Umweltschutz

Pharmazie und Klimaaktivismus – wie geht das?

Die Pharmacists for Future erklären, wie sie arbeiten und warum

Seit rund 18 Monaten treffen sich Pharmazeutinnen und Pharmazeuten aus ganz Deutschland, um in ihrer Disziplin Nachhaltigkeit zu verankern. „Pharmacists for Future“ nennt sich die Initiative. Auf der Expopharm und auf dem Deutschen Apothekertag wird ihre Arbeit für einen großen Teil der Apothekerschaft sichtbar. Die Deutsche Apotheker Zeitung hat sich die Bewegung angeschaut und mit Mitgliedern gesprochen.
Foto: Roland Matticzk_RM Sehstern Berlin

Wie sieht Klimaaktivismus im Apothekenwesen aus? Straßen blockieren und große Kundgebungen organisieren? Die Pharmacists for Future arbeiteten seit ihrer Gründung im Februar 2021 auf anderen Wegen. Sie sammeln Daten dazu, welche Auswirkungen die Pharmazie auf die Umwelt und das Klima hat – und umgekehrt. Sie machen darauf aufmerksam und suchen nach konkreten Ideen, die der Pharmazie helfen, eine nachhaltige Disziplin zu werden. Die Aktivisten vernetzen sich mit Akteuren, die diese Ideen in die Praxis bringen können. Rund zwei Dutzend Pharmazeutinnen und Pharmazeuten aus ganz Deutschland sind mittlerweile ehrenamtlich aktiv. Dreißig weitere Apotheker schauen hin und wieder bei den monatlichen Online-Treffen der Pharmacists for Future vorbei. Viele von ihnen arbeiten in der öffentlichen Apotheke oder im Krankenhaus, andere in der Industrie, in der Verwaltung, der Forschung oder in den Apothekerkammern. Auch Pharmaziestudierende und PTA machen mit.

Der Gedanke hinter den Pharmacists for Future: dazu beitragen, die Auswirkungen von Arzneimitteln in allen Entwicklungs- und Lebenszyklen auf Mensch und Umwelt zu identifizieren, zu bewerten und den Umgang zu optimieren. Heute – aber auch in Zukunft. Klar ist: Die Bewegung ist bunt und motiviert, die Pharmazie weiterzuentwickeln.

Gemeinsam etwas verändern

Die Idee, auch eine spezifisch pharma­zeutische Initiative innerhalb der Fridays-for-Future-Bewegung zu gründen, entstand zusammen mit dem Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP). Dr. Ulrike Faber war Ende der 1980er-Jahre bei der Gründung des VdPP dabei. Auch bei den Pharmacists for Future ist sie seit den ersten Treffen im Februar 2021 Teil der Bewegung. „Die Klimakrise ist eine kom­plexe Herausforderung. Um alle Facetten zu berücksichtigen, braucht es diese unterschiedlichen professionellen Perspektiven“, berichtet Faber. „Daraus ergibt sich mit den Pharmacists for Future eine tolle Kooperation aus klugen Köpfen. Vieles können Apothekerinnen und Apotheker selbst bewegen – z. B. ihre Patienten klimasensibel beraten, ge­rade im Zusammenhang mit Arznei­mitteln. Vieles geht jedoch nicht allein, sondern erfordert politische Lösungen, etwa gegen unnötige, das Klima belastende Arzneimittelwerbung. Dahinter stecken ökono­mische Interessen. Hier können wir nur dann etwas verändern, wenn wir zusammen stark auftreten und öffentlichen Druck ausüben.“

Ulrike Faber ist seit über zehn Jahren im Ruhestand. Zuletzt war sie Patientenvertreterin im Gemeinsamen Bundesausschuss. Die patientenzentrierte Perspektive aus dieser Zeit bringt sie bei den Pharmacists for Future ein. Die Fragen, die sie vor allem beschäftigen, lauten: Was bedeutet die Klimakrise für Patienten? Was können und müssen wir als Apothekerinnen für sie tun?

Spezialwissen aus der Pharmazie

Mit anderen Gruppen der Fridays-for-Future-Bewegung tauschen sich die Mitglieder rund einmal pro Monat aus. Aktive aus anderen Gruppierungen helfen mit ihrer Expertise, wenn eine Website (www.pharmacistsforfuture.org) oder ein Messestand entstehen soll. Doch bei den Pharmacists for Future steht das Spezialwissen im Fokus der Arbeit, das nur Pharma­zeuten mitbringen. Eine von ihnen ist Dr. Anja Thijsen. „Ich bin seit 15 Jahren Apothekeninhaberin in einer niedersächsischen Kleinstadt und stark im Natur- und Umweltschutz engagiert. Für die Apotheke haben wir als Team 2018 eine Gemeinwohlökonomiebilanz erstellt und dabei viel gelernt“, sagt Thijsen. Über ihre Gemeinwohl-bilanzierte Apotheke berichtete 2020 die Deutsche Apotheker Zeitung („Keine Apotheke ohne Gemeinwohl“ DAZ 2020, Nr. 22, S. 63).

Thijsen fügt hinzu: „Bei den Pharmacists for Future habe ich die Möglichkeit, beide Interessen zu verbinden. Der Austausch und die gemeinsame Arbeit bereichern mich.“ Eines ihrer aktuellen Arbeitsfelder ist, die Umweltbelastung durch Arzneimittel zu verringern. „Das Thema ist sehr komplex und viele Akteure müssen umdenken und anpacken, damit wir für uns und für alle nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft erhalten.“

Unterstützung für die Basis

Im Februar 2021 starteten die Pharmacists for Future ihre ersten Treffen. Jeden ersten Dienstag im Monat kommen seitdem online diejenigen zusammen, die mitmachen oder interessiert sind. Aus ihrer Vision machten sie schnell konkrete Arbeit. Für die Monatstreffen werden Gäste ausgesucht, die die Aktivisten mit Ideen und Erfahrungen bereichern. Zu Besuch waren bisher unter anderem Jutta Paulus, Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Tina von Thülen, Autorin einer Arbeit über klimasensible Apothekenberatung, und Dr. Guido Schmiemann, Co-Autor der Leitlinie „Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln“. Auch Rebecca Schmidt ist aktives Mitglied dieser Gruppe. Während ihrer Ausbildung zur PTA widmete sie eine Belegarbeit dem Thema „Nachhaltige Apotheke“. Sie nutzte dazu unter anderem das Buch „Die nachhaltige Apotheke“ von Esther Luhmann aus dem Deutschen Apotheker Verlag. Darin stellte die Autorin auch die Pharmacists for Future vor. „Da ich ein paar inhaltliche Fragen hatte, bat ich die Pharmacists um Hilfe. Ich setzte mich mit ihnen in Verbindung und wurde schnell Teil einer engagierten, bunt gemischten Community“, berichtet Schmidt. „Ich freue mich, dass ich auch nach Abschluss meiner Belegarbeit gemeinsam mit zukunftsorientierten Pharmazeutinnen und Pharmazeuten an handfesten Projekten arbeiten kann. Als PTA in einer öffentlichen Apotheke begegne ich tagtäglich Konflikten, die sich unweigerlich aus den Zielen der optimalen Patientenversorgung, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz ergeben.“ Schmidt will insbesondere den Personen „an der Basis“ der Patientenversorgung umsetzbare Hilfen zum Umweltschutz im Apothekenalltag an die Hand geben. „Grundsätze zur Nachhaltigkeit müssen in Fleisch und Blut übergehen. Schließlich braucht es eine Bereitschaft bei denen, die eventuelle gesetzliche Beschlüsse in der Apotheke umsetzen sollen.“

So sieht die Arbeit heute aus

Drei der Mitglieder arbeiteten seit Anfang 2022 eng mit der Arbeits­gruppe „Nachhaltige Apotheke“ der Apothekerkammer Thüringen zusammen. Gemeinsam sammelte die AG Ideen für Anträge für den Deutschen Apothekertag. Sie feilten die Ideen aus und formulierten die Anträge. Die Apothekerkammer Thüringen, aber auch andere Kammern und Verbände brachten sie für den bevorstehenden Deutschen Apothekertag in München ein.

Die Arbeit mit den Pharmacists for Future ist auch Patrick Neumann wichtig. „Während des Studiums fiel mir auf, dass es für die Apothekerschaft weder relevant war, wie die Klimakrise die Gesundheit beeinflusst, noch wie das Gesundheits­system auf die Klimakrise einwirkt. Egal, ob es um Hitze, aggressivere Pollen oder neue Pandemien geht: Die Zusammenhänge der Klimakrise und der Gesundheit werden noch immer nicht ernst genug genommen.“ Neumann plädiert dafür, zusammen mit Vertretern aus anderen Heilberufen zu informieren und das Personal zu schulen. Auch in Ausbildung und Studium sollte die Thematik gelehrt werden.

Aktiv auf der Expopharm

Neumann ergänzt: „Bei den Pharmacists for Future habe ich die Chance, mich mit ambitionierten Kollegen auszutauschen und mehr als das eigene Arbeitsumfeld zu schulen und aufmerksam zu machen.“ Am schönsten sei für ihn, zu sehen, wie verschiedene Charaktere Input liefern und immer wieder neue Gesichter zur Gruppe stoßen. Mit einem Spendenaufruf konnte die Initiative etwas Geld für eine weitere Idee sammeln: einen Stand auf der Expopharm 2022. Es glückte. Die Pharmacists for Future teilen sich mit dem Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten eine Ausstellerfläche. In den vergangenen Monaten arbeiteten sie daran, diesen Stand mit Leben zu füllen. Vom 14. bis 17. September können Besucher auf dem Stand A31 in Halle B1 darüber abstimmen, welche Ideen sie für eine nachhaltige Pharmazie unterstützen würden – und eigene Ideen streuen. Sie hoffen, noch mehr Aktive und Spendengelder zu gewinnen, um mehr solcher Projekte anstoßen zu können. Die Pharmacists for Future verstehen sich als eine offene Bewegung. Auf ihrer Website www.pharmacistsforfuture.org schreiben sie: Wer mitmachen will, schreibt eine Mail an kontakt@pharmacistsforfuture.org, klinkt sich über Zoom rein und schaut, wo er helfen kann. |

Apotheker Marius Penzel, ehrenamtlich für die Pharmacists for Future aktiv

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