Arzneimittel und Therapie

Paracetamol hemmt Antitumoraktivität

Interaktion mit Immuncheckpoint-Inhibitoren sorgt für Aufsehen

Paracetamol sorgt immer wieder für eine Überraschung – dieses Mal mit einer negativen. So legen prä­klinische Untersuchungen im Tiermodell und Ergebnisse von Kohortenstudien nahe, dass Paracetamol die Antitumoraktivität von Immuncheckpoint-Inhibitoren hemmt. In einer französischen Studie wurden Hinweise auf eine höhere Rezidiv- und Sterberate unter der Einnahme von Paracetamol während einer Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren gefunden.

Der Verdacht, dass Paracetamol einen negativen Einfluss auf das Immunsystem haben könnte, wurde bereits vor mehr als 20 Jahren geäußert. So führte Paracetamol im Tierversuch zu einer Immunsuppression und einer verminderten Antikörperbildung. Weitere klinische Studien zeigten einen negativen Einfluss auf die Impfantwort, wenn die Impflinge Paracetamol zur Fieberprophylaxe eingenommen hatten. Dies veranlasste die WHO und die US-amerikanischen Centers for ­Disease Control and Prevention (CDC), die Einnahme von fiebersenkenden Mitteln vor oder unmittelbar zur Impfung nicht zu empfehlen. Der Einfluss von Paracetamol auf das Immunsystem führt nun zur Frage, ob sich dieser Effekt auch bei einer Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren bemerkbar machen kann. Die Entwicklung und der Einsatz von Immuntherapeutika wie Ipilimumab, Pembrolizumab und Nivolumab gelten als Meilenstein in der Onkologie. Mithilfe von Checkpoint-Inhibitoren werden bei zahlreichen Tumorentitäten wie etwa dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, dem Melanom, Urothelkarzinomen und weiteren Krebsarten unerwartete Therapieerfolge erzielt. Dementsprechend häufig werden diese Wirkstoffe eingesetzt. Daher wird der Frage, ob ihre Wirksamkeit durch die Einnahme eines weit verbreiteten Analgetikums wie Paracetamol gemindert werden kann, eine nicht unerhebliche Bedeutung zugemessen. Eine französische Arbeitsgruppe griff dieses Thema im Tierversuch und mithilfe retrospektiver Analysen von Tumorpatienten auf.

 

Abb.: Paracetamol-Nachweis und Überlebenszeit unter Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren - retrospektiv ausgewertete Studien.

Retrospektive Analyse beunruhigt

Retrospektiv wurden drei Studien ­ausgewertet, an denen Patienten mit einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung beteiligt waren und die mit einem ­Immunonkologikum (Ipilimumab, Pembrolizumab oder Nivolumab) behandelt worden waren. Bei diesen 628 Studienteilnehmern wurde die ­Paracetamol-Exposition mithilfe von Plasma-Analysen untersucht. Die Paracetamol-Exposition wurde mit dem klinischen Outcome in Korrelation gesetzt (s. Abb.).

CheckMate-025-Studie. Analyse der Daten von 297 Studienpatienten, die aufgrund eines fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms Nivolumab oder Everolimus erhalten hatten. Patienten mit einem nachweisbaren Paracet­amol- oder Paracetamol-Metaboliten-Spiegel hatten ein signifikant schlechteres Gesamtüberleben als die Patienten, bei denen zu Beginn der Therapie kein Paracetamol nachgewiesen wurde. Die Hälfte der Patienten der Nivolumab-Gruppe, bei denen Paracetamol-Metaboliten im Serum nachweisbar waren, war nach rund 20 Monaten gestorben. Waren keine Paracetamol-Metaboliten nachweisbar, so war die Hälfte der Patienten nach rund 30 Monaten verstorben.

BIP-Studie. In einer Biomarker-Studie wurden die Plasmawerte von 34 Patienten untersucht, die aufgrund einer fortgeschrittenen Krebserkrankung mit einem Checkpoint-Inhibitor behandelt wurden. Bei der Hälfte dieser Patienten konnten Paracetamol oder Paracetamol-Metaboliten nachgewiesen werden. Diese Patienten wiesen schlechtere Ansprechraten (0% vs. 29,4%) auf, hatten ein tendenziell kürzeres progressionsfreies Überleben (1,87 Monate vs. 4,72 Monate) und ein kürzeres Gesamtüberleben (7,87 Monate vs. 16,56 Monate).

PREMIS-Studie. Um die Robustheit dieser Ergebnisse zu überprüfen, ­wurden die Blutproben von 297 Teilnehmern der PREMIS-Studie auf die Anwesenheit von Paracetamol hin überprüft. In dieser Studie waren die Probanden aufgrund einer Tumorerkrankung ebenfalls mit einem Immun­onkologikum behandelt worden. ­Wiederum zeigte sich ein negativer Einfluss von Paracetamol: Das progressionsfreie Überleben lag bei den Patienten, bei denen Paracetamol bzw. dessen Metaboliten im Plasma nach­gewiesen wurden, bei 2,63 Monaten vs. 5,03 Monaten ohne Paracet­amol-Nachweis. Die entsprechenden Daten für das Gesamtüberleben lagen bei 8,43 Monaten vs. 14,93 Monaten. – Die Einnahme von Paracetamol zeigte sich in einer Multivarianz-Analyse als unabhängigere, das progressionsfreie und das Gesamtüberleben negativ beeinflussende Variable (s. Tab.).

 

Tab.: Ergebnisse der Multivarianz-Analyse zum Gesamtüberleben in der PREMIS-Studie. Die Einnahme von Paracetamol ist ein unabhängiger, das Gesamt­über­leben beeinflussender Faktor.
Unabhängige Parameter
Hazard ratio [HR]
95%-Konfidenzintervall
p-Wert
Männliches Geschlecht
1,45
0,99 – 2,11
0,056
Exposition von Paracetamol
1,78
1,18 – 2,68
0,006
Erhöhte LDH-Werte
1,91
1,30 – 2,81
0,001
Vorliegen von Lebermetastasen
2,6
1,76 – 3,85
< 0,001
Verringerter Allgemeinstatus
(ECOG > 2)
3,57
2,27 – 5,60
< 0,001

Bestätigung im Tierversuch und Laborexperiment

Um die ermittelten Ergebnisse genauer zu untersuchen, erhielten Mäuse mit Darmkrebs einen Checkpoint-Inhibitor und Paracetamol bzw. das Immunonkologikum ohne Paracetamol. Tiere, die zusätzlich Paracetamol erhalten hatten, wiesen geringere Ansprechraten und höhere Mortalitäts­raten auf als Mäuse, die kein Paracet­amol erhalten hatten. Unter der zusätzlichen Gabe des Analgetikums kam es zu einer stärkeren Infiltration der Tumoren mit regulatorischen ­T-Zellen (Tregs).

In einem Laborexperiment mit Zellen gesunder Probanden führte die gleichzeitige Gabe von Nivolumab und Paracetamol zu einer verringerten Interferon-Gamma-Sekretion. Die Einnahme von Paracetamol (4 × 1 g alle 6 Stunden) führte bei freiwilligen Probanden zu einer signifikanten Expansion regulatorischer T-Zellen.

Cave Paracetamol

Die Ergebnisse aus Kulturen und Tierversuchen sowie die retrospektiven Analysen von drei Kohortenstudien weisen darauf hin, dass Paracetamol die antitumorale Immunität abschwächt. Der zugrunde liegende Mechanismus ist nicht bekannt, diskutiert werden direkte und indirekte ­Effekte regulatorischer T-Zellen. Als Konsequenz daraus sollte Paracetamol bei Patienten, die mit Immuncheck­point-Inhibitoren behandelt werden, mit Vorsicht eingesetzt werden. |

Literatur

Bessede A, et al. Impact of acetaminophen on the efficacy of immunotherapy in cancer patients., Annals of Oncology (2022), doi: https://doi.org/10.1016/j.annonc.2022.05.010.

General Best Practice Guidelines for Immunization: Best Practices Guidance of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP); https://www.cdc.gov/vaccines/hcp/acip-recs/general-recs/administration.html

US-amerikanisches Studienregister; https://clinicaltrials.gov/. CheckMate 025 (NCT01668784); BIP (NCT02534649), PREMIS (NCT03984318)

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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