Arzneimittel und Therapie

Epilepsie-Therapie mit kardiovaskulären Folgen

Erhöhtes Risiko Enzym-induzierender Wirkstoffe zeigt sich erst nach Jahren

Patienten, die Enzym-induzierende Antiepileptika einnehmen, haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Dieses ist dosisabhängig und wird nach rund zehn Jahren klinisch signifikant.

Patienten mit Epilepsie weisen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko auf. So liegen bei Erwachsenen bereits zum Diagnosezeitpunkt häufig Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2 oder Fettstoffwechselstörungen vor. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zeigte sich für Epileptiker ein deutlich erhöhtes Risiko für ischämische Herzerkrankungen, Schlaganfälle und transitorische ischämische Attacken. Teilweise mag dies soziodemografischen Faktoren und bestimmten Lebensgewohnheiten (Nicotin-­Abusus, Übergewicht, mangelnder Bewegung) geschuldet sein. Zusätzlich könnten Enzym-induzierende Antiepileptika aufgrund ihrer pro-atherogenen Eigenschaften das Risiko kardiovaskulärer Komorbiditäten erhöhen. Enzym-induzierende Antiepileptika sind beispielsweise Carbam­azepin, Eslicarbazepin, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Rufinamid und Topiramat. Zu den nicht Enzym-induzierenden Wirkstoffen zählen Clonazepam, Vigabatrin, Valproinsäure, Pregabalin, Gabapentin, Levetiracetam und Lamotrigin.

Um das kardiovaskuläre Risiko der Antiepileptika besser einschätzen zu können, wurde in England eine retrospektive, populationsbasierte Kohortenstudie durchgeführt, die auf Daten eines knapp 30-jährigen Zeitraums (1990 bis 2019) zurückgriff. Die Kohorte bestand aus 31.479 Probanden, bei denen die Epilepsie im Erwachsenen­alter einsetzte und die bis dato keine kardiovaskulären Erkrankungen aufwiesen. Die Probanden hatten im Studienzeitraum Folgeverschreibungen für ein Enzym-induzierendes Antiepileptikum erhalten. Während einer im Median neunjährigen Nachbeobachtung wurde das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse (ischämische Herzkrankheit oder ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfall) ermittelt.

Foto: vetre/AdobeStock

Kurze Einnahme ohne Risiko

Eine kurzzeitige Einnahme eines Enzym-induzierenden Antiepileptikums erhöhte das kardiovaskuläre Risiko nicht, wohl aber eine langfristige Therapie und höhere Dosierungen.

  • Probanden, die ein Enzym-induzierendes Antiepileptikum erhalten hatten, wiesen ein höheres Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung auf (Hazard ratio [HR]: 1,21; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,06 – 1,39) als Patienten, deren Antiepileptikum keine Enzym-induzierenden Eigenschaften hatte.
  • Dieses erhöhte Risiko beim Vergleich zwischen der Einnahme Enzym-induzierender Antiepileptika und anderer Antiepileptika zeigt sich erst nach zehn Jahren, was auf einen chronischen kumulativen Effekt hindeutet. Nach zehn Jahren betrug die absolute Risikodifferenz mehr als 1%.
  • Das erhöhte Risiko unter der Einnahme Enzym-induzierender Antiepileptika war im Vergleich zu nicht Enzym-induzierenden Antiepileptika auch dosisabhängig und stieg mit der Anzahl der Dosen. Einer Modellrechnung zufolge erhöhte die dauerhafte Einnahme von zwei definierten Tagesdosen das Risiko stärker als von einer definierten Tagesdosis (HR 2,38 vs. HR 1,54).
  • Das erhöhte Risiko war nicht für alle Probanden gleich ausgeprägt. Betrachtete man bestimmte Untergruppen, so war für diese die Risikoerhöhung etwas geringer. Das betraf Probanden, bei denen die Diagnose einer Epilepsie erst im Alter von > 65 Jahren erfolgte (HR 1,15; 95%-KI 0,93 – 1,43) und Patienten mit einer streng definierten, neu aufgetretenen Epilepsie (HR 1,06; 95%-KI 0,82 – 1,37).

Die Studienautoren raten daher, bei Epilepsie-Patienten kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie oder Dyslipidämie besonders im Auge zu behalten und nur die geringste, noch wirksame Dosis eines Enzym-induzierenden Antiepileptikums zu verordnen. In der Diskussion ihrer Ergebnisse weisen sie auf eine 2021 publizierte Studie [1] hin, die keine Assoziation zwischen der Einnahme Enzym-induzierender Antiepileptika und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko feststellte. Einen Grund für die divergierenden Ergebnisse sehen sie in dem längeren Follow-up ihrer Studie, da sich die kardiovaskulären Risiken erst nach acht bis zehn Jahren manifestierten und die 2021 veröffentlichte Studie eine kürzere Nachbeobachtungszeit aufwies. |

 

Literatur

Josephson CB, et al. Association of Enzyme-Inducing Antiseizure Drug Use With Long-term Cardiovascular Disease. JAMA Neurol. 2021 Nov 1;78(11):1367-1374. doi: 10.1001/jamaneurol.2021.3424. Erratum in: JAMA Neurol 2022;79(1):93, PMID: 34605857

Lee-Lane E et al. Epilepsy, antiepileptic drugs, and the risk of major cardiovascular events. Epilepsia 2021;62:1604-1616, https://doi.org/10.1111/epi.16930.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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