Arzneimittel und Therapie

Keine neuen Risikohinweise zur ­Corona-Impfung

PEI legt aktuellen Sicherheitsbericht auch zum Post-Vac-Syndrom vor

In der Zeit zwischen dem 27. Dezember 2020 und dem 30. Juni 2022 wurden in Deutschland rund 182 Millionen Impfungen gegen SARS-CoV-2-Infektionen durchgeführt. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat in einem aktuell publizierten Sicherheitsbericht die Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen zusammengefasst, die seit Beginn der Impfkampagne gemeldet ­wurden. Dabei ergaben sich keine neuen Risikohinweise.

Von den 182.717.880 Impfungen zum Schutz vor COVID-19 wurden knapp drei Viertel (73,7%) der Impfungen mit Comirnaty® (Biontech Manufacturing GmbH) durchgeführt. Der Rest verteilte sich mit 17,1% auf Spikevax® (Moderna Biotech Spain, S.L.), 7,0% auf Vaxzevria® (AstraZeneca AB), 2,1% auf Jcovden® (Janssen-Cilag International NV) und 0,1% auf Nuvaxovid® (Novavax CZ, a.s.). In dem rund 18-monatigen Zeitraum, auf den das PEI zurückblickt, wurden 323.684 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen gemeldet. Die Melderate von Verdachtsfällen betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,8 Meldungen pro 1000 Impfdosen, für Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen und Impfkomplikationen 0,3 Meldungen pro 1000 Impfdosen. Auf 1000 Impfungen und die Gesamtheit der Nebenwirkungen bezogen, betrafen die wenigsten Meldungen Comirnaty® und Spikevax® (s. Tab.). Die Melderate nach Booster-Impfungen war für die beiden mRNA-Impfstoffe Comirnaty® und Spikevax® niedriger als nach der Grundimmunisierung.

 

Tab.: Gesamtmelderate sowie Melderate von Verdachtsfällen schwerwiegender Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen pro 1000 Impfungen (Auswertung auf Fallebene)
Impfstoff
alle Fälle unerwünschter Wirkungen
Fälle schwerwiegender unerwünschter Wirkungen
Comirnaty®
1,45
0,23
Spikevax®
1,91
0,19
Vaxzevria®
4,19
0,56
Jcovden®
3,09
0,43
Nuvaxovid®
6,14
0,76

Meist leichte Nebenwirkungen, aber kein Risikosignal

Am häufigsten wurden passagere lokale und systemische Reaktionen berichtet, wie etwa Kopfschmerzen (0,37 pro 1000 Impfungen), Ermüdung (0,32 pro 1000 Impfungen), grippeähnliche Symptome (0,26 pro 1000 Impfungen), Schmerzen an der Injektionsstelle (0,25 pro 1000 Impfungen) und Fieber (0,24 pro 1000 Impfungen). Eine Analyse der eingegangenen Verdachtsmeldungen ergab keine Hinweise auf neue Risikosignale im Vergleich zum vorhergehenden Sicherheitsbericht.

In rund 1,0% der berichteten Verdachtsfallmeldungen (3023 Fälle) wurde ein tödlicher Verlauf in zeitlich unterschiedlichem Abstand zur COVID-19-Impfung mitgeteilt. Bei 120 Fällen sieht das PEI einen wahrscheinlichen oder möglichen ursächlichen Zusammenhang. Da der Vergleich der Anzahl der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen mit tödlichem Ausgang im Abstand von einem Tag bis 30 Tage nach Gabe eines COVID-19-Impfstoffs mit der im gleichen Zeitraum statistisch zufällig zu erwartenden Anzahl der Todesfälle übereinstimmt, sieht das PEI für keinen der fünf zugelassenen COVID-19-Impfstoffe ein Risikosignal.

Spezielle Auswertungen

Auf Nebenwirkungen von speziellem Interesse (Adverse Events of Special Interest, AESI) geht das PEI separat ein. Hierunter fallen etwa unerwünschte Ereignisse bei Kindern und Jugendlichen. Sehr selten treten Myokarditis und/oder Perikarditis nach einer Impfung mit Comirnaty® oder Spikevax® auf. Besonders betroffen sind junge Männer und männliche Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren, insbesondere nach der zweiten Dosis. Einzelne Fälle einer Myokarditis und/oder Perikarditis wurden nach Nuvaxovid® berichtet, davon auch wenige Fälle aus Deutschland. Ebenfalls separat ausgewertet wurden Meldungen zu einem chronischen Müdigkeitssyndrom und Long-COVID-ähnlichen Beschwerden sowie Verdachtsmeldungen über Zyklusstörungen bei Frauen im gebärfähigen Alter sowie Hinweise auf Krampfanfälle. Die Auswertung von Verdachtsmeldungen aus Deutschland zu unterschiedlichen Zyklusstörungen bei Frauen im gebärfähigen Alter und zu Krampfanfällen nach ­COVID-19-Impfstoffen ergab keine ­Risikosignale.

Lange andauernde Beschwerden nach COVID-19-Impfung

Unter dem Begriff Post-Vac (Post-­Vaccination-Syndrom) werden lange andauernde Gesundheitsstörungen subsumiert, die in unterschiedlichem Abstand zu einer COVID-19-Impfung auftreten. Sie werden auch als Long-COVID-ähnlich, chronisches Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome / myalgische Enzephalomyelitis, CFS / ME) oder posturales Tachykardiesyndrom (POTS) bezeichnet.

Der Begriff Post-Vac ist nicht genau definiert. Er beschreibt verschiedene Beschwerden, die auch mit Long-­COVID in Verbindung gebracht werden. Darunter fallen etwa Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Übelkeit, aber auch Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie Bewegungsstörungen und Atemnot. Die Diagnostik ist erschwert, da häufig wichtige klinische Informationen ­sowie eine spezifische medizinische Definition fehlen. Auch die Ursachen für ein Post-Vac-Syndrom sind derzeit nicht bekannt.

Deutschlandweit gibt es bisher nur zwei Anlaufstellen für Patienten mit Verdacht auf das Post-Vac-Syndrom: eine Spezialambulanz in Marburg ­sowie die neurologische Post-COVID-19-Sprechstunde an der Charité in ­Berlin.

Post-Vac ist deutlich seltener ­als angenommen

Eine vom PEI durchgeführte Recherche zum Post-Vaccination-Syndrom (s. Kasten „Lange andauernde Beschwerden nach COVID-19-Impfung“) lieferte 472 Ereignisse, mehrheitlich nach einer Impfung mit Comirnaty®, dem am häufigsten eingesetzten Impfstoff. Die meisten Meldungen erfolgten von den Betroffenen selbst. Im Vergleich mit anderen Ländern werden aus Deutschland auffallend viele Fälle von Post-Vac gemeldet. Unter Berücksichtigung internationaler Daten sieht das PEI aber kein Signal, dass nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2-­Infektionen außergewöhnlich viele mit Müdigkeit einhergehende Beschwerden auftreten. Die Auswertung von Diagnosen nach einer Krankenhausentlassung zeigt zwar einen Anstieg der Fallzahlen mit der Hauptdiagnose chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS); insgesamt scheint die Anzahl hospitalisierter Patienten mit der Hauptdiagnose CFS, bei denen zusätzlich eine Nebenwirkung nach Impfung (unerwünschte Wirkungen bei der Anwendung von COVID-19-Impfstoffen) kodiert wurde, eher niedrig zu sein. Das Fazit des PEI: „Eine Auswertung zu Meldungen von chronischem Müdigkeitssyndrom und Long-COVID-ähnlichen Beschwerden ans Paul-­Ehrlich-Institut und ein Vergleich mit internationalen Meldungen in der Nebenwirkungsdatenbank bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA hat bis zum Datum dieser Auswertung kein Risikosignal ergeben.“ |

Literatur

Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 7. September 2022, www.pei.de

Spezialsprechstunde Post-Vax. Spezialambulanz am Universitätsklinikum Marburg, www.ukgm.de/ugm_2/deu/umr_kar/51186.html

Post-COVID-19-Behandlungen an der Charité. Post-COVID-19-Sprechstunde an der Charité Berlin, www.charite.de/klinikum/themen_klinikum/post_covid_19_behandlungen_an_der_charite/

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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