Arzneimittel und Therapie

Warten auf rekombinante BCG-Vakzine

Neuer verträglicherer Tuberkulose-Impfstoff wird getestet

Besonders in ärmeren Ländern fordert die durch Mykobakterien ver­ursachte Tuberkulose jährlich rund 1,5 Millionen Todesopfer. Zwar existiert bereits seit etwa 100 Jahren ein Lebendimpfstoff: Bacillus Calmette-Guérin (BCG), eine abgeschwächte Variante von Mycobacterium tuberculosis. Sie kann gegen tuberkulöse Meningitis und Miliartuberkulose schützen, nicht jedoch gegen die am häufigsten auftretende Lungentuberkulose. Eine BCG-Impfung geht bei immungeschwächten Patienten zudem häufiger mit schweren Nebenwirkungen einher. Ein neuer Impfstoffkandidat, der in den letzten Jahrzehnten am Max-Planck-Institut für Infek­tionsbiologie entwickelt wurde, könnte diese Lücke füllen. Der Impfstoff mit der Bezeichnung VPM1002 ist eine rekombinante Version von BCG. In einer randomisierten, doppelblinden Phase-II-Studie an Neugeborenen erwies sich VPM1002 als verträglich und wirksam. Die in Südafrika durchgeführte Studie schloss 416 teils HIV-­positive Babys ein, von denen 312 VPM1002 erhielten und 104 BCG. Die Rate an unerwünschten Wirkungen fiel in der VPM1002-Gruppe deutlich niedriger aus als in der BCG-Gruppe. Statt bei 33% trat nur bei 2% der Teilnehmer eine Lymphadenopathie von 10 mm oder mehr auf. Reaktionen an der Injektionsstelle beobachteten die betreuenden Ärzte nur bei 21% im Vergleich zu 74% in der BCG-Gruppe. Geschwüre oder Abszesse bildeten sich nur bei 1 bis 2% der VPM1002-Gruppe, verglichen mit 14 bis 22% der BCG-Gruppe. Die Immunreaktion auf VPM1002 war etwas schwächer als auf BCG. Dies maßen die Forscher unter anderem an den restimulierten Interferon-γ-Konzentrationen, die zu allen Zeitpunkten in der VPM1002-Gruppe geringer blieben. Der Anteil an multifunktionalen CD4+ T-Zellen unter den Lymphozyten war zwei Wochen nach der Impfung in der VPM1002-Gruppe höher, bei allen folgenden Untersuchungen bis zu einem Jahr nach der Impfung jedoch niedriger. Ähnliche Beobachtungen machten die Forscher für CD8+ T-Zellen, deren Anteil zu den verschiedenen Zeitpunkten entweder gleich hoch war oder niedriger ausfiel. Dies erlaubt jedoch noch keine Aussage über die langfristige Wirksamkeit des Impfstoffes. In zwei Phase-III-Studien, die seit einigen Jahren an Krankenhäusern in Indien und Afrika stattfinden, soll dies untersucht werden. Erste Ergebnisse werden 2023 und 2024 erwartet. Interessanterweise scheint VPM1002 auch gegen bestimmte Formen von Blasenkrebs wirksam zu sein. Dieser Nebenbefund wird ebenfalls in klinischen Studien untersucht. |
 

Literatur

Cotton MF et al. Safety and immunogenicity of VPM1002 versus BCG in South African newborn babies: a randomised, phase 2 non-inferiority double-blind controlled trial. Lancet Infect Dis 2022, https://doi.org/10.1016/S1473-3099(22)00222-5

Nieuwenhuizen NE et al. The Recombinant Bacille Calmette-Guérin Vaccine VPM1002: Ready for Clinical Efficacy Testing. Front Immunol 2017;8:1147

Tuberkulose-Impfstoff besteht Sicherheitstest. Informationen der Max-Planck-Gesellschaft, 2. August 2022, www.mpg.de/19038856/0801-bich-tuberkulose-impfstoff-kandidat-vpm1002-bei-hiv-und-nicht-hiv-exponierten-neugeborenen-in-studie-sicher-17216463-x

Ulrich Schreiber, M. Sc. Toxikologe

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