Arzneimittel und Therapie

Kein blaues Wunder

Indigo-Salbe bei Psoriasis – was ist dran?

In der dünn gesäten Literatur zu alternativen Heilmethoden bei Psoriasis hat kein anderes Naturprodukt so gute Studienergebnisse erbracht wie Indigo naturalis. Der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) entstammend, ist die „blaue Salbe“ oder „Lindi-Oil-Salbe“ in Fach- und Patientenkreisen bekannt. Dass sie ein Nischendasein führt, liegt weniger an mangelnder Wirksamkeit, als an mangelnder Nachfrage unter der Dominanz der Schulmedizin – und dem Fehlen adäquater Rezepturen.

Jeder zweite von Schuppenflechte Betroffene nutzt laut einem amerikanischen Review auch komplementäre oder alternative Heilmethoden zur Behandlung seines Hautleidens. Randomisiert-kontrollierte Studien (RCT) sind auf diesem Feld Mangelware. Aus der vorhandenen Literatur filterten die Forschenden aus Florida jene mit der besten Evidenz in der Behandlung der Plaque-Psoriasis heraus: Signifikante Verbesserungen verglichen mit Placebo wurden nachgewiesen bei topischer Applikation von Indigo naturalis (fünf randomisiert-kontrollierte Studien, n = 215) und Curcumin (drei RCT, n = 118), aber auch für Akupunkturbehandlungen (13 RCT). Bescheidene Effekte zeigten Methoden wie Meditation und geführte Bild-Imagination. Die Einnahme von Fischölkapseln ergab in der Mehrzahl von zwölf randomisiert-kontrollierten Studien keine signifikanten Verbesserungen [1]. Ein aktueller Review beschreibt für die Psoriasis­behandlung mit Indigo multiple Effekte und Mechanismen: von der Regulierung der Keratinozytenproliferation und -differenzierung und der Immunmodulation bis zur Verbesserung der mikrovaskulären Dilatation und der Hyperplasie in den Hautläsionen [2].

Die Rangordnung deckt sich mit der Einschätzung der Zell- und Molekularbiologin Priv.-Doz. Dr. Ute Wölfle vom Forschungszentrum Skinitial der Klinik für Dermatologie und Venerologie in Freiburg. „Kein anderes Naturprodukt hat bei Psoriasis so gute Studienergebnisse erbracht wie Indigo naturalis“, fasste die Naturstoff-Forscherin bei einem Patientenkongress der Selbsthilfe-Vereinigung Psoriasis-Netz zusammen [3].

Foto: Lucy_Kozyra/AdobeStock

Baptisia tinctoria Aus den Blättern des Wilden Indigo (auch Falscher Indigo oder Färberhülse genannt) kann der blaue Indigo-Farbstoff gewonnen werden.

Indigo in der traditionellen chinesischen Medizin

Primär stützte sie sich auf Veröffentlichungen des taiwanesischen Experten für traditionelle chinesische Medizin, Professor Yin-Ku Lin. Schon im Jahr 2008 hatte Lin Behandlungserfolge bei Psoriasis mit einer blauen Salbe mit Indigo naturalis veröffentlicht. Wegen der intensiven Blaufärbung, die die behandelten Stellen dunkel hervortreten ließ, stieß die Salbe auf Akzeptanzprobleme, woraufhin Lin die Extraktion des aktiven Wirkstoffs Indirubin mit Olivenöl entwickelte. Lindioil ist rubinrot, die fertige Salbe färbt die behandelten Plaques kaum sichtbar. Eine randomisierte Studie mit der Zubereitung wurde 2017 im „British Journal of Dermatology“ publiziert. Hier nahmen 98 Patienten mit chronischer Plaque-Psoriasis (Krankheitsdauer über ein Jahr) und über 20% betroffener Körperoberfläche (BSA) teil. Sie wurden zweimal täglich für acht Wochen mit einer Lindioil-Salbe behandelt, die pro Gramm 200 µg, 100 µg, 50 µg oder 10 µg Indirubin enthielt. Die 200-µg-Zubereitung erwies sich mit einer PASI(Psoriasis Area and Severity Index)-Reduktion um 69% als die wirksamste, gefolgt von den Salben mit 100 µg (63%), 10 µg (53,4%) und 50 µg (50,3%). In der 200-µg-Gruppe erzielten auch mehr Patienten eine 75%- oder gar 90%-ige Reduktion des PASI-Scores (57% bzw. 30%). Während der achtwöchigen Behandlung und der Nachbeobachtung bis zur 20. Woche wurden keine ernsten therapieassoziierten Nebenwirkungen berichtet [4].

Als Ausgangsmaterial für die in dieser Studie verwendete Creme gaben die Autoren Indigo aus den Blättern von Baphicacanthus cusia (Nees) Bremek aus der chinesischen Provinz Fujian an. Als Hersteller des Indigo-Pulvers wird Chuang Song Zong (CSZ) Pharmaceutical Co. Ltd. (Taiwan) genannt. Das Pulver enthielt, entsprechend den Anforderungen der chinesischen Pharmakopoe, mehr als 2% Indigo und mehr als 0,13% Indirubin. Das nach der Extraktion mit Olivenöl (Droge-Extrakt-Verhältnis 1200 : 1) gewonnene „Lindioil“ mit einer Konzentration von > 240 μg/g Indirubin wurde mit weiterem Olivenöl verdünnt und mit Bienenwachs zu Salben verarbeitet, die die oben angegebenen Konzentrationen von Indirubin enthielten.

Indigo – Pigment und Medizin

Indigo ist ein tiefblaues organisches Pigment hoher Farbstärke, das schon seit mehr als 2000 Jahren zum Ein­färben von Textilien verwendet wird. Indigo ist der Namensgeber für die Gruppe der indigoiden Farbstoffe, deren chemische Struktur eng mit der des Indigo verwandt ist.

Foto: Torval Mork/AdobeStock

Auf die Färbeeigenschaften bezieht sich der botanische Name Baptisia tinctoria L. (Fabaceae) des Wilden Indigo. Er ist vom griechischen „baptein = tränken, färben“ und vom lateinischen „tingere = eintauchen, färben“ abgeleitet. Aus dem Holz gewinnt man roten, aus dem Kraut indigofarbenen Farbstoff. Der Wilde Indigo ist in Nordamerika und dem südlichen Kanada beheimatet. Die dortigen Indianer nutzten ein Dekokt der Pflanze unter anderem äußerlich bei offenen Wunden, Geschwüren, Prellungen und Hämatomen, innerlich bei Fieber und Infektionskrankheiten. Die westliche Heilkunde übernahm die Pflanze als Mittel bei Infektionen und septischen Prozessen, z. B. Scharlach, Anginen und Enteritiden.

Indirubin (Indigorot) ist ein rotes Strukturisomer von Indigo, das aus verschiedenen Indigo-produzierenden Pflanzen gewonnen werden kann: Indigofera tinctoria (China, tropisches Afrika), Isatis tinctoria (Deutscher Indigo, Färberwaid), Isatis indigotica, Polygonum tinctorium, Baphicacan­thus cusia. Im natürlichen Indigo-Pulver (Indigo naturalis, chinesisch: Quin Dai) sind kleine, veränderliche Beimischungen des roten Farbstoffs enthalten, die eine Variation in den Blautönen ergeben.

In der traditionellen chinesischen Medizin wird die blaue Indigo-Salbe zur äußeren Behandlung der Schuppenflechte verwendet. Außerdem setzt die TCM ein Pflanzengemisch mit Indirubin (Danggui Longhui Wan) als Mittel gegen Krebs ein, z. B. bei Leukämien. Einer Antitumorwirkung von Indirubin könnte die nachgewiesene Hemmung von Cyclin-abhängigen Kinasen zugrunde liegen, welche im Zellteilungszyklus eine entscheidende Rolle spielen [5].

Die Salbe führt ein Schattendasein

Von den Behandlungserfolgen mit der „Blauen Salbe“ wurde 2008 auch in Deutschland berichtet; die Lindioil-Salbe ist in Patientenkreisen bekannt. Doch wer heute in Apotheken oder bei deren Großhändlern nachfragt, bekommt die Auskunft: Indigo-naturalis-Pulver ist so wenig verfügbar wie die Ausgangsdrogen, die verschiedenen Indigo-liefernden Pflanzen.

Ein Fertigpräparat mit Indigo-Extrakt wurde bis vor Kurzem von der Sana­vita GmbH in Karbach hergestellt, die sich einen Namen als Wegbereiter von Produkten zur therapiebegleitenden Hautpflege auch in Fachkliniken gemacht hat. „Indigo Aktiv Creme“ war als Kosmetikum zur Hautpflege de­klariert. Das Indigo-Pulver für die Herstellung der Creme habe er nach längerer Suche in China gefunden und eine größere Menge zu einem respektablen Preis eingekauft, sagt auf Nachfrage Geschäftsführer Roland Diehm. Das Problem aus seiner Sicht ist nicht der – bei ihm noch vorhandene – Rohstoff, sondern die mangelnde Nachfrage, derentwegen die Produktion eingestellt wurde. Die finanzielle Hürde zur Etablierung als Medizinprodukt sei zu hoch gewesen, so Diehm. Die hohen Erfolgsraten des Professor Yin-Ku Lin habe man im Übrigen nicht bestätigen können; bei geschätzt einem Drittel der Psoriasispatienten habe die Indigocreme Besserung bis zur Heilung gebracht, aber ein Drittel habe sie schlecht vertragen. Ärzte präferierten ohnehin die äußerliche Behandlung der Psoriasis mit Salben oder Cremes, die Cortison, Vitamin-D-Abkömmlinge, Dithranol oder Tazaroten enthalten. Restbestände der „Indigo Aktiv Creme“ sind online noch auffindbar. Nach Auffassung von Dr. Wölfle erklärt sich ihre schwache Wirksamkeit bei Pso­riasis schlicht durch die zu geringe Wirkstoffkonzentration an Indigo.

Eine „Indigowurzel Salbe“ wird in Deutschland noch von der Hecht Pharma GmbH vertrieben. Das von der österreichischen Stift-Apotheke, St. Lambrecht, hergestellte Kosmetikum enthält einen Baptisia-tinctoria-Wurzelextrakt, eingearbeitet in eine Salbengrundlage mit Mandel- und Jojobaöl. Beworben wird es mit heilungsfördernden Eigenschaften, ein­zusetzen bei leichten oberflächlichen Wunden (90 ml/30,50 Euro).

Über Internetplattformen wie Alibaba, Dragon Spice und andere kann zwar Indigo zur Seifenherstellung oder zum Färben bestellt werden, doch für die topische Anwendung gibt es keine Sicherheitsdatenblätter und Unbedenklichkeitsprüfungen der Drogen, etwa hinsichtlich der Reinheit. Die Patientenvereinigung Psoriasis-Netz rät Interessierten, die eine Behandlung mit Indigo naturalis ausprobieren möchten, einen Fachmann für traditionelle chinesische Medizin aufzusuchen. Dabei helfe eine Suche auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft für TCM (www.agtcm.de). |
 

Literatur

[1] Gamret AC et al. Complementary and Alternative Medicine Therapies for Psoriasis: A Systematic Review. JAMA Dermatol 2018;154(11):1330-1337, doi:10.1001/jamadermatol.2018.2972

[2] Zhang Q et al. Psoriasis treatment using Indigo Naturalis: Progress and strategy. J Ethnopharmacol 2022;115522, doi: 10.1016/j.jep.2022.115522

[3] Blaga R. Bericht vom Patientenkongress „Naturheilkunde und Psoriasis“, www.psoriasis-netz.de/themen/naturheilkunde-schuppenflechte-patientenkongress.html

[4] Lin YK et al. Comparison of indirubin concentrations in indigo naturalis ointment for psoriasis treatment: a randomized, double-blind, dosage-controlled trial. British Journal of Dermatology 2017;178(1):124–131, doi:10.1111/bjd.15894

[5] Hoessel R et al. Indirubin, the active constituent of a Chinese antileukaemia medicine, inhibits cyclin-dependent kinases. Nat Cell Biol 1999;1:60–67, doi:10.1038/9035

Apotheker Ralf Schlenger

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