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COVID-19
Corona-Schnelltests auf dem Prüfstand
Nur wenige sind gut
Der wohl wichtigste Faktor bei der Auswahl eines guten Antigen-Schnelltests ist das Abschneiden in Hersteller-unabhängigen Evaluierungsstudien, wie sie für die Aufnahme in die EU-Common List of Coronavirus Rapid Antigen Tests (RAT, Common-RAT-List) des Gesundheitssicherheitsausschusses der Europäischen Union gefordert wird [1]. Die EU-Liste, welche die vergleichende Evaluierung beim Paul-Ehrlich-Institut abgelöst hat, fordert eine in unabhängigen Feldstudien gezeigte Sensitivität von über 80% beim Testen unselektierter symptomatischer Personen innerhalb der ersten sieben Tage nach Symptombeginn, oder eine Sensitivität von 90% oder mehr bei Patienten mit einem Ct-Wert < 25 im PCR-Test. Darüber hinaus muss die Spezifität über 98% liegen (WHO: 97%).
Wünschenswert wären auch Vergleiche verschiedener Tests unter gleichen Studienbedingungen. Diese sind dünn gesät, wie der diesjährige Cochrane-Report zur diagnostischen Genauigkeit von Point-of-Care-Antigen-Schnelltests zur Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion feststellt [2]. Die Cochrane COVID-19 Diagnostic Test Accuracy Group hat in ihrem 875-seitigen Report – ein Update vom ersten Review aus 2020 – 152 Studien aus Europa oder den USA ausgewertet. Einschluss- und Auswertungskriterien waren breit angelegt: Personen mit oder ohne COVID-19-Symptome, mit vermuteter, bestätigter oder ausgeschlossener SARS-CoV-2-Infektion, die Antigentests konnten im Krankenhaus, einem lokalen Testzentrum oder zu Hause gemacht werden. Die Ergebnisse wurden mit RT-PCR-Tests (RT-PCR: Reverse-Transcription Polymerase Chain Reaction) abgeglichen. 49 verschiedene Antigentests wurden anhand von 100.462 Nasen- oder Rachenabstrichen bewertet. Nur in 23 Studien wurden direkt zwei oder mehr kommerzielle Testmarken verglichen.
Testgenauigkeit kennt viele Einflussfaktoren
Die Ergebnisse wurden getrennt nach symptomatischen und asymptomatischen Personen ausgewertet:
- Bei PCR-bestätigter SARS-CoV-2-Infektion diagnostizierten die untersuchten Antigentests die Infektion bei durchschnittlich 73,0% der Teilnehmer mit Symptomen korrekt, verglichen mit 54,7% bei asymptomatischen Teilnehmern.
- Bei Personen ohne Symptome waren die Tests bei jenen am zuverlässigsten, die wahrscheinlich mit einer COVID-19-positiven Person in Kontakt gekommen waren (Sensitivität hier 64%).
- Die Sensitivität der Tests verhielt sich proportional zur Viruslast: Sie lag um die 70% im Bereich von 105 bis 106 Viruskopien/ml und war bei 104 bis 105 Viruskopien/ml schon halbiert.
- Dementsprechend war die Sensitivität der Tests höher, wenn sie zeitnah zum Auftreten erster Symptome stattfanden; in der ersten Woche lag sie bei 80,9%, in der zweiten Woche nur noch bei 48,9%.
- Die Tests waren zuverlässiger, wenn sie in Testzentren durchgeführt wurden (Sensitivität 82,8%).
- Die Spezifität der Tests erreichte 99,1 bis 99,5% bei symptomatischen Personen, bei asymptomatischen über 99,5%.
- Bei den Teilnehmern ohne SARS-CoV-2-Infektion schlossen Antigentests die Infektion bei 99,6% der Teilnehmer mit Symptomen und 99,7% der Teilnehmer ohne Symptome korrekt aus.
- Die durchschnittliche Sensitivität der Tests lag bei Kindern mit 62,7% rund 10 Prozentpunkte unter der von Tests bei Erwachsenen, obgleich die Viruslast als ähnlich gilt.
Erhebliche Leistungsunterschiede
Wurden die Tests in den Studien entsprechend der Gebrauchsinformation durchgeführt (was nicht immer der Fall war), so erfüllten lediglich sieben Testmarken die Performance-Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit einer „akzeptablen“ Sensitivität > 80% und einer Spezifität > 97%. Diese wurden als „akzeptabel“ für die Bestätigung und den Ausschluss von COVID-19 bei Personen mit Anzeichen und Symptomen von COVID-19 eingestuft. Nur zwei Testkits (LumiraDx, Mologic) überschritten die „wünschenswerte“ Empfindlichkeit von 90%. Die geforderte Mindestspezifität von 97% erreichten 17 von 20 der entsprechend der Gebrauchsinformation verwendeten Testkits (s. Tab.).
Test | Sensitivität % (95%-Konfidenzintervall) | Spezifität % (95%-Konfidenzintervall) | Zahl der Studien/Proben | gelistet in EU-Common-RAT-List(Identifikations-Nr.) |
---|---|---|---|---|
BinaxNow COVID-19 Ag card (Abbott) | 80,9 (KI 67,6 – 89,6) | 99,9 (KI 99,5 – 100) | 4 / 2018 | nein* (gelistet ist der Abbott Panbio™ COVID-19 Ag Rapid Test) |
NowCheck (Bionote) | 89,5 (KI 84,1 – 93,2) | 97,7 (KI 95,8 – 98,8) | 2 / 618 | 1242 |
QuickNavi (Denka Co) | 84,2 (KI 66,2 – 93,5) | 100 (KI 99,8 – 100) | 2 / 1633 | nein |
LumiraDx (LumiraDx GmbH) | 91,2 (KI 70,0 – 97,9) | 98,6 (KI 97,2 – 99,3) | 2 / 741 | 1268 |
Standard Q COVID-19 Ag Test/SARS-CoV-2 Rapid Antigen-Test (SD Biosensor/Roche) | 84,0 (KI 79,2 – 87,9) | 99,2 (KI 98,8 – 99,4) | 15 / 5116 | 2052 |
COVID-19 Rapid Ag (Mologic) | 90,6 (KI 85,6 – 94,3) | 100 (KI 99,2 – 100) | 1 / 650 | 2640 |
Clinitest (Siemens) | 80,2 (KI 70,6 – 87,7) | 100 (KI 95,8 – 100) | 1 / 1178 | nein |
Kein Test erfüllte die WHO-Norm, wenn er bei Personen ohne Symptome durchgeführt wurde. Am besten schnitten in dieser Gruppe Denka Co-QuickNavi und LumiraDx ab.
Unter den seltenen Head-to-head-Vergleichen wurden relativ häufig (neun Studien) die großen Diagnostikanbieter Roche und Abbott gegenübergestellt. Die Ergebnisse deuten auf eine höhere Sensitivität und geringere Spezifität beim Roche Standard Q-Assay (basierend auf 3301 Proben) im Vergleich zu Abbott Panbio (basierend auf 3895 Proben) hin. Die Sensitivität betrug 64,4% vs. 56,7%, die Spezifität 97,5% vs. 99,5%.
Eine Studie verglich beim Roche Standard Q COVID-Assay die Kits für nasale und nasopharyngeale Probenahme. Deren Sensitivität erwies sich hier mit 85% (nasal) bzw. 83% (NP) als ähnlich.
Die Cochrane COVID-19 Diagnostic Test Accuracy Group nimmt für sich in Anspruch, eine der umfassendsten Auswertungen zu Leistungsparametern von Antigentests vorzunehmen. Nichtsdestotrotz werden unabhängige Validierungen von mehreren Zentren veröffentlicht und mit Updates versehen, unter anderem vom Universitätsklinikum Heidelberg auf der Webseite Diagnostics Global Health unter Federführung von Priv.-Doz. Dr. Claudia M. Denkinger [3] sowie von der Foundation for Innovative Diagnostics (FINDDx)] [4].
Wie sicher ist der „Goldstandard PCR“ im Alltag?
Für die sichere Detektion einer akuten Infektion mit SARS-CoV-2 werden weltweit verschiedene qRT-PCR-Assays (quantitative Reverse-Transcription Polymerase Chain Reaction) eingesetzt. qRT-PCR-Assays arbeiten quantitativ und liefern einen Anhalt über die Viruslast in der Probe: Der Ct-Wert (Cycle-Treshold-Wert) gibt die Zahl der Vervielfältigungszyklen an, die im Rahmen der Polymerase-Kettenreaktion benötigt werden, um die Virusgene nachzuweisen. Bei einer hohen Viruslast ist dies nach weniger Zyklen der Fall (Ct-Wert < 30). Ein Ct-Wert > 30 deutet auf eine geringe Viruslast hin, da wesentlich mehr Messzyklen notwendig sind, um das Virus nachzuweisen. Die Beziehung zwischen Ct-Werten und Viruslast variiert allerdings zwischen Maschinen und Labors und auch PCR-Assays, selbst wenn dieselben genetischen Ziele verwendet werden. Ein Practice Pointer im British Medical Journal wies darauf hin, dass selbst bei den sensiblen PCR-Test-Assays in der Praxis nur mit einer Sensitivität von 70% und Spezifität von 95% zu rechnen sei [6]. Indes entspricht nach der Erfahrung von Prof. Dr. med. Christoph Lübbert, Leiter des Klinikbereichs Infektiologie an der Medizinischen Klinik II, Uni Leipzig, eine 95%ige Spezifität nicht der Laborroutine in Deutschland. Ringversuche hätten gezeigt, dass die Spezifitäten der verwendeten SARS-CoV-2-PCR-Tests 97 bis 100% erreichen. Dies schließe auch Spezifitätsanalysen gegenüber anderen humanpathogenen Coronaviren ein. Die Sensitivität erreiche quasi 100%, der positive Vorhersagewert bei einer Prävalenz von 1% in der Bevölkerung liege bei 99,1%. Verantwortlich für echte falsch positive Fälle seien neben Probenverwechslungen vermutlich Verunreinigungen im Rahmen der Präanalytik [16].
Von der Sensitivität zum Vorhersagewert
Um die wirkliche Erkrankungswahrscheinlichkeit nach einem Test zu beurteilen, sollte die Vortestwahrscheinlichkeit hinzugezogen werden, mahnt das Robert Koch-Institut [5]. Hier gehen die klinische Einschätzung der getesteten Person sowie die Prävalenz der Erkrankung in der Population ein. Wer aus einem Umfeld niedriger COVID-19-Prävalenz kommt, hat per se eine niedrigere Vortestwahrscheinlichkeit, wer keine typischen Symptome aufweist, ebenso.
Der positive Vorhersagewert (Positive Predictive Value, PPV) eines Tests basiert auf der (in Studien ermittelten) Sensitivität und Spezifität und variiert in Abhängigkeit von der Vortestwahrscheinlichkeit. Um deren starken Einfluss auf den Vorhersagewert deutlich zu machen, haben die Cochrane- Autoren Prävalenzen von SARS-CoV-2-Infektionen von 5%, 10% und 20% gegenübergestellt.
Die durchschnittliche Sensitivität der Antigentests im Cochrane-Report lag für Personen, die in der ersten Woche nach Beginn der Symptome getestet wurden, bei 80,9%, die Spezifität bei 99,5% (s.o.). Richtig positiv getestet werden damit bei einer Prävalenz von 5% 40 der 50 infizierten Personen, falsch negativ sind zehn Ergebnisse. Richtig als gesund erkannt werden 945 von 950 Personen, falsch positiv bleiben fünf. Der positive Vorhersagewert berechnet sich als Quotient aus der Zahl der richtig positiv Getesteten (40) und der Summe aller Personen mit positivem Testergebnis (40 + 5 = 45); er liegt also bei einer Vortestwahrscheinlichkeit von 5% bei 0,89. Bei 10%-Prävalenz erreichte er entsprechend 0,95, bei 20% wären es 0,98.
Die Berechnungen lassen sich mithilfe von Internetrechnern einfach durchführen und ergeben Vorhersagewerte über zu erwartende Erkrankungswahrscheinlichkeit für verschiedene Szenarien, jeweils in Abhängigkeit von der Vortestwahrscheinlichkeit [6]. Zum Beispiel lag im Cochrane-Report bei asymptomatischen Patienten, die aber Kontakte mit Infizierten hatten (geschätzte Vortestwahrscheinlichkeit 0,5%), der Vorhersagewert eines positiven Antigentests nur noch bei 52%. Das RKI betont, dass Antigentests sich nicht zur Anwendung bei Kontaktpersonen eignen, um in eigener Verantwortung eine Quarantäne zu umgehen oder zu verkürzen. Die Zusammenhänge unterstreichen, dass ein positives Ergebnis im Antigentest grundsätzlich mittels PCR oder PoC-NAT bestätigt werden muss.
Korrekte Anwendung ist entscheidend
Dass Selbsttests mit Nasalabstrich auch in Laienhand grundsätzlich funktionieren, belegte erstmals die Studie der Gruppe um A. Lindner an der Charité, Berlin: Von den 40 PCR-positiven Teilnehmern diagnostizierten sich 33 durch den Selbsttest richtig, entsprechend einer Sensitivität von 82,5%. Professionelle Tester waren im Vergleich nur 2,5% besser (Sensitivität 85%). Bei 29 Probanden mit sehr hoher Viruslast (> 107 Kopien/ml) entdeckten Laien wie Profis übereinstimmend 28, entsprechend 96,6% Sensitivität [7].
Indirekte Vergleiche aus dem Cochrane-Review differenzierten den Einfluss der Tester genauer. 78,8% Sensitivität erreichten die Schnelltests bei Durchführung durch Labormitarbeiter, 70% bei sonstigem Gesundheitspersonal. Auf nur 57,5% kam die Auswertung bei Selbsttests durch Laien.
Zweifelsohne besteht im Vergleich zu PCR-Tests eine größere Abhängigkeit der Aussagekraft von Antigen-Schnelltests von der Viruslast im Nasen-Rachenraum und damit von einer korrekten Probenentnahme sowie dem Zeitpunkt des Abstrichs im Verlauf der Infektion. Es lohnt ein genauer Blick in die Gebrauchsinformation: „Die Herstellervorgaben zur Anwendung müssen strikt eingehalten werden“, unterstreicht Prof. Dr. Jan Kramer, Facharzt für Laboratoriumsmedizin, Geesthacht. „Anwendungsfehler können immer zu verfälschten Ergebnissen führen, das reicht von falscher Lagerung, falscher Probeentnahme, z. B. zu wenig Material, über zeitliche Verzögerungen, Nichteinhalten der Testtemperatur bei Kälte, Hitze, Sonnenlicht, bis zum Nichteinhalten der Ablesefrist“ [8].
- Teststreifen und Reagenzien sind auf „Arbeitstemperatur“ bzw. „Raumtemperatur“ zu bringen.
- Manche Gebrauchsanleitungen schließen visuell blutige oder übermäßig viskose Proben aus.
- Die Anwendung abschwellender Sprays kann dazu führen, dass zu wenig Abstrichmaterial gewonnen wird.
- Falsch positive Befunde bei Nasalabstrichen treten relativ häufig als Kreuzreaktion durch eine bakterielle Besiedelung ohne Krankheitswert auf (z. B. Staphylokokken und Streptokokken).
Ein ganz wesentlicher Faktor für die Qualität des Ergebnisses ist die Temperatur. Im Arbeitsalltag gebe es zahlreiche Fälle, bei denen Unter- oder Übertemperatur (sowohl Lager- als auch Arbeitstemperatur) zu falsch positiven oder falsch negativen Ergebnissen führte, so Kramer.
Fünf-Tage-Fenster der Infektiosität
Ergebnisse von SARS-CoV-2-Tests sind Momentaufnahmen. Eine Infektiosität wird laut PEI ab einer RNA-Kopienzahl von 106 Viruspartikeln/ml respiratorischer Probe im PCR-Test angenommen, was dem Ct-Wert 25 entspreche. Antigentests seien positiv nur bei sehr hoher Viruslast im Nasen-Rachenraum, also bei einem Ct-Wert ≤ 25 [9].
Die virale Last folgt einer charakteristischen Kinetik mit steilem Anstieg und langsamem Abfallen (s. Abb. 1). Je näher der Testzeitpunkt am Beginn oder Ende der Kurve liegt, desto eher versagt der Schnelltest. Selbst wiederholte nicht quantitative Tests geben nur eine Annäherung an den Verlauf der Infektion. Das Fenster der Infektiosität im zeitlichen Bezug zum Symptombeginn zu bestimmen, wäre aber hilfreich, um Übertragungen vorzubeugen. Genau diese Fragen zu beantworten, war das Ziel der prospektiven Assessment of Transmission and Contagiousness of COVID-19 in Contacts (ATACCC)-Studie in Großbritannien [10]. Um den Infektionsverlauf bei natürlicher Ansteckung zu verfolgen, rekrutierten die Forschenden um S. Hakki 738 Kontaktpersonen von Indexfällen in britischen Haushalten. Bei 57 Kontaktpersonen, die sich mit SARS-CoV-2 angesteckt hatten, konnten sie von Beginn bis Abklingen der Infektion quantitative Bestimmungen von viraler RNA (durch PCR) und infektiösem Virus (mittels Virusanzucht) vornehmen. Zusätzlich wurden Antigentests (mit Innova LFD) durchgeführt. Die Ergebnisse:
- Die Phase der Infektiosität dauerte im Median fünf (drei bis sieben) Tage.
- Zwei von drei Infizierten hatten eine (reduziert) infektiöse Viruslast über fünf Tage hinaus, ein Viertel sogar über sieben Tage.
- Die Maxima von viraler RNA- und Viruslast wurden im Median drei Tage nach Symptombeginn erreicht.
- Zwei von drei Teilnehmern waren schon in der präsymptomatischen Phase PCR-positiv, von ihnen wies aber nur jeder fünfte eine infektiöse Viruslast auf.
- Die Sensitivität des Antigentests lag in der Anstiegsphase der Viruslast bei 67% (Konfidenzintervall [KI] 59 bis 75%), in der Abnahmephase bei 92% (KI 86 bis 96%). Laut der EU-Common-RAT-List hat der Innova-Test eine Sensitivität von 94% bei hoher Viruslast und eine Spezifität von 99,6%. Er sprach in dieser Untersuchung bei der Mehrzahl der Infizierten erst mit Beginn der Symptome an. Auf der anderen Seite blieb dieser Test im Median noch zwei Tage nach dem Ende der Infektiosität positiv, was auf Antigene aus Bruchstücken infizierter Zellen hindeutet. Die Autoren schlussfolgern, dass Antigentests in der Praxis eher beim Beenden der Quarantäne dienlich seien, weniger zur frühen Diagnose, es sei denn, sie werden täglich angewendet.
Erkennen Antigentests die neuen Varianten?
Das Prüflabor für In-vitro-Diagnostika am Paul-Ehrlich-Institut (PEI-IVD) hat im Zeitraum von Oktober 2020 bis Mai 2022 durch vergleichende experimentelle Untersuchungen die Sensitivität von in Deutschland angebotenen SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests für den professionellen Gebrauch untersucht (s. Abb. 2). Die Untersuchungen hätten keinen Anhaltspunkt ergeben, dass die Erkennung der Omikron-Variante durch SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests beeinträchtigt ist, schreibt das PEI auf seiner Internetseite. Eine Abfrage bei den Herstellern habe ergeben, dass rund 90% der Antigen-Schnelltests „konservierte“ Zielsequenzen (Epitope) für den Nachweis des N-Proteins verwenden, die nicht von Mutationen in der Omikron-Variante betroffen sind (Stand: 23. Februar 2022). Bei Tests, deren Antikörper-Binderegion (potenziell) mit Mutationsbereichen überlappt, solle eine Validierung der Omikron-Erkennung durch die Hersteller erfolgen; Tests ohne belastbare Angaben würden von der Liste gestrichen. Die Ergebnisse der „vergleichenden Evaluierung“ des Paul-Ehrlich-Instituts würden in der EU-Common List of Coronavirus Rapid Antigen Tests (RAT) berücksichtigt und seien darin im Hinblick auf die Empfindlichkeit der Tests bei der Erkennung sehr hoher Viruslasten (Ct-Wert ≤ 25) abgebildet [11].
Das PEI zitiert auch eine veröffentlichte Studie des National Institute of Health (NIH), die ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass die Omikron-Variante von den untersuchten Tests genauso gut erkannt wird wie die Delta-Variante. Eine vergleichbare Sensitivität für die Omikron- und die Delta-Variante wurde für den SD Biosensor- und den Abbott Panbio-Antigentest bei Ct-Werten unterhalb 24 gezeigt [12].
Nicht alle Forschergruppen kommen zu den beruhigenden Ergebnissen des PEI. Osterman A und Mitarbeiter aus München untersuchten neun SARS-CoV-2 Rapid Antigen Tests im Labor auf ihre Sensitivität bei 166 SARS-CoV-2 PCR-positiven klinischen Proben (101 Omikron, 65 Delta), die aus dem Zeitraum Oktober 2021 bis Januar 2022 stammten [13]. Acht der neun eingesetzten Tests stehen auf der EU-Common List of Coronavirus Rapid Antigen Tests. Für eine 50%ige Sensitivität mussten die Omikron-Konzentrationen im Bereich 106 bis 107 Kopien/ml liegen, bei Delta-haltigen Proben sprachen die Tests auf eine rund zehnfach niedrigere Viruskonzentration an. Andererseits ergaben die Tests mit Omikron- und Delta-Zellkulturen statt klinischer Isolate keine Unterbestimmung [13].
Die Gründe für Diskrepanzen in einigen Veröffentlichungen zur Frage der Omikron-Varianten könnten dieselben sein wie bei allen Studien zu Antigentests: Unterschiede in der Studienpopulation, von der klinische Proben genommen wurden, in der Methode und Korrektheit der Probenahme, der Probencharakterisierung, der Wahl der PCR-Methoden und deren Kalibrierung, der unzureichenden Übereinstimmung der PCR-Ergebnisse aus verschiedenen Labors, der Bedingungen der Probenlagerung und -vorbereitung etc. Nach der Erfahrung des Paul-Ehrlich-Institutes können insbesondere uneinheitliche Lagerbedingungen und Einfrier-/Auftauzyklen der Proben zu Schwankungen in den Ergebnissen führen [14]. |
Literatur
[1] EU-Common list of COVID-19 antigen tests. European Commission Directorate General for Health and Food Safety, https://health.ec.europa.eu/system/files/2022-07/covid-19_eu-common-list-antigen-tests_en.pdf
[2] Dinnes J, Sharma P, Berhane S et al. Cochrane COVID-19 Diagnostic Test Accuracy Group. Rapid, point-of-care antigen tests for diagnosis of SARS-CoV-2 infection. CochraneDatabase of Systematic Reviews 2022;7:Art. No.: CD013705, DOI: 10.1002/14651858.CD013705.pub3
[3] Rapid antigen tests for the diagnosis of a SARS-CoV-2 infection. Informationen des Universitätsklinikums Heidelberg, www.klinikum.uni-heidelberg.de/diagnostics-global-health
[4] SARS-CoV-2 diagnostics: performance data. FIND, the global alliance for diagnostics. www.finddx.org/covid-19/dx-data/
[5] Was ist bei Antigentests zur Eigenanwendung zum Nachweis von SARS-CoV-2 zu beachten? Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts (RKI) 2021;8:3-9
[6] Watson J, Whiting PF, Brush JE. Practice Pointer: Interpreting a covid-19 test result. BMJ 2020;369:m1808, www.bmj.com/content/369/bmj.m1808
[7] Lindner AK, Nikolai O, Kausch F et al. Head-to-head comparison of SARS-CoV-2 antigen-detecting rapid test with self-collected nasal swab versus professional-collected nasopharyngeal swab. European Respiratory Journal 2021;57(4):2003961, https:// doi.org/10.1183/13993003.03961-2020
[8] Schlenger R. Positiv, negativ, ungültig? POC-Test-Anwendungsfehler verhindern. DAZ online vom 7. Mai 2021, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2021/05/07/positiv-negativ-ungueltig
[9] Prof. Dr. K. Cichutek, Priv.-Doz. Dr. M. Nübling, Dr. H. Scheiblauer, C. Lübbing-Raukohl. Sensitivität der Antigentests gegenüber der Omikron-Variante. Exemplarische Untersuchung vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Robert Koch-Institut (RKI), Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikroBioBw), Presseworkshop, 24. März 2022
[10] Hakki S, Zhou J, Jonnerby J et al. Onset and window of SARS-CoV-2 infectiousness and temporal correlation with symptom onset: a prospective, longitudinal, community cohort study. Lancet Respir Med 2022, https://doi.org/10.1016/S2213-2600(22)00226-0, Published Online 18. August 2022
[11] Antikörper- und Antigentestung. Funktionieren die Antigentests auch für den Nachweis der Omikron-Variante? Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), www.pei.de/DE/service/faq/coronavirus/faq-coronavirus-node.html
[12] Molenkamp R, Igloi Z. Evaluation of Antigen rapid test and PCR test to Omicron variant. 2021, Erasmus MC - Akademisches Krankenhaus Rotterdam (AZR) und Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften (FGG), WHO collaborating centre for Arbovirus and HemorrhagicFever Reference and Research, Rotterdam
[13] Osterman A, Badell I, Basara E et al. Impaired detection of omicron by SARS-CoV-2 rapid antigen tests. Med Microbiol Immunol 2022;211(2-3):105-117, doi: 10.1007/s00430-022-00730-z, Epub 20. Februar 2022
[14] Results from the Paul-Ehrlich-Institut and Robert Koch-Institut (RKI) on the Ability of Rapid Antigen Tests to Detect the Omicron Variant. Many rapid tests detect Omicron. Statement des Paul-Ehrlich-Instituts vom 10. Juni 2022, www.pei.de/SharedDocs/Downloads/EN/newsroom-en/positions/antigen-test-omicron.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[15] Priv.-Doz. Dr. M. Nübling, Paul-Ehrlich-Institut. Sensitivität der Antigentests gegenüber der Omikron-Variante. Exemplarische Untersuchung vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Robert Koch-Institut (RKI), Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikroBioBw), Presseworkshop, 24. März 2022
[16] Prof. Dr. med. Christoph Lübbert, Leserbrief PCR-Tests auf SARS-CoV-2: Hohe Sensitivität. Dtsch Arztebl 2020;117(31-32):A-1513 / B-1293
[17] Larremore DB et al. Test sensitivity is secondary to frequency and turnaround time for COVID-19 screening. Science Advances 2021;7(1):eabd5393, DOI: 10.1126/sciadv.abd5393
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