Keine Entwarnung für Kombination von PDE-5-Hemmern plus Nitrate

Neben dem Phosphodiesterase-5-Hemmer Sildenafil (Viagra^®) stehen mit Tadalafil (Cialis^®) und Verdenafil (Levitra^®) weitere Vertreter dieser Gruppe u.a. zur Therapie der erektilen Dysfunktion zur Verfügung. Kontra­indiziert ist eine gleichzeitige Behandlung mit organischen Nitraten wie Glyceroltrinitrat (Corangin^® Nitrospray) und Isosorbiddinitrat (Isoket^®). Denn sowohl die PDE-5-Hemmer als auch die organischen Nitrate erhöhen die Konzentration des gefäßerweiternden cyclischen Guanosinmonophosphats (cGMP): PDE-5-Hemmer durch Inhibition der für den Abbau zuständigen PDE-5, Nitrate über NO durch Stimulation der für die cGMP-Synthese zuständigen Guanylatcyclase.

Aufgrund dieser synergistischen Wirkung wird in der Produktinformation ausdrücklich vor der gleichzeitigen Einnahme der Arzneistoffe und vor der Gefahr eines lebensgefährlichen Blutdruckabfalls mit dem Risiko für vaskulär-ischämische Ereignisse (Herzinfarkt und Schlaganfall) gewarnt.

Die Autoren einer aktuellen epidemiologischen Studie aus Dänemark stellten die Hypothese auf, dass immer wieder PDE-5-Hemmer und Nitrate parallel verordnet und zusammen angewendet werden. Sie untersuchten daher einerseits, wie sich das Verschreibungsverhalten für PDE-5-Hemmer in den letzten Jahren verändert hat, und andererseits, ob die gleichzeitige Einnahme tatsächlich mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einhergeht. Hierfür wurden zwischen 2000 und 2018 landesweit alle männlichen Patienten zwischen 30 und 85 Jahren mit Vorgeschichte einer ischämischen Herzkrankheit (IHD) eingeschlossen. Es wurden zwei Kohorten gebildet, die erste schloss alle Männer mit IHD (n = 249.541) ein, die zweite Kohorte bildete eine Untergruppe mit den Patienten, die bereits mit Nitraten behandelt wurden (42.073). Die Studie wurde als Case-Crossover-Studie angelegt. Hierfür wurden zwei zusammengesetzte Endpunkte gewählt. Der erste Endpunkt beinhaltete Herzstillstand, Schock, Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall und akute Koronar-Angiografie, der zweite Synkope, Angina pectoris, oder arzneimittelbezogene unerwünschte Nebenwirkungen. Den Fällen wurden dann Kontroll-Patienten zugeordnet.

Während der Studienlaufzeit stieg die Rate von zusätzlichen PDE-5-Hemmer-Verordnungen von einem Durchschnitt von 0,9 (95% Konfidenz-Intervall [KI], 0,5 bis 1,2) Verordnungen pro 100 Patienten pro Jahr in 2000 auf 19,5 (95% KI, 18,0 bis 21,1) Ver­ordnungen in 2018. Die Verordnung von Potenzmitteln bei Herzpatienten ist also innerhalb der 18 Jahre um mehr als das 20-Fache angestiegen. Interessanterweise konnte entgegen der allgemein gültigen Annahme keine statistisch signifikante Assoziation zwischen einer Co-Verordnung und einem der zusammengesetzten Endpunkte gefunden werden (Odds Ratio [OR] 0,58, 95% KI 0,28 bis 1,13 für den ersten Endpunkt, OR 0,73, 95% KI 0,40 bis 1,32 für den zweiten Endpunkt). Eine Assoziation mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko konnte nicht festgestellt werden.

Als Limitation ist zu nennen, dass eine Verordnung in der Studie mit der tatsächlichen Einnahme gleichgesetzt wurde. Außerdem sind die Ergebnisse und Interpretationen dieser Studie nur auf ein ambulantes Umfeld anwendbar. Die Frage, ob ein Angina-pectoris-Patient, der vorher PDE-5-­Hemmer eingenommen hat, mit einem Nitrat behandelt werden kann, ist auf dieser Datenbasis nicht zu beantworten. Auch wenn die Kontraindikation von Nitraten und PDE-5-Hemmern im ambulanten Umfeld mit diesen neuen Ergebnissen nicht haltbar scheint, sprechen die Autoren keine Entwarnung aus, sondern rufen vielmehr zu weiteren Studien auf. |