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Arzneiformen
Digital kontrolliert inhalieren
Adhärenz und Applikationstechnik lassen sich durch vernetzte Arzneiformen verbessern
Bei der Therapie verschiedener chronischer Erkrankungen halten die meisten Patienten sich nicht an die korrekten Anwendungsmodalitäten und an die verordneten Anwendungszeitpunkte. Dies gilt nicht nur für Peroralia, sondern beispielsweise auch für parenterale, konjunktivale und kutane Arzneiformen. Und besonders ausgeprägt ist eine nicht korrekte Anwendung bei Inhalationsarzneimittel zur Therapie obstruktiver Atemwegserkrankungen. Die Quoten sowohl für die Medikationsadhärenz [1 – 3], als auch für die richtige Inhalationstechnik [4, 5] liegen hier oft nur bei etwa 50% oder sogar deutlich darunter. Also nur etwa die Hälfte der Arzneimittelgaben wird überhaupt bzw. zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Dosierung und auch in der richtigen Art und Weise inhaliert! Zu den komplexen Ursachen der Non-Adhärenz, ihren klinischen Konsequenzen und den Grundlagen von Verbesserungsstrategien soll hier auf entsprechende Literatur verwiesen werden. Dabei ist zwischen generell gültigen Aspekten [6 – 9] und solchen speziell bei der Inhalationstherapie [1 – 3, 10] zu unterscheiden.
Dass durch Beraten und Intervenieren in der Vor-Ort-Apotheke diese Probleme der Adhärenz [11 – 13] und der falschen Handhabung [13, 14] nachhaltig verringert werden können, wurde in verschiedenen Publikationen zur Inhalationstherapie belegt. Doch sind beim Verbessern der Adhärenz den pharmazeutischen Maßnahmen ebenso wie den Bemühungen anderer Gesundheitsberufe Grenzen gesetzt, wenn dabei ausschließlich auf die Beratung gesetzt wird. Ein aktueller Cochrane-Review zeigt für Peroralia, dass die Medikationsadhärenz älterer Patienten (> 65 Jahre), die mehr als vier Arzneimittel einnehmen bzw. anwenden, nur gering oder gar nicht positiv durch eine zusätzliche edukative Intervention beeinflusst werden kann. Für verschiedene verhaltensorientierte Maßnahmen konnte dagegen nachgewiesen werden, dass sie die Einnahmetreue signifikant verbessern. Hierunter fallen z. B. das Ändern der Einnahmezeitpunkte oder das Übermitteln von Erinnerungssignalen [6]. Solch ein Erinnern lässt sich mit elektronischen Weckern leicht umsetzen, besonders mit dem Smartphone oder der Smartwatch. Durch verschiedene Apps für das Handy können optische oder akustische Erinnerungssignale auch mit weiteren Therapiehinweisen verbunden werden.
Ein Review von 60 Publikationen zum Smartphone-Einsatz bei verschiedenen chronischen Krankheiten zeigte, dass in 80% der Studien die Adhärenzquoten verbessert werden konnten [15]. In weiteren 16 randomisiert kontrollierten Studien, die in einer Metaanalyse ausgewertet wurden, erhöhte sich die Adhärenz von durchschnittlich 50% auf 68% [16]. Ein weiterer aktueller Review erfasste 13 Inhalationsstudien mit Smartphone- und Internet-basierten Interventionen, von denen nur acht zu signifikanten oder eingeschränkt signifikanten Verbesserungen führten [17].
Unterstützung durch Vernetzung
Digital vernetzte Arzneiformen vereinen wesentliche Vorzüge: Sie können bei Einsatz durch die Vor-Ort-Apotheke oder die Arztpraxis
- die Medikationsadhärenz objektiv monitoren,
- diese Adhärenz erforderlichenfalls durch verschiedene Erinnerungssignale steigern,
- verschiedene Anwendungsschritte kontinuierlich überwachen,
- damit gegebenenfalls die Korrektur dieser Schritte unterstützen sowie
- die arzneimittelbezogene Kommunikation des Patienten mit dem Apotheker und dem Arzt intensivieren.
Das betrifft nicht nur die Inhalativa, sondern auch verschiedene andere Applikationswege [18, 19]. Die digital vernetzten Arzneiformen stellen immer eine Kombination aus Arzneistoffformulierung und digitalem Modul dar. Dabei können diese beiden Komponenten entweder fest zu einer integralen Einheit verbunden sein oder auch als zwei miteinander koppelbare Module vorliegen (Tab. 1). Im zweiten Fall kann die marktübliche Arzneiform auch allein, also ohne digitale Komponente, und damit ohne die softwarebasierten Vorteile eingesetzt werden. Diese Situation tritt ein, wenn etwa die Batterien leer sind oder das elektronische Modul feucht und damit unbrauchbar geworden ist [18].
Die digitalen Module können sehr unterschiedlich aufgebaut sein. Übereinstimmend bestehen sie aus mehreren Hard- und Softwarekomponenten (s. Abb. 1).
Im Modul eingebaute batteriebetriebene Minisensoren (MEMS-Sensoren) wie sie etwa auch in Smartphones oder KFZ-Sicherheitsmodulen enthalten sind, registrieren verschiedene physikalische Parameter. Dies können etwa geradlinige Beschleunigung oder Drehbewegung sowie thermische, akustische oder mechanische Signale sein. Diese Sensorsignale werden drahtlos zu einer App auf dem Smartphone des Patienten oder zu einem Speicher- und Sendemodul, einem sogenannten Gateway, in der Patientenwohnung übertragen. Bei manchen Systemen kann dieses so entstehende „therapeutische Tagebuch“ noch durch weitere manuelle oder digitale Eingaben des Patienten ergänzt werden [18].
Das Smartphone oder das Sendemodul übermittelt die verschlüsselten Daten auf ein Speichersystem, etwa eine Cloud-basierte Plattform der Vertriebsfirma der digital vernetzten Arzneiformen. Nur nach ausdrücklicher Freigabe durch den Patienten erhalten bestimmte Personenkreise ein Zugriffsrecht auf diesen Speicher. Die Daten werden etwa der Apotheke, dem behandelnden Arzt oder Angehörigen des Patienten als PDF-Bericht oder über ein Web-basiertes Dashboard zur Verfügung gestellt. Natürlich kann der Patient auch Texte und Grafiken vollständig oder teilweise ausdrucken und als Hardcopy weiterreichen [18].
Bei der drahtlosen Vernetzung werden verschiedene Übertragungstechnologien eingesetzt [18]. Zwei neue, auf 4G basierende Mobilfunkstandards ermöglichen künftig eine direkte Verbindung der digital vernetzten Arzneiformen mit der finalen Plattform, das als Gateway genutzte Smartphone oder Sendemodul kann also wegfallen. Diese modernen Übertragungstechnologien sind das LTE-M (Long Term Evolution for Machines) und NB-IoT (Narrow Band for the Internet of Things). Beide wurden für die mobile Konnektivität entwickelt und unterstützen das sogenannte Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Der Face-to-Face-Kontakt in der Apotheke mit dem Patienten bzw. seinem Betreuer soll keinesfalls reduziert oder gar ersetzt werden. Vielmehr wird der persönliche Fakten- und Erfahrungsaustausch mit Hilfe der zusätzlich gewonnenen Daten individualisiert und damit qualitativ verbessert. Die verbesserte Kommunikation nützt auch allen in das Netz der digitalen Arzneiform eingebundenen Personen. Also etwa dem Haus-, Fach- und Klinikarzt, weiteren Therapeuten oder den betreuenden Angehörigen. Gerade beim Beispiel der Inhalationsarzneimittel wird dieser erleichterte Datenaustausch auch von Pneumologen im Hinblick auf eine verbesserte Versorgung positiv gesehen. Wobei jedoch der Datenschutz und die Datenhoheit des Patienten besonders berücksichtig werden muss [20]. Darüber hinaus erfolgt auch ein Schritt in Richtung eines vernetzten Gesundheitsportals bzw. der elektronischen Patientenakte.
Praktische Umsetzung und Nutzung
Am Beispiel der ersten in Deutschland verfügbaren inhalativen digital vernetzten Arzneiform sollen weitere Vorteile eines solchen Systems verdeutlicht werden: Das Asthmapräparat Enerzair® Breezhaler® plus Sensormodul basiert auf dem marktüblichen Pulverinhalator Breezhaler® und einem auf den Inhalator aufsteckbaren elektronischen Modul mit drei mechanischen und einem akustischen Sensor (s. Abb. 2). Damit lassen sich die korrekte Fixierung des Sensormoduls, die Tastenbetätigung für die Kapselperforation und die Drehgeräusche der Kapsel bei ausreichender Inhalationsstärke sowie deren richtige Reihenfolge erfassen [21, 22]. Erst bei sachgerechter Ausführung dieser Anwendungsschritte speichert das Modul eine korrekte Inhalation. Die Signale der Sensoren werden mittels einer Bluetooth®-Verbindung zum Smartphone des Patienten übertragen. Die zugehörige App auf dem Handy (Propeller Health App) ergänzt die übermittelten Zeitpunkte einer korrekten Inhalation mit therapierelevanten Umwelt- und Klimadaten. Bei diesen von externen Institutionen (AccuWeather.com, BreezoMeter.com) abgerufenen Werten für die lokale klimatische Situation sowie die Pollen- und Schadstoffbelastung wird die jeweilige GPS-Position des Patientenhandys berücksichtigt. Damit kann die App eine individuelle Tagesprognose der Atemwegsbeschwerden für den Patienten kalkulieren. Weiterhin umfasst dieses so erstellte „elektronische Tagebuch“ die Nutzungsfrequenz des Notfall-Inhalators (z. B. Salbutamol-Dosieraerosol) und andere manuelle Eingaben des Patienten zu seinen aktuellen Belastungen und Symptomen [23, 24].
An die fällige Inhalation zum eingegebenen Zeitpunkt erinnert die App jeweils durch eine Tonfolge vom Sensormodul und/oder durch eine Push-Nachricht. Ein günstiger Nebeneffekt der Positionsbestimmung des Inhalators bei der Synchronisierung mit dem Smartphone besteht darin, dass der Inhalator mithilfe der App rasch geortet werden kann, falls er mal verlegt wird. Auch ein in dieser Situation vom Sensor abgegebener „Lokalisierungston“ erleichtert sein Wiederfinden [24].
Wöchentlich und monatlich übermittelt die App per E-Mail dem Asthmapatienten seinen Statusbericht mit den jeweils aufgelaufenen App-Daten. Diesen Ausdruck kann er an seinen Arzt, seinen Apotheker oder eine andere Vertrauensperson weiterleiten. Das Sensormodul des Enerzair® Breezhalers® hat ebenso wie die Sensormodule von anderen Arzneiformen, etwa zu parenteralen Zufuhr, den Status eine Medizinproduktes [19].
Eine Reihe von Unternehmen entwickeln derzeit Konzepte für digital vernetzte Arzneiformen mit unterschiedlichen Anwendungsrouten. Einige entsprechende Inhalationssysteme zeigt die Tabelle. Alle dort genannten Systeme haben eine Erinnerungsfunktion, manche kontrollieren auch Anwendungsschritte. Teilweise haben sich diese Inhalatoren bisher schon im Rahmen klinischer Prüfungen bewährt und werden nun an den Patientenalltag angepasst. Auch werden einige Systeme über zusätzliche, ebenfalls vernetzte Lungenfunktions-Prüfgeräte verfügen, z. B. einem Peak-flow-Meter, aber auch Fluss- und Volumensensoren zur Bestimmung weiterer Parameter der forcierten Ausatmung (Einsekundenkapazität, Vitalkapazität) [25]. Ein aktueller Review-Artikel für die Zeitspanne von 2010 bis 2021 nennt knapp 20 Studien aus dem pneumologischen Bereich, die über positive klinische Outcomes durch digital vernetzte Inhalatoren berichten [26]. Unter die verbesserten klinischen Parameter fallen etwa
- Zahl der symptomfreien Tage,
- seltener Gebrauch des Notfalldosieraerosols und
- niedrige Hospitalisierungsraten.
Die Hälfte dieser Studien behandelt auch unterschiedliche Adhärenzaspekte, von denen wiederum die Hälfte belegen, dass digital vernetzte Arzneiformen die Adhärenz signifikant verbessern. Vier dieser Studien sind randomisiert kontrollierte Studien oder Open-label randomisiert kontrollierte Studien mit einer gemessenen Steigerung der Adhärenzquoten von durchschnittlich 28%. Die Endwerte der Adhärenzraten in den jeweiligen Interventionsgruppen liegen dabei zwischen 69 und 84%. Die Beobachtungszeiträume betragen in allen vier Studien bedauerlicherweise nur sechs Monate [27 – 30].
Es ist offensichtlich, dass die kontinuierliche automatische Bestimmung der Medikationsadhärenz mittels digital vernetzter Arzneiformen aussagekräftigere Befunde ermöglicht als konventionelle Messmethoden wie etwa Tagebucheintragungen, Restmengenbestimmungen oder mechanische Zählwerke [2, 31]. In einer Studie mit 184 COPD-Patienten betrug die Adhärenzquote bei einer Prüfung auf Basis von Patientenberichten 59%. Wurde die Adhärenz mittels eines digitalen Monitoring-Systems bestimmt, lag die Quote dagegen nur noch bei 23%. Nur 7% der Patienten hatten dabei eine differenzierte Adhärenzquote von über 80%. Das hier eingesetzte digitale System (Inca®) überträgt die Befunde zwar nicht drahtlos, entspricht aber in seinen übrigen Funktionen den digital vernetzten Inhalatoren [11, 32].
Digital vernetzte Arzneiformen können helfen, die Inhalationstechnik eines Patienten zu verbessern, indem sie die Durchführung verschiedener kritischer Handhabungsschritte kontinuierlich monitoren und Fehler umgehend signalisieren und auch dokumentieren. Je nach vorliegendem Device ist dies beispielsweise für folgende Anwendungsaspekte möglich:
- ausreichend intensives Schütteln eines Suspensionsdosieraerosols,
- jeweils richtige Position eines Pulverinhalators bei der Vorbereitung und bei der Inhalation,
- richtige Intensität und Dauer des Inspirationsflows, z. B. bei Dosieraerosolen oder Pulverinhalatoren,
- richtige Reihenfolge verschiedener Bedienungsschritte an einem Pulverinhalator, z. B. erst Perforieren einer Inhalationskapsel und anschließendes Inhalieren, und
- richtiger zeitlicher Abstand zwischen Gebrauch zweier unterschiedlicher Inhalatoren, z. B. Controller und Reliever.
Die Schüttelintensität z. B. bei einem Dosieraerosol lässt sich mit Beschleunigungssensoren einfach und exakt erfassen (Abb. 4). Ebenso scheinen spezifische Kippbewegungen des Inhalators für das Monitoring nutzbar. Eine mit der Inhalation simultane Messung des Inspirationsflusses und seiner Dauer erlauben derzeit nicht alle Devices, doch ist dieses Feature für weitere Systeme geplant, die sich in der Entwicklung befinden (Tab. 1) [33]. Die Messung basiert dabei auf einer digitalen Analyse der Ansaug- und Fließgeräusche der Einatmungsluft [22, 34]. Auch andere Anwendungsschritte lassen sich durch ihre „akustische Signatur“, wie etwa charakteristische Klick- oder Einrastgeräusche sicher verfolgen [12, 24]. Weitere Konzepte für das Monitoring des gesamten Inhalationsvorganges werden derzeit von verschiedenen Unternehmen entwickelt.
So konnte gezeigt werden, dass bei der Mehrheit eines Patientenklientels, das zwei verschiedene, jeweils digital vernetzte Inhalatoren nutzte, beispielsweise die Abstände zwischen den zeitlich aufeinander folgenden Inhalationen mit diesen beiden Inhalatoren viel zu kurz waren (Zeitintervalle < 15 Sekunden). Also etwa zu geringe Abstände zwischen dem Auslösen eines Controller-Pulverinhalators und eines Reliever-Dosieraerosols [35]. Allein ein ordnungsgemäßes Inhalationsmanöver des Pulverinhalators und die Vorbereitung der zweiten Inhalation mit einem Suspensionsdosieraerosol würden mindestens eine halbe bis eine Minute erfordern. Wird dieser Fehler erkannt, so können die Patienten in der Apotheke direkt darauf hingewiesen bzw. entsprechend geschult werden.
Unternehmen | System | koppelbares oder integriertes Sensormodul | Einsatz bei folgenden Inhalatoren | Monitoring der Inhalationstechnik möglich | Interface für Patienten/Fachkreise | im Handel befindliche Präparate | Literatur |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Adherium Ltd. (NZ) | Hailie™ | koppelbares Sensormodul | u. a. Dosieraerosol, Diskus®, Handihaler® Turbuhaler® | nein | App/Dashboard | u. a. Turbu+™ (A, AU, I, NL, UK) | [24, 26] |
Amiko (I) | Respiro® | koppelbares/ integriertes Sensormodul | u. a. Dosieraerosol, Diskus®, Handihaler®, Turbohaler® | ja | App/Dashboard | – | [24, 26, 37] |
Aptar Group Inc. (USA)Cohero Health Inc. (USA) | Hero Tracker | koppelbares Sensormodul | u. a. Dosieraerosol, Diskus® | ja | BreathSmart® App/ Breath-Smart®-Connect Dashboard | – | [24 – 26] |
Cognita Labs (USA) | CapMedic® | koppelbares Sensormodul | Dosieraerosol | ja | App/Dashboard | – | [24] |
FindAir (PL) | FindAir ONE | koppelbares Sensormodul | Dosieraerosol | ja | FindAir-App/ FindAir-Platt-form | – | [24] |
Pari GmbH (D) | eTrack® | integriertes Sensormodul | eFlow® | ja | Pari Connect App/ Paritrack® Dashboard | – | [38] |
Propeller Health (USA) | Propeller Sensor | koppelbares Sensormodul | u. a. Dosieraerosol, Respimat®, verschiedene Pulverinhalatoren | ja | Propeller-App/PDF-Berichte, Dashboard | u. a. Enerzair® Breezhaler® (D) | [19, 26] |
Teva Pharmaceutical Inc. (USA) | Digihaler® | integriertes Sensormodul | Dosieraerosol | ja | Digihaler® App/dashboard | AirDuo® Digihaler, ArmonAir® Digihaler, ProAir® Digihaler (USA) | [24, 26] |
Monitoring mehrerer Parameter verspricht Erfolg
Medikationsadhärenz und Inhalationstechnik eines Patienten sollten nicht isoliert betrachtet werden. Nur durch kombiniertes Monitoring beider Parameter zusammen mit der Erhebung weiterer klinischer Befunde (z. B. spirometrischer Parameter) können das häusliche Selbstmanagement und der Krankheitsverlauf beurteilt werden [10]. Diese Bewertung ist Voraussetzung für eine individuelle pharmazeutische Betreuung. In diesem Zusammenhang ist auch die indirekte Verknüpfung von Adhärenz und Applikationstechnik zu berücksichtigen. Also etwa der mögliche Einfluss einer schlechten Anwendungstechnik auf die Non-Adhärenz [36]. Manche Autoren subsumieren fehlerhafte Anwendungstechniken auch unter Non-Adhärenz [2].
Im Einzelfall ist es auch möglich, in der Apotheke konzipierte digital vernetzte Arzneiformen für spezielle patientenindividuelle Problemstellungen einzusetzen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Mikrosensoren und Übertragungsmodule sind im Elektronikhandel verfügbar und von entsprechend geübten Personen zu einem Monitoring-System kombinierbar. Auch können Überwachungssysteme, die in anderen Bereichen der Technik oder des Logistikwesens eingesetzt werden, manchmal durch Konfigurationsänderungen an das jeweilige pharmazeutische Problem angepasst werden [18]. So ermöglichen beispielsweise kleinvolumige LTE-vernetzte Tracker für Transportcontainer das kontinuierliche Überwachen von Kipp- und von Schüttelbewegungen eines Inhalators. Also etwa das leichte Neigen eines Pulverinhalators bei seiner Anwendung oder das unterschiedlich intensive Beschleunigen eines Dosieraerosols in Richtung der z-Achse beim zum Mund führen oder beim Umschütteln. Auf diese Weise können die Anwendungszeitpunkte beider Devices und das ausreichend intensive Schütteln des Dosieraerosols kontrolliert werden. Abbildung 5 zeigt die Monitoring-Aufzeichnung am PC unserer Apotheke eines entsprechenden Testlaufs mit einem Diskus® Inhalator (Salmeterol/Fluticason, zweimal täglich) und einem Notfall-Dosieraerosol (Salbutamol). Man erkennt in der wiedergegebenen Woche verordnungskonforme Anwendungszeitpunkte des Pulverinhalators (A: Signale für das Neigen des Gerätes), aber auch eine nicht erfolgte Inhalation am Tag 6 abends. Erkennbar ist an Tag 6 nur eine Anzeige für das morgendliche Neigen (leichtes Kippen des Diskus bei der Anwendung als Zeichen einer Inhalation), die Anzeige eines Kippens für die abendliche Inhalation fehlt. Die untere Abbildung (B) zeigt durch Messung der Beschleunigung, dass das Bedarfs-Dosieraerosol zweimal in der Nacht eingesetzt wurde, einmal mit und einmal ohne ausreichendes Umschütteln des Suspensionspräparates: Die gemessene Beschleunigung lag nur bei etwa 1,5 g, für ein ausreichendes Schütteln muss sie mindestens 2 g betragen. Vermutlich hat der Patient das Dosieraerosol nur vom Tisch zum Mund bewegt. Das objektive Erfassen der Anwendungsfrequenz des Salbutamol-Inhalators ist für die Beurteilung der Therapie von besonderer Bedeutung. Die im Patientenalltag meist nicht definierte Schüttelintensität lässt sich mit der gemessenen Beschleunigung (in [g]) exakt charakterisieren und erforderlichenfalls beim Patienten korrigieren. Die manuelle Auswertung dieses Monitorings kann durch einen IT-gestützten Algorithmus mit spontaner und/oder wöchentlicher Meldung vereinfacht werden.
Damit eröffnet sich ein hochinteressantes Aufgabengebiet für Gesundheitsberufe. Hierbei ist eine kontinuierliche Wartung und Aktualisierung der digital vernetzten Inhalatoren in steter Rücksprache mit dem Arzt und in persönlichem Kontakt mit dem Patienten erforderlich. Vor-Ort-Apotheken sind hierfür prädestiniert und sollten ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an diesen Systemen deutlich artikulieren. Und zwar gegenüber pharmazeutischen Unternehmern, Krankenkassen, der Ärzteschaft und auch gegenüber entsprechenden Patienten. Die Funktionskontrolle und Pflege der digital vernetzten Inhalationssysteme und die Betreuung des Patienten bei deren Gebrauch sind originäre pharmazeutische Dienstleistungen. |
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