Kongresse

Tag der Offizinpharmazie

Fortbildung rund um das Thema Impfungen

MARBURG (pj) | Im Anschluss an die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) fand am 17. September 2022 der von der DPhG-Fachgruppe Allgemeinpharmazie und der LAK Hessen durchgeführte „Tag der Offizinpharmazie“ in Marburg statt. Die Fortbildung befasste sich mit den Themen Impfen und Impfstoffe.

In seinem Einführungsvortrag skizzierte Prof. Dr. Robert Fürst, Frankfurt, die immunologischen Grundlagen einer Impfung und Impfantwort. Ein besonderes Augenmerk richtete Fürst auf die Rolle der Adjuvanzien in Impfstoffen. Diese sind durch ihre Funktion, nicht durch ihre Stofflichkeit definiert. Da gereinigte Antigene meist aufgrund des Fehlens weiterer Erregerbestandteile weniger immunogen sind, kann auf Adjuvanzien nicht verzichtet werden. Unlösliche Aluminiumsalze und Öl-in-Wasser-Emulsionen wie etwa MF59 sind effiziente und sichere Impfverstärker. Die bei einer Impfung auftretende Entzündungsreaktion wird durch das Adjuvanz hervorgerufen, das lokal Zellen des angeborenen Immunsystems stimuliert. Diese Stimulation, die vor allem auf die dendritischen Zellen abzielt, ist die Voraussetzung dafür, dass in der Folge der adaptive, also spezifische Teil des Immunsystems in Form der T- und B-Lymphozyten aktiviert wird. Erst dann kommt es zur Bildung von Antikörpern und zusammen mit den T-Lymphozyten zu einer zielgenauen Bekämpfung des Pathogens. Zusätzlich werden Gedächtniszellen der stimulierten T- und B-Zellen generiert, die bei einem neuen Kontakt mit dem Antigen schnell reaktiviert werden können. Eine Besonderheit sind m-RNA-Impfstoffe, die nicht nur für das Impfantigen codieren, sondern auch als Adjuvans wirken.

Neue Herausforderungen

Die Pandemie hat der Impfstoffentwicklung großen Aufschwung gegeben, allerdings gibt es noch manche Probleme zu lösen. Darunter fallen laut Fürst die Entwicklung eines HIV-Impfstoffs und einer Vakzine gegen Lyme-Borreliose. Eine Vakzine gegen HIV ist aufgrund der hohen Mutationsrate des Virus sehr schwierig zu entwickeln. Ein bereits in Phase-1 erprobter Ansatz ist die Induktion breit neutralisierender Antikörper, die viele verschiedene Stämme des rasch mutierenden HI-Virus neutralisieren. Eine Impfung gegen Lyme-Borreliose wird möglicherweise bereits in zwei Jahren verfügbar sein. Dabei handelt es sich um einen Protein-Impfstoff, der sich gegen mehrere Typen des Oberflächeneiweißes OspA der Bakterien richtet.

Sekundäre Impfstoff-Effekte

Dass Impfstoffe nicht nur eine In­fektion verhindern können, sondern auch einen zusätzlichen Benefit aufweisen, erläuterte Dr. Berthold Bruckhoff, Marburg, am Beispiel einer Impfung gegen Herpes zoster. In Deutschland sind zwei unterschied­liche Impfstoffe gegen Herpes zoster zugelassen und verfügbar: Seit 2013 ein attenuierter Lebendimpfstoff (Zostavax®) und seit 2018 ein adjuvantierter Herpes-zoster-subunit-Totimpfstoff (Shingrix®), wobei der Lebend­impfstoff von der STIKO aufgrund der eingeschränkten Wirksamkeit und seiner begrenzten Wirkdauer nicht als Standardimpfung empfohlen wird. Eine Herpes-zoster-Infektion erhöht das Risiko für Myokardinfarkt und Schlaganfall. Dieses Risiko kann eine Zoster-Prävention einer Studie zufolge, in der der Lebendimpfstoff eingesetzt wurde, bei älteren Menschen um 16% verringern.

Impfen in der Apotheke

Prof. Dr. Thorsten Lehr, Saarbrücken, ging der Frage nach, welche Voraussetzungen zur Impfung in der Apotheke erforderlich sind und stellte die Ergebnisse eines Modellprojektes des Saarländischen Apothekervereins zur Influenza-Impfung vor. Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass in den USA bereits seit 2016 in Apotheken geimpft wird. Dort finden rund 25% der Grippeschutz­impfungen in Apotheken statt. In Deutschland starteten die ersten regionalen Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in Apotheken im Oktober 2020, und zwar als Kooperation zwischen dem Saarländischen Apothekerverein und der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland. Rund ein Drittel der Apotheken war eingebunden. Die Auswertung des Projektes zeigte zum einen eine hohe Patientenzufriedenheit und die Vorteile eines niederschwelligen An­gebotes durch die Impfmöglichkeit in der Apotheke. 12% der in der Apotheke Geimpften wären für eine Grippeschutzimpfung nicht zum Arzt gegangen und nahmen das leicht zugängliche Angebot in der Apotheke wahr.

Wie Impfungen in einem großen Maßstab organisiert und durchgeführt werden können, erläuterte Dr. Björn Schittenhelm, Holzgerlingen, der während der Pandemie einen „Impfmarathon“ gegen SARS-CoV-2 in einer Modellregion durchführte. Die größte Herausforderung waren geeignete Räume, da Offizin und Apothekenräume nicht für Impfungen im großen Maßstab geeignet sind. Dieses Manko und ein Personalmangel wurden auch in der folgenden Diskussion thematisiert. Für Impfungen in der Apotheke sprechen das niederschwellige Angebot, die Kompetenz und das Vertrauen, das den Apotheken entgegengebracht wird. Potenzielle Konflikte zwischen Ärzten und Apothekern werden sich mit der Zeit auflösen, so Lehr. |

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