Arzneimittel und Therapie

Antidepressiva lieber kombinieren

SSRI plus präsynaptische Alpha-2-Blocker sind effektiver als Monotherapie

Sind bei schweren Depressionen ­Antidepressiva indiziert, wird meist mit einer Monotherapie gestartet. Doch eine aktuelle Metaanalyse deutet darauf hin, dass eine Kombinationstherapie effektiver sein könnte.

Leiden Patienten an einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode, sollte ihnen eine Arzneimitteltherapie angeboten werden. Das empfehlen die Autoren der Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“. Initial erhalten Patienten in der Regel ein ­Antidepressivum als Monotherapeutikum, wobei mehrere Wirkstoffklassen infrage kommen.

Das Problem: Nur 60% der Patienten sprechen auf diese Monotherapie an. Dabei lässt sich das Ansprechen erst nach 12 bis 24 Wochen bewerten – ein langer Zeitraum, in denen Patienten mögliche Nebenwirkungen in Kauf nehmen müssen, ohne einen Nutzen zu erfahren. Non-Responder werden im zweiten pharmakologischen Therapieversuch entweder mit einem Vertreter einer anderen Substanzklasse therapiert, manchmal kommt ein zweites Antidepressivum hinzu.

Intensiv wird danach gesucht, wie eine solche antidepressive Arzneimitteltherapie effizienter zu gestalten ist.

Ein Team um Dr. Jonathan Henssler von der Berliner Charité ging im Rahmen einer Metaanalyse der Frage nach, wie effektiv und verträglich Kombinationstherapien bei der Depression im Vergleich zur Monotherapie sind. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie vor Kurzem im Journal „JAMA Psychiatry“.

Foto: hetwig/AdobeStock

SSRI und Alpha-2-Blocker: Synergie-Effekte vermutet

Für die Metaanalyse mit systematischem Review wurde nach randomisierten kontrollierten Studien gesucht, in denen die Patienten entweder eine antidepressive Monotherapie oder eine Kombination aus zwei Antidepressiva eingenommen hatten. Sie fanden 39 entsprechende Studien mit insgesamt 6751 Patientendaten.

Als primärer Studienendpunkt wurde die Effektivität der Therapie definiert – gemessen an der standardisierten ­Mittelwertdifferenz (SMD) zwischen Kombinations- und Monotherapie. 31 der ausgewerteten Studien wiesen darauf hin, dass Kombinationen effektiver waren.

Vielversprechend waren insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) in Kombination mit Antagonisten des präsynaptischen ­α2-Autorezeptors. Sie waren anderen Kombinationen überlegen. Für Henssler et al. könnte dies ein Zeichen für synergistische Effekte der beiden Wirkmechanismen sein. Antidepressiva, die den α2-Autorezeptor antagonisieren, sind die tetracyclischen Wirkstoffe Mirtazapin und Mianserin sowie Trazodon, das zusätzlich verschiedene Serotonin-Rezeptoren inhibiert oder aktiviert.

Therapie-Kombinationen mit dem Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Bupropion waren mit keiner erhöhten Effektivität im Vergleich zu den Monotherapien assoziiert.

Als sekundären Studienendpunkt legten die Autoren der Metaanalyse ihren Fokus auf die Verträglichkeit der Therapien. Alle ausgewerteten ­Studien deuteten in ähnlicher Weise darauf hin, dass sich die Verträglichkeit der Kombinationstherapie nicht von den antidepressiven Monotherapien unterscheidet. Die Dropout-Rate in den Studien unterschied sich ebenfalls nicht signifikant.

Kombinieren statt wechseln

In ihrer Diskussion zitieren die Autoren aus anderen Studien. Diese hatten gezeigt, dass bei Nicht-Ansprechen auf antidepressive Monotherapien ein Präparatewechsel und selbst eine höhere Dosis für die Patienten keinen Vorteil brachte. Die Autoren empfehlen daher, als zweiten Schritt der medikamentösen Therapie von Depressionen – nach dem Nicht-Ansprechen der Monotherapie – die Kombinationstherapie zu erwägen, idealerweise mit einem SSRI und ­einem präsynaptischen α2-Rezep­tor­blocker. Auch könnten die Ergebnisse die Diskussion anregen, ob eine Kombination vielleicht initial gewählt werden sollte – zumindest in Fällen der schweren Depression. |

Literatur

Henssler J et al. Combining Antidepressants vs. Antidepressant Monotherapy for Treatment of Patients With Acute Depression. A Systematic Review and Meta-analysis, JAMA Psychiatry 2022, doi:10.1001/jamapsychiatry.2021.4313

Unipolare Depression. S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPP) 2015, 2. Auflage Version 5. AWMF-Register-Nr.: nvl-005

Apotheker Marius Penzel

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