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Beratung

Fruchtbar oder nicht?

Natürlich sicher verhüten

Auf dem Markt gibt es eine große Palette an hormonellen Verhütungsmitteln. Frauen, die keine solchen Präparate anwenden möchten, bietet die natürliche Familienplanung eine alternative Verhütungsmöglichkeit. Wie funktioniert die Methode? Welche Parameter sind entscheidend? Und wie sicher ist sie? | Von Sabine Fischer

Die in den 1960er-Jahren von dem Arzt Josef Rötzer ent­wickelte Methode der natürlichen Familienplanung (NFP) kann nicht nur zur Verhütung, sondern auch zur gezielten Schwangerschaftsplanung eingesetzt werden. Grundlage ist die genaue Beobachtung von Körperanzeichen, die sich im Laufe des Zyklus verändern. Um diese besser verstehen zu können, ist es sinnvoll, sich zunächst mit den einzelnen Phasen des weiblichen Zyklus auseinanderzusetzen.

Weiblicher Zyklus

Der Zyklus einer Frau wird durch hormonelle Regelkreis­läufe gesteuert. Diese führen zu einer wiederkehrenden Veränderung der Gebärmutterschleimhaut, dem Heranreifen der Eizelle sowie weiteren zyklusabhängigen Veränderungen. Der Zyklus unterliegt vielen Schwankungen. Er beginnt mit dem ersten Tag der Menstruation und endet am letzten Tag vor der nächsten Blutung. Als physiologisch gelten Zykluslängen zwischen 25 und 35 Tagen. Vier Phasen gliedern den weiblichen Zyklus (Angabe der Zyklustage gilt für einen Modellzyklus mit 28 Tagen) (siehe Abb. 1):

Menstruationsphase (Tag 1 bis 4): Durch Abfall des Progesteron-Spiegels kommt es zur Abstoßung der funktionellen Schicht der Gebärmutterschleimhaut. Diese wird durch Kontraktionen der Gebärmutter mit ca. 50 ml Blut über den Gebärmutterkanal aus dem Körper entfernt.

Proliferationsphase (Tag 5 bis 14): Unter Einfluss des follikelstimulierenden Hormons (FSH) reift im Eierstock ein Follikel mit Eizelle. Östrogene führen zum Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, dem Öffnen des Gebärmutterkanals sowie der Verflüssigung des Zervixschleims. Nach Abfall des Östrogen- und Anstieg des FSH- und LH(luteotropes Hormon)-Spiegel kommt es zwischen Tag 12 und 14 zum Eisprung. Die Eizelle wird durch Aufplatzen des Follikels freigegeben und durch den Eileiter in Richtung Gebärmutter transportiert. Kommt es nicht innerhalb von 24 Stunden zur Befruchtung, stirbt die Eizelle ab.

Sekretionsphase (Tag 15 bis 28): Diese Phase wird auch als Luteal- oder Gelbkörperphase bezeichnet, da der Follikel zum sogenannten Gelbkörper (Corpus luteum) umgebaut wird. Dieser produziert Progesteron, welches zu einem Umbau der Gebärmutterschleimhaut sowie einer Erhöhung der Körpertemperatur führt. Der Gebärmutterkanal verengt sich, der Zervixschleim wird fester. Hat sich keine befruchtete Eizelle eingenistet, kommt es am Ende der Sekretionsphase zur ischämischen Phase, die durch Rückbildung des Gelbkörpers und dem Abfall von Progesteron gekennzeichnet ist [1].

Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Hormone ändern sich im Verlauf des Zyklus die sogenannte Basal­temperatur, die Konsistenz des Zervixschleims sowie die Festigkeit des Muttermunds.

Abb. 1: Zyklusabhängige Veränderungen in der Gebärmutterschleimhaut und im Hormonhaushalt (nach [1])


Messung der Basaltemperatur
Als Basaltemperatur wird die Körpertemperatur direkt nach dem morgendlichen Aufwachen bezeichnet. Diese ist in der ersten Zyklushälfte bis zum Eisprung niedriger als in der zweiten Zyklushälfte. Die Messung kann im Mund, vaginal oder rektal erfolgen, sollte aber während eines Zyklus immer an der gleichen Stelle erfolgen. Die Uhrzeit hingegen darf variieren, wichtig ist lediglich, dass die Frau vorher mindestens eine Stunde geschlafen oder geruht hat. Am wenigsten störanfällig ist die rektale Messung. Wird oral gemessen, muss darauf geachtet werden, dass das Thermometer direkt am Zungenbändchen unter der Zunge platziert wird und der Mund während der Messung geschlossen bleibt. Bei einer vaginalen Messung darf das Thermometer nicht aus der Scheide rutschen. Die Messergebnisse von oraler und vaginaler Messung liegen im Allgemeinen etwa 0,2 °C niedriger als bei rektaler Messung. Der Temperaturanstieg nach dem Eisprung beträgt etwa zwei Zehntel Grad Celsius, weshalb für diese Methode Thermometer benötigt werden, die Temperaturschritte von 0,05 °C anzeigen. Normale mechanische Thermometer können ebenso wie digitale Thermometer verwendet werden. Die Messzeit beträgt bei mechanischen Thermometern drei (rektal) bzw. fünf Minuten (vaginal, oral), bei digitalen Thermometern liegt sie bei drei Minuten. Für die vaginale Temperaturmessung stehen elektronische Messsysteme zur Verfügung. Dabei wird ein tamponähnlicher eingekapselter Messchip abends in die Scheide eingeführt und morgens wieder entfernt. Über einen Adapter kann das Ergebnis mittels Computer ausgelesen werden. Infrarotstrahlungsthermometer sind zur Bestimmung der Basaltemperatur nicht geeignet. Die Mess­ergebnisse sollten in einem Zyklusdatenblatt festgehalten werden [2, 3].

Vor- und Nachteile der natürlichen Familienplanung

Vorteile

  • keine Kosten (nur einmalig Thermometer)
  • keine Nebenwirkungen
  • greift nicht in Körpervorgänge ein
  • fördert Verständnis für Körpervorgänge während des Zyklus
  • kann zur Verhütung oder Schwangerschaftsplanung eingesetzt werden
  • fördert Bewusstsein für partnerschaftliche Verantwortung bei Familienplanung
  • keine regelmäßigen Arztbesuche nötig

Nachteile

  • muss mindestens über drei Zyklen erlernt werden
  • abhängig von beiden Partnern
  • für Frauen mit seltenem Eisprung ungeeignet
  • Stress und Krankheit erschweren Zyklusbeobachtung
  • Geschlechtsverkehr muss sich nach fruchtbaren und unfruchtbaren Phasen richten
  • bei langen und unregelmäßigen Zyklen muss oft mit langen Phasen mit Fruchtbarkeit gerechnet werden

(modifiziert nach [2, 5])

Zervixschleim
Neben der Messung der Basaltemperatur sollten Konsistenz und Aussehen des Zervixschleims über den Zyklusverlauf beobachtet werden, denn er kann Hinweise geben auf den Eisprung und die fruchtbaren Tage. Zervixschleim wird von den Drüsen der Gebärmutter gebildet, um das Eindringen von Keimen in die Gebärmutter zu verhindern. Während der unfruchtbaren Tage ist der Zervixschleim weiß-gelblich trüb, zäh und undurchlässig. Zum Zeitpunkt der fruchtbaren Tage verflüssigt sich der Schleim, um Spermien durchzulassen. Er wird klar und spinnbar wie Eiweiß, das heißt, man kann ihn mit Daumen und Zeigefinger vorsichtig auseinanderziehen. Um ein sicheres Ergebnis zu erhalten, sollte man den Schleim direkt am Muttermund abnehmen. Gängige Abkürzungen zur Kategorisierung des Zervixschleims zeigt die Tabelle. Samenerguss, sexuelle Erregung sowie Verhütungsgel können die Auswertung des Schleims verfälschen [2, 4].

Tab.: Kategorisierung des Zervixschleims Die Eigenschaften des Schleims werden systematisch beobachtet, benannt und mit einem Symbol ins Zyklusblatt eingetragen (nach [www.cyclotest.de/zervixschleim])
Abk.
Gefühl
Beschaffenheit
Optik
nichts gefühlt, keine Feuchtigkeit, kein Empfinden am Scheideneingang
nichts gesehen, kein Schleim am Eingang der Scheide
t
trockenes Gefühl und kein Schleim fühlbar, eventuell juckendes unan­genehmes Gefühl
kein Schleim am Scheideneingang sichtbar
f
feuchtes Empfinden
kein Schleim sichtbar
S
feuchtes Gefühl oder nichts gefühlt
Schleim ist dicklich, klumpig, cremig, zähflüssig, zäh-elastisch, nicht fadenziehend
Schleim ist weißlich bis gelblich
S+
nasses Empfinden, glitschiger Eingang der Vagina, weich, glatt
Schleim ist spinnbar wie rohes Eiweiß, dehnbar, fadenziehend, flüssig oder rinnt weg wie Wasser
Schleim ist glasig, durchsichtig, eventuell auch rötlich
S+H
Der letzte Tag, an dem die beste Zervixschleimqualität der Kategorie S+ festgestellt werden kann, bevor die Qualität sich verschlechtert. Er kann daher erst im Nachhinein erfasst werden. Dieser Tag ist der Zervixschleimhöhepunkt.

Festigkeit des Muttermundes
Den unteren Teil des Gebärmutterhalses stellt der Muttermund da. Ertasten lässt sich dieser als rundliche, zwei Finger dicke Struktur mit einem Grübchen (Zervixkanal) in der Mitte. Während der Muttermund sich direkt nach der Menstruation fest wie die Nasenspitze anfühlt und tief in die Scheide hineinragt, ist er während der fruchtbaren Tage weich wie die Lippen, leicht geöffnet und steht höher in der Scheide. Nach erfolgtem Eisprung bekommt der Muttermund wieder eine feste Konsistenz. Führt die Frau eine tägliche Selbstuntersuchung durch, kann sie die Veränderungen mit dem Finger ertasten und somit den Start der fruchtbaren Tage bestimmen. Nach drei Tagen mit geschlossenem, hartem Muttermund beginnen die unfruchtbaren Tage.

Die Ergebnisse aller drei Beobachtungen werden ins Zyklusdatenblatt eingetragen und miteinander abgeglichen. Die wichtigsten Anzeichen sind Temperaturanstieg und Verschwinden des spinnbaren klaren Schleims. Das Ende der fruchtbaren Phase lässt sich daraus mit höherer Genauigkeit bestimmen als der Beginn. Werden Methoden der natür­lichen Familienplanung zur Verhütung eingesetzt, muss während der fruchtbaren Tage entweder auf Geschlechtsverkehr verzichtet oder eine alternative Verhütungsmethode (Kondom, Diaphragma) verwendet werden. Um sicherzu­gehen, werden einige Tage zu den fruchtbaren Tagen dazu addiert. Errechnet wird die fruchtbare Phase aus den zwölf vorangegangenen Zyklen. Dabei werden vom kürzesten Zyklus 20 Tage subtrahiert. Alternativ können vom frühesten Tag des Temperaturanstiegs acht Tage abgezogen werden. Auf beide Arten erhält man dadurch die Anzahl der unfruchtbaren Tage am Zyklusbeginn. In jedem Fall beginnen die fruchtbaren Tage beim ersten Auftreten von feuchtem Schleim am Scheideneingang.

Als unfruchtbare Zeit nach dem Eisprung gilt der Zeitraum vom Abend des dritten Tages mit erhöhter Temperatur oder vom Abend des dritten Tages nachdem der Schleim maximal flüssig, klar und spinnbar war (je nachdem welches Zeichen später beobachtet wurde) bis zum Beginn der nächsten Menstruation. Bei der Temperatur ist zu beachten, dass diese mindestens drei Tage in Folge höher gewesen sein muss als an den vorangegangenen sechs Tagen. Des Weiteren muss die Temperatur am dritten Tag mindestens zwei Zehntel Grad Celsius höher liegen als der höchste Wert an den vorangegangenen sechs Tagen mit niedriger Temperatur [2].

Weitere Indikatoren

Zusätzlich zu den klassischen Parametern Basaltemperatur, Zervixschleim und Festigkeit des Muttermunds nehmen einige Frauen weitere Indikatoren wahr. Einer davon ist der sogenannte Mittelschmerz. Dieser tritt kurz vor dem Eisprung auf und weist somit auf die hochfruchtbaren Tage hin. Allerdings wird er nur von 30 bis 40% der Frauen bemerkt, lediglich bei 17% tritt er in jedem Zyklus auf. Des Weiteren darf ein Abklingen des Mittelschmerzes nicht automatisch mit dem Ende der fruchtbaren Zeit gleichgesetzt werden. Die Ausprägung des Mittelschmerzes variiert stark hinsichtlich Länge (von wenigen Sekunden bis hin zu mehreren Tagen), Lokalisation (Ausstrahlung vom Unterbauch in Beine, Becken, Damm, Rücken) und Wahrnehmung (diffus oder scharf abgegrenzt, leicht unangenehm bis hin zu starken Schmerzen). Meist tritt er einseitig auf und zwar auf der Seite, auf welcher der Eisprung erfolgt. Die Ursache dafür ist jedoch unklar. Diskutiert werden eine Spannung der Ovarialkapsel durch das wachsende Eibläschen, eine durch den Eisprung verursachte Bauchfellreizung sowie die Bewegungen der Eileiter.

Das Brustsymptom tritt bei einigen Frauen zwischen Eisprung und Periode für ein oder mehrere Tage auf und kann nahtlos in ein prämenstruelles Syndrom übergehen. Die Frauen berichten dann von größeren, härteren, berührungsempfindlichen Brüsten, manche haben sogar starke Schmerzen. Die Ursache ist auch hier nicht eindeutig geklärt. Es wird vermutet, dass das durch den Progesteron-Anstieg verursachte Wachstum des Milchdrüsengewebes ebenso wie erhöhte Wassereinlagerung im Gewebe eine Rolle spielt.

Bei wenigen Frauen kommt es zur Ovulationsblutung.Diese äußert sich in einer rötlichen bis bräunlichen Färbung des Zervixschleims und tritt um den Eisprung auf. Als ursächlich gilt ein Absinken des Östrogen-Spiegels nach der Ovulation [5, 6].

Auf einen Blick

  • Die Methoden der natürlichen Familienplanung eignen sich zu Verhütung und Schwangerschaftsplanung.
  • Grundlage ist eine genaue Beobachtung von Körperanzeichen im Verlauf des Zyklus.
  • Hauptparameter sind Basaltemperatur, Zervixschleim und Festigkeit des Muttermundes.
  • Ergänzend können Mittelschmerz, Brustsymptom und Ovulationsblutung beobachtet werden.
  • Bei perfekter Anwendung ist NFP vergleichbar sicher wie die „Pille“, dafür muss sie aber über mindestens drei Zyklen erlernt werden.

Sicherheit

Bei perfekter Anwendung liegt der Pearl-Index der natürlichen Familienplanung bei 0,4 und damit im Bereich der Pille, unter Alltagsbedingungen bei 1,8. Um einen niedrigen Pearl-Index – und damit eine sichere Verhütung – zu erreichen, sind das richtige Auswerten der Zyklen, die strikte Einhaltung der Regeln, die Motivation beider Partner sowie eine gute Beratung Voraussetzung. Oft wird der Beginn der fruchtbaren Tage falsch eingeschätzt, da nicht berücksichtigt wird, dass die Spermien einige Tage überleben können. Die Methode muss über einige Zyklen erlernt werden bis von einem zuverlässigen Schutz ausgegangen werden kann [2, 5]. |
 

Literatur

[1] Frauenärzte im Netz, Weiblicher Zyklus – Wann sind die fruchtbaren Tage?, Stand 9. Juli 2018, www.frauenaerzte-im-netz.de/familienplanung-verhuetung/natuerliche-familienplanung/weiblicher-zyklus-wann-sind-die-fruchtbaren-tage/

[2] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Die symptothermale Methode. Stand 28. Mai 2019, www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungsmethoden/natuerliche-methoden/die-symptothermale-methode/

[3] Frauenärzte im Netz, Wie messe ich meine Körpertemperatur, Stand 10. Juli 2018, www.frauenaerzte-im-netz.de/familienplanung-verhuetung/natuerliche-familienplanung/wie-messe-ich-meine-koerpertemperatur/

[4] Frauenärzte im Netz, Wie messe ich den Zervixschleim, Stand 10. Juli 2018, www.frauenaerzte-im-netz.de/familienplanung-verhuetung/natuerliche-familienplanung/wie-messe-ich-den-zervixschleim/

[5] Malteser Werke GmbH, Sensiplan®, https://www.sensiplan.de, abgerufen am 8. August 2022

[6] Raith-Paula E et al. Natürliche Familienplanung heute. Springer, 5. Auflage, 2013

Autorin

Dr. Sabine Fischer ist Apothekerin aus Stuttgart. Seit dem Pharmaziestudium in Freiburg und einer Promotion in Tübingen arbeitet sie an der PTA-Schule und in öffentlichen Apotheken. Nebenbei schreibt sie als freie Journalistin.

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