußsohlen (Janeway-Läsionen)
  • schmerzhafte, knotige Einblutungen an Fingern und Zehen (Osler-Knötchen)
  • Einblutungen im Nagelbett (Splinter-Hämorrhagien)
zentrales Nervensystem
  • lokal begrenzte Entzündung des Hirngewebes (Herdenzephalitis)
  • Verstopfung einer der großen Hirnvenen (Sinusvenenthrombose)
  • Aussackungen bzw. Defekte der Gefäßwand (Aneurysmen) im Bereich des Gehirns, die zu Blutungen führen können
  • verminderte Durchblutung des Gehirns (Ischämie) mit erhöhtem Schlaganfallrisiko
Nieren
  • Niereninfarkte
  • Entzündung der Filterteilchen in der Niere (Glomerulonephritis)
Milz
  • Milzvergrößerung (Splenomegalie)
  • akuter Gefäßverschluss (Embolie) mit der Gefahr eines Milzrisses
Lunge
  • Lungenödem als akute Dekompensation nach Abriss des Herzklappensegels oder einer Klappenperforation
Augen
  • Embolie und/oder Blutungen in der Netzhaut (Retina)

Die Ausprägung bzw. das zeitliche Auftreten der einzelnen Symptome hängt eng von der Virulenz des jeweiligen Erregers und dem sich daraus ergebenden Krankheitsverlauf ab. So führt eine Infektion mit dem hochvirulenten Staphylococcus aureus zu einem akuten Verlauf, bei dem es innerhalb von Stunden zur Insuffizienz bzw. Zerstörung der Herzklappe kommen kann. Wenn die Patientin bzw. der Patient mit dem deutlich weniger virulenten Streptococcus viridans infiziert ist, dann bilden sich die bakteriell besiedelten Thromben erst innerhalb von Wochen oder Monaten aus (subakuter Verlauf), und die Symptome sind zunächst meist leicht bzw. klinisch nicht oder kaum erkennbar (subklinische Beschwerden) [6]. Eine von Enterokokken oder Pilzen ausgelöste Endokarditis liegt, was den zeitlichen Krankheitsverlauf betrifft, zwischen der akuten und subakuten Endokarditis.

Wie lässt sich eine infektiöse Endokarditis feststellen?

Im Vordergrund der Diagnosestellung stehen zunächst die Anamnese und die klinische Untersuchung der Patientin bzw. des Patienten. Dabei können Erkrankungen der Herzklappen oder künstliche Herzklappen, kürzliche Operationen bzw. Zahnbehandlungen oder Drogenmissbrauch in der Vorgeschichte auf eine bestehende Endokarditis hindeuten. Auch typische Symptome wie gerötete Flecken an den Fingern oder in den Augen sowie Fieber ohne bekannte Ursache und hörbare Herzgeräusche liefern hier wichtige Hinweise [7]. Besteht dann der Verdacht, dass eine infektiöse Endokarditis vorliegen könnte, werden der Patientin bzw. dem Patienten Blutproben entnommen und damit Blutkulturen angelegt, um den verursachenden Erreger zu identifizieren und eventuelle Resistenzen festzustellen [1, 5 – 7]. Zudem wird eine Echokardiografie, das heißt eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, durchgeführt. Dadurch können die Herzklappen betrachtet und Ablagerungen sichtbar gemacht werden [1, 5 – 7]. Darüber hinaus lassen sich mit dieser Methode eine durch Endokarditis bedingte Insuffizienz der Herzklappen oder auch ein Abszess nachweisen [1]. Normalerweise erfolgt die Echokardiografie transthorakal, das heißt, der Ultraschallkopf wird auf dem Brustkorb aufgesetzt [7]. Führt dies nicht zu einem klaren Ergebnis, dann kann der Arzt auch eine transösophageale Echokardiografie veranlassen. Dabei wird der Ultraschallkopf über den Mund in die Speiseröhre eingeführt und direkt hinter dem Herzen platziert. Dadurch sind detailliertere Bilder möglich, so dass auch kleinere Ablagerungen erkannt werden können. Allerdings ist diese Methode invasiv und teurer. Neben der Echokardiografie kommen gelegentlich noch andere bildgebende Verfahren zum Einsatz, wie z. B. eine Computertomografie, um noch genauere Aufnahmen zu erhalten [7]. Auch eine Positronen-Emissions-Tomografie kann durchgeführt werden, um z. B. eine infektiöse Endokarditis an einer prothe­tischen Herzklappe oder anderen ins Herz implantierten Geräten zu diagnostizieren. Die Beurteilung der Untersuchungsergebnisse erfolgt nach den Kriterien der European Society of Cardiology (ESC) aus dem Jahr 2015 (Tab. 3). Demnach kann die Diagnose einer infektiösen Endokarditis sichergestellt werden, wenn zwei Hauptkriterien, ein Hauptkriterium und drei Nebenkriterien oder fünf Nebenkriterien erfüllt sind. Eine mögliche infektiöse Endokarditis liegt dann vor, wenn ein Hauptkriterium und ein Nebenkriterium oder drei Nebenkriterien erfüllt sind [8].

 

Tab. 3: ESC-Kriterien zur Diagnose einer infektiösen Endokarditis CT: Computertomografie; FDG: Fluorodeoxyglucose; HACEK: Haemophilus parainfluenzae, H. aphrophilus, H. paraphrophilus, H. influenzae, Actinobacillus actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens, Kingella kingae und K. denitrificans; Ig: Immunglobulin; PET: Positronen-Emissions-Tomografie; SPECT: Single-Photonen-Emissions-Computertomografie (nach [8, 10]).
Hauptkriterien
1. Blutkulturen positiv für eine infektiöse Endokarditis
a. Endokarditis-typische Mikroorganismen in zwei unabhängigen Blutkulturen:
> Viridans-Streptokokken, Streptococcus gallolyticus (S. bovis), HACEK-Gruppe, Staphylococcus aureus; oder
> ambulant erworbene Enterokokken, ohne Nachweis eines primären Fokus; oder
b. Mikroorganismen vereinbar mit einer infektiösen Endokarditis in anhaltend positiven Blutkulturen:
> mindestens zwei positive Kulturen aus Blutentnahmen mit mindestens zwölf Stunden Abstand; oder
> jede von drei oder eine Mehrzahl von ≥ vier unabhängigen Blutkulturen (erste und letzte Probe mit mindestens einer Stunde Abstand entnommen); oder
c. eine einzelne positive Blutkultur mit Coxiella burnetii oder Phase-I-IgG-Antikörper-Titer > 1 : 800
2. Bildgebung positiv für eine infektiöse Endokarditis
a. Echokardiogramm positiv für infektiöse Endokarditis:
> Vegetation
> Abszess, Pseudoaneurysma, intrakardiale Fistel
> Klappenperforation oder Aneurysma
> neue partielle Dehiszenz einer Klappenprothese
b. abnorme Aktivität in der Umgebung der implantierten Klappenprothese nachgewiesen im 18F-FDG-PET/CT (nur wenn die Prothese vor mehr als drei Monaten implantiert wurde) oder im SPECT/CT mit radioaktiv markierten Leukozyten
c. im Herz-CT definitiv nachgewiesene paravalvuläre Läsionen
Nebenkriterien
1. Prädisposition: prädisponierende Herzerkrankung oder intravenöser Drogenabusus
2. Fieber: Körpertemperatur > 38 ˚C
3. vaskuläre Phänomene (einschließlich solcher, die nur in der Bildgebung detektiert wurden): schwere arterielle Embolien, septische Lungeninfarkte, mykotisches Aneurysma, intrakranielle Blutungen, konjunktivale Einblutungen, Janeway-Läsionen
4. immunologische Phänomene: Glomerulonephritis, Osler-Knoten, Roth-Spots, Rheumafaktoren
5. mikrobiologischer Nachweis: positive Blutkulturen, die nicht einem Hauptkriterium (s. o.) entsprechen, oder serologischer Nachweis einer aktiven Infektion mit einem mit der infektiösen Endokarditis zu vereinbarenden Organismus

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Eine infektiöse Endokarditis sollte so schnell wie möglich behandelt werden, um ein Fortschreiten der Erkrankung und die damit verbundenen, zum Teil lebensbedrohlichen Komplikationen zu vermeiden. Dabei wird empfohlen, die Behandlung in spezialisierten Zentren von einem interdisziplinären Team, das aus Kardiologen, Herzchirurgen, Mikrobiologen und Infektiologen besteht, durchführen zu lassen [5]. Wichtige Bausteine der Therapie sind die antimikrobielle Behandlung der Patientinnen und Patienten mit Antibiotika bzw. Antimykotika, chirurgische Eingriffe sowie – unter bestimmten Umständen – die Gabe von Antikoagulanzien. Zudem müssen potenzielle Infektionsquellen, z. B. zentralvenöse Katheter, umgehend entfernt werden.

Antibiotika-Therapie

Da die Krankheitserreger in den Vegetationen an den Herzklappen meistens gut vor Medikamenten geschützt sind, werden in der Regel mehrere Antibiotika miteinander kombiniert und in hoher Dosierung über einen längeren Zeitraum intravenös verabreicht [9]. Zuvor werden den Patientinnen und Patienten noch Blutproben entnommen, um damit Blutkulturen anzulegen und so die Erreger der Erkrankung genau bestimmen zu können. Vor allem bei hochakuter Endokarditis, hämodynamischer Instabilität, großen Vegetationen und Verdacht auf Endokarditis an einer prothetischen Herzklappe sollte die Behandlung jedoch bereits als kalkulierte bzw. empirische Antibiotika-Therapie eingeleitet werden, selbst wenn der verursachende Krankheitserreger noch nicht bekannt ist [8 – 10]. Hierzu erhalten Patientinnen und Patienten mit natürlichen Herzklappen oder Klappenprothesen, die bereits länger als zwölf Monate implantiert sind, Ampicillin (12 g/Tag i. v. in vier bis sechs Dosen) plus (Flu)Cloxacillin (12 g/Tag i. v. in vier bis sechs Dosen) plus Gentamicin (3 mg/kg Körpergewicht/Tag i. v. in einer Dosis) [8, 10]. Bei Kontraindikationen gegen diese Antibiotika können Vancomycin (30 bis 60 mg/kg Körpergewicht/Tag i. v. in zwei bis drei Dosen) plus Gentamicin (3 mg/kg/Tag i. v. in einer Dosis) gegeben werden [8, 10]. Liegt die klappenprothetische Versorgung kürzer als zwölf Monate zurück oder handelt es sich um eine nosokomiale bzw. mit der Gesundheitsversorgung assoziierte Endokarditis, wird die Gabe von Vancomycin (30 mg/kg/Tag i. v. in zwei Dosen) plus Gentamicin (3 mg/kg Körpergewicht/Tag i. v. in einer Dosis) plus Rifampicin (900 bis 1200 mg/Tag i. v. oder oral in zwei oder drei geteilten Dosen) empfohlen [8, 10]. Sobald der mikrobielle Krankheitserreger anhand der Blutkulturen identifiziert ist und ein Antibiogramm zum Nachweis eventueller Antibiotika-Resistenzen des Keimes vorliegt, wird die antibiotische Behandlung dementsprechend angepasst. Tabelle 4 zeigt eine empfohlene Vorgehensweise [4].

Tab. 4: Erregerspezifische Therapieempfehlungen (nach [4])
Therapie der Wahl
Therapiedauer
Staphylococcus aureus – Methicillin-sensibel (MSSA)
Cefazolin 3 × 2,0 bis 4,0 g
vier bis sechs Wochen
Staphylococcus aureus – Methicillin-resistent (MRSA)
Daptomycin 1 × 10 bis 12 mg/kg Körpergewicht
PLUS
Rifampicin 2 × 300 bis 450 mg
ODER
Fosfomycin 3 × 4,0 bis 8,0 g
sechs bis acht Wochen
Koagulase-negative Staphylokokken (KNS)
Daptomycin 1 × 10 bis 12 mg/kg Körpergewicht
PLUS
Rifampicin 2 × 300 bis 450 mg
ODER
Fosfomycin 3 × 4,0 bis 8,0 g
sechs bis acht Wochen
Streptokokken
Penicillin G 3 × 10 Mio IE
vier bis sechs Wochen
Enterokokken
Ampicillin 3 × 4,0 g
PLUS
Ceftriaxon 2 × 2,0 g
eventuell PLUS Aminoglykosid 1 × täglich
sechs bis acht Wochen

Bei Pilzinfektionen mit Candida oder Aspergillus sind eine antimykotische Behandlung mit Amphotericin B in einer Lipidformulierung (3 bis 5 mg/kg Körpergewicht pro Tag) über mindestens sechs Wochen, gegebenenfalls in Kombination mit oralem Flucytosin (100 mg/kg Körpergewicht pro Tag in vier Einzeldosen), sowie eine Operation indiziert [9].

Bei der Behandlung einer infektiösen Endokarditis stellt die Ausbreitung von Krankenhauskeimen (nosokomialen Keimen) ein zunehmendes Problem dar. So wird in Deutschland beinahe jede zweite Endokarditis durch das Bakterium Staphylococcus aureus verursacht, wobei fast die Hälfte der Infektionen nosokomialen Ursprungs ist [5]. Häufig weisen diese Bakterien unterschiedliche Resistenzen oder sogar Multiresistenzen gegenüber verschiedenen Antibiotika auf, was die Möglichkeiten der Therapie erheblich einschränkt. Dies wiederum führt vermehrt zu Komplikationen und tödlichen Krankheitsverläufen.

Chirurgische Eingriffe

Rund 50% der Patientinnen und Patienten mit infektiöser Endokarditis müssen operativ behandelt werden, weil sie schwerwiegende Komplikationen aufweisen oder weil das Risiko einer Embolie besteht [10]. So kann es bei schwerer Schädigung einer Herzklappe erforderlich sein, nach Beendigung der Antibiotika-Therapie die betroffene Herzklappe durch Klappenreparatur oder Klappenersatz chirurgisch zu rekonstruieren, um so die Herzfunktion aufrechtzuerhalten. Dabei sollte der Eingriff möglichst frühzeitig durchgeführt werden, bevor sich der Gesundheitszustand der Betroffenen verschlechtert. Breitet sich die Infektion unkontrolliert aus, kann eine Operation ebenfalls notwendig werden, um das entzündlich veränderte Gewebe zu entfernen und die Infektion so einzudämmen [11].

Antikoagulation

Bei Patientinnen und Patienten mit einer mechanischen Ersatzherzklappe ist eine Antikoagulationstherapie indiziert. Dabei sollte die Behandlung durch intravenöse Heparin-­Gabe mit entsprechend engmaschigen Gerinnungskontrollen erfolgen [9].

Welche Prognose haben die Betroffenen?

Unbehandelt verläuft eine infektiöse Endokarditis fast immer tödlich [11]. Bei Patientinnen und Patienten, die in ein Krankenhaus eingewiesen und dort behandelt werden, beträgt die Sterblichkeitsrate immer noch zwischen 15% und 30% [10]. Dabei wird die Prognose im Wesentlichen von folgenden vier Faktoren beeinflusst [9, 10]:

  • Patientencharakteristika
  • Vorliegen oder Fehlen kardialer und nicht kardialer Komplikationen
  • Art des Erregers
  • echokardiografische Befunde

So sind ein höheres Alter, eine infektiöse Endokarditis an Herzklappenprothesen und Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Immunsuppression, renale oder pulmonale Erkrankungen Prädiktoren für eine schlechte Prognose. Auch klinische Komplikationen, z. B. Herzinsuffizienz, Nierenversagen, Schlaganfall, Hirnblutung oder septischer Schock, erhöhen das Mortalitätsrisiko. Wird die Infektion durch Staphylococcus aureus, Pilze oder gramnegative Bakterien außerhalb der HACEK-Gruppe (Haemophilus parainfluenzae, H. aphrophilus, H. paraphrophilus, H. influenzae, Actinobacillus actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens, Kingella kingae und K. denitrificans) verursacht, deutet dies ebenfalls auf eine ungünstige Prognose hin. Schließlich sind echokardiografische Befunde wie Klappenringabszesse, schwere Mitral- und/oder Aortenklappeninsuffizienz, Lungenhochdruck, große Vegetationen und schwere Dysfunktionen bei künstlichen Herzklappen weitere Risikofaktoren für einen schwerwiegenden Verlauf der Erkrankung. Es ist daher wichtig, den Status von Patientinnen und Patienten, die an infektiöser Endokarditis erkrankt sind, bei der Krankenhausaufnahme anhand der klinischen, mikrobiologischen und echokardiografischen Parameter abzuschätzen. So lässt sich die jeweils optimale Therapiestrategie festlegen und die Prognose durch eine möglichst rasche, adäquate Behandlung verbessern. Weisen die Betroffenen trotz Antibiotika-Gabe nach 48 bis 72 Stunden noch anhaltend positive Blutkulturen auf, ist ihre weitere Prognose schlecht.

 

Tab. 5: Vorgehensweise bei der Antibiotika-Prophylaxe 30 bis 60 Minuten vor einem chirurgischen zahnärztlichen Eingriff.1oder ein anderes orales Cephalosporin der ersten oder zweiten Generation mit entsprechender Dosierung; 2Cephalosporine sollten nicht bei Personen eingesetzt werden, die in der Vergangenheit eine Anaphylaxie, ein Angioödem oder eine Urtikaria unter Penicillin oder Ampicillin entwickelt haben; i. m.: intramuskulär, i. v.: intravenös, KG: Körpergewicht (nach [14]).
Situation
Antibiotikum
Erwachsene
Kinder
orale Therapie möglich
Amoxicillin
2 g
50 mg/kg KG
orale Therapie nicht möglich
Ampicillin
2 g i. m. oder i. v.
50 mg/kg KG i. m. oder i. v.
oder
Cefazolin oder Ceftriaxon
1 g i. m. oder i. v.
50 mg/kg KG i. m. oder i. v.
orale Therapie möglich und
allergisch gegenüber Penicillin oder Ampicillin
Cefalexin1
2 g
50 mg/kg KG
oder
Azithromycin oderClarithromycin
500 mg
15 mg/kg KG
oder
Doxycyclin
100 mg
< 45 kg KG: 2,2 mg/kg KG
> 45 kg KG: 100 mg
orale Therapie nicht möglichund allergisch gegenüber Penicillin oder Ampicillin
Cefazolin oder Ceftriaxon2
1 g i. m. oder i. v.
50 mg/kg KG i. m. oder i. v.

Welche prophylaktischen Maßnahmen werden empfohlen?

Durch einen zahnärztlich-chirurgischen Eingriff können Bakterien ins Blut gelangen und sich am Endokard ablagern, bakterielle Vegetationen bilden und somit schließlich eine infektiöse Endokarditis verursachen. Um der Entstehung einer Bakteriämie wirksam vorzubeugen, sind allgemeine Maßnahmen wie eine gute Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen eine wichtige Voraussetzung, ebenso wie die Beachtung von Sterilität und Desinfektion bei der Manipulation an intravenösen Kathetern und sonstigen invasiven Eingriffen [10]. Darüber hinaus sollten Hochrisikopatientinnen und -patienten mit prädisponierenden kardialen Faktoren, die sich bestimmten risikoreichen zahnärztlichen Operationen unterziehen, etwa 30 bis 60 Minuten vor Beginn des Eingriffs prophylaktisch Antibiotika erhalten, um so eine Bakteriämie und in der Folge eine infektiöse Endokarditis zu vermeiden [10, 12]. Hier empfehlen das American College of Cardiology (ACC) und die American Heart Association (AHA) in ihrer neuen gemeinsamen kli­nischen Praxisleitlinie eine Antibiotika-Prophylaxe vor zahnärztlichen Eingriffen, die eine Manipulation des Zahnfleischgewebes oder im Bereich der Zahnwurzelspitze bzw. eine Perforation der Mundschleimhaut umfassen [13]. Dabei sollten Patientinnen und Patienten mit einer Erkrankung der Herzklappen prophylaktisch dann ein Antibiotikum erhalten, wenn sie eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen [13]:

  • Herzklappenprothese, einschließlich Transkatheter-­Klappen, oder rekonstruierte Klappen unter Verwendung von prothetischem Material
  • überstandene infektiöse Endokarditis
  • nicht operierter zyanotischer angeborener Herzfehler (CHD)
  • operierter CHD mit Restshunts (Kurzschlussverbindungen) oder einer Insuffizienz der Herzklappe (Klappen­regurgitation) an der Stelle oder in der Nähe von prothetischen Patches oder Prothesen
  • Herztransplantation mit Klappenregurgitation aufgrund einer strukturell abnormalen Klappe

 

Auf einen Blick

  • Die infektiöse Endokarditis ist eine Entzündung der Herzinnenhaut, die meist durch Bakterien, vor allem Staphylokokken und Streptokokken, verursacht wird und oft auch die Herzklappen betrifft.
  • Bei der Krankheitsentstehung setzen sich die Krankheitserreger auf dem Endokard bzw. den Herzklappen fest und bilden dort Vegetationen aus, die als Emboli Blutgefäße blockieren und Organe schädigen können.
  • Besonders gefährdet sind z. B. Menschen mit vorgeschädigten Herzklappen oder Klappenprothesen, mit geschwächtem Immunsystem, nach bestimmten chirurgischen Eingriffen oder Injektionen mit unsterilen Kanülen bzw. Spritzen.
  • Typische Symptome einer infektiösen Endokarditis sind allgemeine Beschwerden wie Fieber oder Schwäche. Die klinischen Symptome können aber auch Herz-Kreislauf-System, Haut, ZNS, Nieren, Milz, Lunge und Augen betreffen.
  • Eine infektiöse Endokarditis wird über Anamnese und klinische Untersuchung, mikrobielle Blutuntersuchungen und Echokardiografie diagnostiziert.
  • Eine infektiöse Endokarditis muss schnellstmöglich behandelt werden. Eingesetzt werden vor allem verschiedene, miteinander kombinierte Antibiotika. Aber auch chirurgische Eingriffe können bei Komplikationen erforderlich werden. Bei mechanischem Klappenersatz ist eine Antikoagulationstherapie indiziert.
  • Patienten mit infektiöser Endokarditis haben – trotz Antibiotika-Therapie – oft eine schlechte Prognose. Vor der Behandlung sollten die Betroffenen klinisch, mikrobiologisch und echokardiografisch untersucht werden, um anhand der Ergebnisse die optimale Therapiestrategie festlegen zu können.
  • Hochrisikopatienten sollten etwa 30 bis 60 Minuten vor risikoreichen zahnärztlichen Eingriffen prophylaktisch Antibiotika erhalten.

Bei anderen zahnärztlichen Eingriffen wird hingegen keine antibiotische Prophylaxe empfohlen, ebenso wenig wie bei Patientinnen und Patienten mit einer Herzklappenerkrankung, die sich nicht-zahnärztlichen Eingriffen unterziehen, selbst wenn diese ein erhöhtes Risiko für eine infektiöse Endokarditis aufweisen [13].

Die antibiotische Prophylaxe muss vor allem die Streptokokken der Viridans-Gruppe erfassen, da diese unter der oralen Flora mit 40% bis 60% der Fälle als Hauptverursacher einer Bakteriämie gelten und gleichzeitig häufig die Erreger einer infektiösen Endokarditis sind [12]. Die Vorgehensweise bei der Prophylaxe für zahnärztliche Behandlungen gegen Viridans-Streptokokken ist in Tabelle 5 dargestellt [14]. |

Literatur

 [1] Infektiöse Endokarditis. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Infektiöse_Endokarditis#Therapie

 [2] Herzentzündung (Karditis). Deutscher Verlag für Gesundheitsinformation GmbH, www.cardio-guide.com/erkrankung/herzentzuendung/#Endokarditis-Entzündung-der-Herzinnenhaut-und-der-Herzklappen

 [3] Infektiöse Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Informationen der AG Infektiöse Herz-Kreislauf-Erkrankungen am LMU Klinikum Großhadern, www.lmu-klinikum.de/herzchirurgie/forschung/ag-infektiose-herz-kreislauf-erkrankungen/a3696971af9a626e

 [4] Hennig S, Thalhammer F. Endokarditis – Diagnostik und Therapie. Internistische Praxis 2019;60:1–14

 [5] Endokarditis. Informationen der Gelben Liste, www.gelbe-liste.de/krankheiten/endokarditis#Epidemiologie

 [6] Infektiöse Endokarditis. Amboss, www.amboss.com/de/wissen/Infektiöse_Endokarditis

 [7] Infektiöse Endokarditis. MSD-Manual (Patienteninformation), www.msdmanuals.com/de-de/heim/herz-und-gefäßkrankheiten/endokarditis/infektiöse-endokarditis#

 [8] Habib G, Lancellotti P, Antunes MJ, Bongiorni MG, Casalta J-P, Del Zotti F, Dulgheru R, El Khoury G, Erba PA, Iung B, Miro JM, Mulder BJ et al. 2015 ESC Guidelines for the management of infective endocarditis: The Task Force for the Management of Infective Endocarditis of the European Society of Cardiology (ESC). Endorsed by: European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS), the European Association of Nuclear Medicine (EANM). Eur Heart J 2015;36:3075–3128

 [9] Hummel A, Felix S. Endokarditis. www.springermedizin.de/emedpedia/dgim-innere-medizin/endokarditis?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54676-1_180

[10] Infektiöse Endokarditis. ESC-Pocket-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V., Version 2015, https://leitlinien.dgk.org/files/10_2015_pocket_leitlinien_infektioese_endokarditis.pdf

[11] Infektiöse Endokarditis: Therapie und Prognose. Medizininfo, www.medizinfo.de/kardio/endokard/therapie.shtml

[12] Staedt H, Heimes D, Kämmerer PW. Antibiotika im Rahmen der Endokarditisprophylaxe – Risiko und Nutzen. wissen kompakt 2021;15:113–122

[13] Otto CM, Nishimura RA, Bonow RO, Carabello BA, Erwin JP, Gentile F, Jneid H, Krieger EV, Mack M, McLeod C, O’Gara PT, Rigolin VH et al. 2020 ACC/AHA Guideline for the Management of Patients With Valvular Heart Disease: Executive Summary: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Joint Committee on Clinical Practice Guidelines. Circulation 2021;143:e35–e71

[14] Wilson WR, Gewitz M, Lockhart PB, Bolger AF, DeSimone DC, Kazi DS, Couper DJ, Beaton A, Kilmartin C, Miro JM, Sable C, Jackson MA et al. Prevention of Viridans Group Streptococcal Infective Endocarditis: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation 2021;143:e963–e978

Autor

Stefan Oetzel hat Biologie (Diplom) an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken sowie an der Eberhard Karls Universität in Tübingen studiert. Im Anschluss absolvierte er eine Weiter­bildung zum Fachzeitschriftenredakteur beim Ernst Klett Verlag in Stuttgart. Seit 1998 arbeitet er als freiberuflicher Medizinjournalist.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.