Arzneimittel und Therapie

Fatale Vitamin-D-Überdosierung

Säugling musste nach Gabe hochdosierter Tropfen intensivmedizinisch behandelt werden

du | Mit einem dramatischen Fall­bericht eines sieben Monate alten Säuglings macht die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) auf die Gefahren einer hochdosierten Vitamin-D-Gabe hin. Der Säugling musste aufgrund einer Vitamin-D-Intoxikation intensivmedizinisch behandelt werden. Er hatte über fünf Monate täglich etwa 40.000 IE eines hochdosierten Vitamin-D-haltigen Nahrungsergänzungsmittels in Tropfenform erhalten.

Säuglinge erhalten zur Rachitis-Prophylaxe standardmäßig täglich 500 IE Vitamin D in Tablettenform. Doch die Eltern des betroffenen Säuglings hatten auf Anraten von Freunden im Internet hochdosierte Vitamin-D-haltige Tropfen bestellt und dem Säugling davon täglich 40 Tropfen (ca. 40.000 IE entsprechend 1000 µg ) gegeben.

Ein Gewichtsverlust von 7% in drei Wochen, Exsikkose und eine Vigilanzminderung machten daraufhin eine intensivmedizinische Notfallbehandlung erforderlich. Hier konnte zunächst nur eine ausgeprägte Elektrolytstörung festgestellt werden. Die Erklärung lieferte dann das Gespräch mit den Eltern zur Vitamin-D-Prophylaxe. Der Serumwert von 25-Hydroxy-Cholecalciferol war mit über 600 µg/l extrem erhöht, Parat­hormon entsprechend stark erniedrigt. Die Diagnose lautete: Ausgeprägte Vitamin-D-In­toxikation mit Hyperkalzämie und Nephrokalzinose.

Foto: nicoletaionescu/AdobeStock

Intoxikationsgefahr Die AkdÄ appelliert, Säuglingen keine hochdosierten Vitamin-D3-Tropfen zu geben.

Der Säugling wurde mit Prednisolon und Furosemid behandelt. Elektrolyte mussten ausgeglichen, eine Calcium-arme Diät durchgeführt werden. Vit­amin D wurde abgesetzt. Die Calcium-arme Diät und Furosemid-Behandlung wurden ambulant fortgeführt. Drei Wochen nach Entlassung lag der 25-Hydroxy-Cholecalciferol-Wert immer noch bei 278 ng/ml, eine Folge der langen Halbwertszeit von Vitamin D.

In diesem Zusammenhang weist die AkdÄ darauf hin, dass zur Vermeidung einer Vit­amin-D-Mangel­rachitis eine orale Supplementierung mit 400 bis 500 IE ­Vitamin D3 pro Tag (10 bis 25 µg) bis zum zweiten erlebten Frühsommer empfohlen wird, und zwar kombiniert mit einer Fluorid-Prophylaxe. Als höchste sichere tägliche Zufuhr gelten bei Säuglingen 25 bis 35 µg/Tag – eine Dosierung, die deutlich über dem physiologischen Bedarf liegt. Die ­AkdÄ warnt: Eine langfristige Überdosierung von Vitamin D3 kann zu einer Hyperkalzämie führen und ­potenziell lebensbedrohlich sein. Calcium-Ablagerungen in Gefäßen und Geweben, insbesondere den Nieren, können die Folge sein. Zu den Symptomen einer Überdosierung ­zählen gastrointestinale Symptome, Dehydratation, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Bewusstseins- und Herzrhythmusstörungen.

Nur unter ärztlicher Aufsicht

Vor dem Hintergrund dieses Fallberichts und weiteren Fällen von Vit­amin-D-Intoxikationen bei Säuglingen fordert die AkdÄ, dass Vitamin D3 nur unter ärztlicher Überwachung erfolgen sollte. Die gleichzeitige Einnahme aus anderen Quellen wie mit Vitamin D angereicherter Babynahrung ist zu vermeiden, ebenso die Gabe von hochdosierten Flüssigzubereitungen von Vitamin D3, denn hier ist das Risiko einer versehentlichen Überdosierung besonders groß.

Das NEM-Problem

Auch thematisiert die AkdÄ das seit Langem bekannte Problem, dass ­Vitamin-D3-Fertigarzneimittel in einer Dosierung über 25 µg der Verschreibungspflicht unterliegen, Nahrungs­ergänzungsmittel jedoch in jeder ­Dosierung frei verfügbar seien.

Höchstmengen notwendig

Um versehentliche Überdosierungen durch hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel zu vermeiden, sind Höchstmengen für Vitamin D in Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll, so die AkdÄ. Sie verweist zudem auf die Gemeinsame Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen, nach deren Ansicht eine Vitamin-D-Tagesdosis von 20 µg oder mehr in NEM über eine Ergänzung der allgemeinen Ernährung hinausgeht. Auch das Bundes­institut für Risikobewertung empfiehlt für den Vitamin-D-Gehalt in Nahrungsergänzungsmitteln eine Höchstmenge von 20 µg pro Tag für Jugendliche und Erwachsene. |

Literatur

Vitamin-D3-Überdosierung bei einem Säugling („Aus der UAW-Datenbank“). Dtsch. Ärzteblatt 2022;35-36: A 1486, 5. September 2022

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