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Türöffner zum digitalen Ökosystem

Warum die Beratung zu DiGA, DiPA und Co. auch in die Apotheke gehört

Deutschland ist international bekannt für sein Gesundheitssystem und eine Versorgung auf höchstem Niveau. Doch der demografische Wandel in der Ärzteschaft, der Fachkräftemangel in der Pflege sowie Versorgungslücken im länd­lichen Bereich stellen das System und deren Beschäftigte zunehmend vor große Herausforderungen. Neue, beispielsweise digitale Versorgungsansätze werden deshalb zunehmend wichtiger. Weshalb Apotheken prädestiniert dafür sind, im Bereich digitaler Gesundheits- und Pflegeanwendungen kompetent zu beraten, beleuchtet der folgende Beitrag.

Trotz zahlreicher innovativer Ideen wird das digitale Potenzial im Gesundheitswesen noch nicht vollends ausgeschöpft. Auch nicht in Apotheken, die eigentlich seit Langem mit digitalen Prozessen vertraut sind. Mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) will der Gesetzgeber nun wichtige neue Anknüpfungspunkte schaffen: Versicherte sollen sich künftig mit ihrem Ausweis in Apotheken identifizieren, um Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI), wie die E-Rezept-App oder die elektronische Patientenakte (ePA), nutzen zu können. Es wäre daher naheliegend, im nächsten Schritt auch die Beratung zu weiteren digitalen Angeboten wie digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in der Apotheke zu ermöglichen.

Foto: Production Perig/AdobeStock

Konservative Therapien digital umgesetzt

Seit mittlerweile mehr als zwei Jahren existiert mit den digitalen Gesundheits­anwendungen (DiGA) ein neuer Versorgungsbereich. Als DiGA werden Anwendungen bezeichnet, die im Wesentlichen auf digitalen Technologien beruhen und Patientinnen und Patienten dabei unterstützen, Erkrankungen zu erkennen, zu überwachen oder zu behandeln bzw. zu lindern. Ebenso können sie dazu dienen, Strukturen oder Prozesse rund um die medizinische Versorgung zu verbessern, beispielsweise indem sie die Adhärenz erhöhen. Sie können als App oder Desktop-Variante angelegt sein und werden von Patienten eigenständig oder auch zusammen mit ihren Behandlerinnen und Behandlern genutzt.

DiGA sind per Definition CE-gekennzeichnete Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa, womit sie sich deutlich von anderen, frei zugänglichen oder kostenfreien Gesundheitsapps auf dem Markt unterscheiden. Bei entsprechender Diagnose kann eine DiGA von der behandelnden Fachperson (Arzt/Ärztin oder Psychotherapeut/in) auf Kassenrezept verordnet werden. Um die Anwendung nutzen zu können, ist ein individueller Freischaltcode erforderlich, den die Krankenkasse nach Einreichung des Rezepts aushändigt. Auch ohne Verordnung können Patienten die Nutzung einer DiGA bei ihrer Krankenkasse beantragen, sofern eine passende Diagnose gestellt wurde. Da in diesem Fall kein Vorab-Gespräch stattfindet, könnte die Beratung wiederum gut durch eine Apotheke übernommen werden.

Bisher sind insgesamt 33 DiGA vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Sie decken eine große Vielfalt an Indikationen ab. So gibt es Anwendungen für die Behandlung von Rücken-/Gelenkschmerzen, für Patientinnen und Patienten mit Adipositas, DiGA für neurologische Erkrankungen, psychische Erkrankungen sowie für onkologische Erkrankungen. Trotz dieser enormen Vielfalt ist allen DiGA gemein, dass sie konserva­tive Therapien bieten, zeit- und ortsunabhängig genutzt werden können und Leitlinienwissen in ein digitales Umfeld übertragen. DiGA ermöglichen außerdem eine Nachverfolgung des Behandlungsfortschritts und bieten vielfach individualisierte Therapieansätze.

Apothekerinnen und Apotheker sind Fachpersonen für Medizinprodukte – und somit auch für digitale Gesundheitsanwendungen. Es ist daher nur sinnvoll und schlüssig, dass eine Beratung zu DiGA künftig auch in der Apotheke vor Ort angeboten wird.

Die digitalen Programme eignen sich sowohl als First-Line-Therapie, wenn noch keine Medikation erforderlich ist. Sie können aber ebenso gut als Begleitung einer pharmazeutischen Therapie eingesetzt werden. Manche Anwendungen aus dem DiGA-Verzeich­nis wurden gezielt dafür entwickelt, die Adhärenz zu steigern, also die Medikation für eine bestimmte Erkrankung zu verbessern. Auch die Stärkung der Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten kann mithilfe von DiGA erreicht werden: Wird beispielsweise eine Medikation engmaschig durch eine DiGA begleitet, kann diese zu einer Reduzierung der Nebenwirkungen beitragen.

Ein Beispiel aus der Krebstherapie: Bei einer oralen Antitumortherapie haben Versicherte seit Neuestem Anspruch auf eine besondere pharmazeutische Betreuung durch Apotheken, die diese Leistung durch die Krankenkassen vergütet bekommen. Hier kann eine ergänzende Therapiebegleitung durch eine DiGA mit onkologischem Schwerpunkt sinnvoll sein. Es gibt also nicht nur zahlreiche Ansatzpunkte, an denen die Einbindung von DiGA in den Service durch die Apotheke vor Ort sinnvoll ist. Apothekerinnen und Apotheker können durch ihre kompetente Beratung zu digitalen Programmen auch eine sehr wichtige Rolle im digitalen Ökosystem spielen und Patienten als persönliche Ansprechpartner zur Seite stehen. So tragen sie nicht nur bei analogen Medizinprodukten oder Arzneimitteln, sondern auch bei DiGA zu einem höheren Behandlungserfolg oder mehr Adhärenz bei. Noch fehlt allerdings die gesetzliche Grundlage, damit diese Leistung von den Apotheken erbracht werden kann. Passend dazu stellte der Apothekerverband Berlin bereits einen Antrag beim Deutschen Apothekertag, die Beratung zu DiGA in die Hände der Apotheken zu legen – und eine entsprechende Vergütung zu schaffen.

Pflege digital unterstützen

Mit digitalen Pflegeanwendungen, kurz DiPA, entsteht nach den DiGA gerade ein weiterer digitaler, gänzlich neuer Versorgungsbereich. Statt zur Linderung oder Therapie von Erkrankungen sind DiPA für den Einsatz im pflegerischen Umfeld gedacht: Sie sollen Pflegebedürftige darin unterstützen, ihren Zustand zu verbessern oder zumindest zu stabilisieren und einfacher mit pflegenden Angehörigen oder Fachkräften zu kommunizieren. Auch DiPA müssen wesentlich auf digitalen Technologien beruhen. Im Gegensatz zu DiGA müssen sie jedoch keine Medizinproduktezertifizierung vorweisen. Die Anwendungen sind für die Pflegegrade 1 bis 5 zugelassen und müssen einen pflegerischen Nutzen nachweisen. Dieser kann in einem von insgesamt sechs Bereichen erbracht werden: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung und Haushaltsführung, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte oder Umgang und Bewältigung von krankheits­bedingten Anforderungen und Belastungen. Die gesetzliche Grundlage für DiPA wurde bereits geschaffen: Ein Referentenentwurf für die entsprechende Gesetzesverordnung, kurz DiPAV, liegt vor und wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres fertiggestellt. Die ersten Zulassungen digitaler Pflegeanwendungen werden Anfang 2023 erwartet. Nicht nur bei akuten oder chronischen Erkrankungen ist die Apotheke die erste Anlaufstelle für viele Menschen. Auch Menschen mit Pflegebedarf oder deren Angehörige wenden sich mit ihren Anliegen und Fragen oft zuerst an die Apotheke vor Ort. Sei es, um sich mit Pflegehilfsmitteln oder Inkontinenzprodukten versorgen zu lassen oder um sich bezüglich weiterer Versorgungs- und Beratungsangebote zu informieren. Es ist also nur folgerichtig, dass Apothekerinnen und Apotheker künftig auch kompetent zu DiPA beratend tätig sind. Denn auch DiPA können zur Stabilisierung der häuslichen Pflegesituation beitragen.

Fazit

Ihre Funktion als Berater für Medizinprodukte sollten Apothekerinnen und Apotheker künftig auf digitale Produkte wie DiGA und DiPA erweitern. Denn Niedrigschwelligkeit und Nähe zu den Patientinnen und Patienten können sie sich auch jenseits von digitalen Impfzertifikaten oder dem E-Rezept zunutze machen. Zum Beispiel, indem sie eine „analoge Starthilfe” für all jene bieten, die digitale Lösungen nutzen möchten, aber noch Unterstützung benötigen. So werden Apotheken zum wichtigen hybriden Anker, der digitale und analoge Versorgung verbindet. Dank fachlicher Expertise und Beratungskompetenz können Apothekerinnen und Apotheker vielen Menschen den Zugang zu einem digitalen Ökosystem der Gesundheitsversorgung erleichtern – sei es durch die Beratung zu digitalen Produkten oder durch telepharmazeutische Services. |

Autorinnen

Dr. Anne Sophie Geier, Geschäftsführerin Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung e. V. (SVDGV)

Dr. Meike Appelrath, Geschäftsleitung Migasa GmbH & Co. KG

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