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Arzneimittel und Therapie
Curcumin und Piperin – eine gefährliche Kombi?
BfR sieht Risiken einer erhöhten Aufnahme aus Nahrungsergänzungsmitteln
Curcumin ist der Hauptbestandteil der Curcuminoide, der wichtigsten Inhaltstoffgruppe im Curcumawurzelstock, der aus Curcuma longa (Gelbwurz) oder Curcuma xanthorrhiza (Javanische Gelbwurz) aus der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae) gewonnen wird. Das gemahlene Curcuma-Rhizom wird, ebenso wie aus diesem gewonnene Extrakte, als Gewürz bei der Lebensmittelzubereitung verwendet. Ein weiterer Bestandteil von Lebensmitteln ist der intensiv gelbe Lebensmittelfarbstoff E100, ein gereinigter Extrakt aus dem Wurzelstock von Curcuma longa mit einem Curcuminoid-Gehalt von mindestens 90%, der als Curcumin bezeichnet wird.
Wirkungen von Curcuma
Die Inhaltsstoffe von Curcuma wirken anregend auf die Magensaftsekretion und die Ausschüttung von Gallensaft und fördern so den Appetit und die Verdauung. Gemäß den Monografien des HPMC (Herbal Medicinal Product Committee) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) werden die Wurzelstockdrogen traditionell bei unspezifischen Verdauungsstörungen wie Völlegefühl, verlangsamter Verdauung und Blähungen und zur Förderung des Gallenflusses eingesetzt [2, 3]. Curcumin hat antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften und beeinflusst Ionenkanäle. In Laboruntersuchungen ist eine Wirkung auf entzündungsfördernde Zytokine und Proteine nachweisbar. Gemäß eines Cochrane Reviews wurde in kleineren Studien festgestellt, dass Curcumin in hohen Dosen die schubfreien Intervalle bei Colitis ulcerosa in Kombination mit der Standardtherapie (Mesalamin oder Sulfasalazin) verlängern kann [4]. Allerdings gibt es keine randomisierten Studien mit größeren Patientenzahlen zum endgültigen Wirksamkeitsnachweis. Das Gleiche gilt für die Reduktion von Schmerzen und Bewegungseinschränkung bei Arthrose.
Schlechte Bioverfügbarkeit
Bisher gibt es vor allem Nahrungsergänzungsmittel (NEM), die Curcumin enthalten. Dieses ist schlecht wasserlöslich und besitzt nur eine geringe Bioverfügbarkeit, denn die Resorption ist schlecht, und die Substanz wird schnell durch Enzymabbau metabolisiert. Zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit wird Curcumin mit Piperin, dem scharf schmeckenden Alkaloid des schwarzen Pfeffers, kombiniert, das den enzymatischen Abbau von Curcumin hemmen soll. Eine weitere Möglichkeit ist die Anwendung in Form von Nanopartikeln mit mikronisiertem Curcumin (Nanopartikel). Die beste Bioverfügbarkeit wird nach aktuellem Stand durch Mizellen-Technologie mit einer hydrophilen Hülle aus Polysorbat erreicht [5]. Das ist der Forschungsbereich unseres Interviewpartners Prof. Dr. Jan Frank von der Universität Hohenheim (s. S. 26).
Welche Menge ist unbedenklich?
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat eine akzeptable tägliche Aufnahmemenge (ADI, Acceptable Daily Intake) für Curcumin von 3 mg/kg Körpergewicht (KG) und Tag als Lebensmittelzusatzstoff (E100) festgelegt. Wenn täglich über die gesamte Lebenszeit diese Menge Curcumin aufgenommen wird, besteht kein erkennbares Gesundheitsrisiko. Ein Erwachsener mit einem Gewicht von 70 kg kann beispielsweise täglich 210 mg Curcumin zu sich nehmen.
Folgen von zu hohem Konsum
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat diesen ADI als Grundlage für die Bewertung gesundheitlicher Risiken durch Curcumin in Nahrungsergänzungsmitteln genommen. Über alle Aufnahmequellen (Nahrungsergänzungsmittel, Gewürze, Lebensmittelfarbstoff) dürfen somit langfristig maximal 3 mg Curcumin pro Kilogramm Körpergewicht und Tag aufgenommen werden, um gesundheitliche Risiken zu vermeiden. Wird dieser Wert über einen längeren Zeitraum überschritten, kann es vor allem bei empfindlichen Personen zu gesundheitlich unerwünschten Wirkungen kommen.
Bisher gibt es keine einheitliche Datenlage zu möglichen schädlichen Wirkungen von Curcumin. In klinischen Studien wurden bei Einnahme von hohen Dosen (mehrere Gramm pro Tag über mehrere Monate) leicht ausgeprägte unerwünschte Wirkungen, wie gastrointestinale Beschwerden, festgestellt. Mit einer Inzidenz von 5% kam es zu Veränderungen der Leberwerte (Transaminasen). Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine idiosynkratische Wirkung, eine angeborene Überempfindlichkeit, bei der kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Dosis und Ausmaß der Schädigung besteht. Die klinischen Studien können daher ein mögliches leberschädigendes Potenzial von Curcumin nicht eindeutig belegen.
BfR bezieht Stellung
Das Bundesinstitut für Risikobewertung beschäftigt sich in seiner Stellungnahme vor allem mit Curcumin-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln, denen Piperin zugesetzt wurde. Derartige Produkte unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung stark. Daher ist eine allgemeingültige Bewertung nicht möglich, sondern kann nur für ein bestimmtes Produkt erfolgen.
Zu derartigen Nahrungsergänzungsmitteln gibt es Fallberichte mit Hinweisen auf eine mögliche leberschädigende Wirkung. Allerdings enthielten die Produkte auch weitere Bestandteile, die ebenfalls für toxische Wirkung relevant sein könnten. Meistens war die tägliche Aufnahme von Curcumin höher als die akzeptable tägliche Aufnahmemenge, doch es sind auch einige Fälle bekannt, bei denen die Dosen im Bereich der akzeptablen täglichen Aufnahmemenge lagen. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Aufnahme von Curcumin und der Wirkung lässt sich auch hier nicht belegen. Viele Personen, die ein entsprechendes Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, nehmen Curcumin außerdem über die Nahrung auf und erhöhen so zusätzlich die tägliche Einnahmemenge.
Empfehlungen
Das Bundesinstitut für Risikobewertung schlägt vor, dass die Gesamtmenge an Curcumin die akzeptable tägliche Aufnahmemenge der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit nicht überschreiten sollte, um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden. Bei Produkten mit verbesserter Bioverfügbarkeit ist die akzeptable tägliche Aufnahmemenge möglicherweise kein ausreichendes Kriterium, da im Körper mehr Curcumin zur Verfügung steht. Deswegen sollte für jedes Präparat untersucht werden, ob die tägliche Aufnahmemenge geringer sein sollte. Die mögliche lebertoxische Wirkung Curcumin-haltiger Produkte mit verbesserter Bioverfügbarkeit sollte nach Ansicht des Bundesinstituts für Risikobewertung weiter erforscht werden. |
Literatur
[1] Curcumin in Nahrungsergänzungsmitteln: Gesundheitlich akzeptable tägliche Aufnahmemenge kann überschritten werden, Stellungnahme Nr. 040/2021 des BfR vom 14. Dezember 2021, DOI: 10.17590/20211214-121912
[2] Community herbal monograph on Curcuma xanthorrhiza Roxb. (C. xanthorrhiza D. Dietrich), rhizoma, Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC), 28 January 2014, EMA/HMPC/604600/2012
[3] European Union herbal monograph on Curcuma longa L., rhizoma, Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC), 25 September 2018, EMA/HMPC/329755/2017
[4] Garg SK et.al. Curcumin for maintenance of remission in ulcerative colitis, Cochrane Database of Systematic reviews, 17 October 2012, doi: 10.1002/14651858.CD008424.pub2
[5] Schiborr C et al. The oral bioavailability of curcumin from micronized powder and liquid micelles is significantly increased in healthy humans and differs between sexes, Mol. Nutr. Food Res. 2014, 58, 516–527, doi: 10.1002/mnfr.201300724
„Kein Hinweis auf eine erhöhte Toxizität“
Ein Hintergrundgespräch zum Einfluss von Piperin auf die Sicherheit von Curcumin
DAZ: Wieso weist Curcumin eine geringe Bioverfügbarkeit auf?
Frank: Curcumin wird, wie die meisten sekundären Pflanzenstoffe, vom Körper als Fremdstoff wahrgenommen. Unser Körper versucht, mögliche Wirkungen von Fremdstoffen, die aus Sicht des Organismus immer auch das Risiko für Schadwirkungen beinhalten – selbst wenn sie keine verursachen – zu minimieren. Deshalb verstoffwechselt er Fremdstoffe möglichst schnell und führt sie der Ausscheidung zu. Für das fettlösliche Curcumin bedeutet das konkret, dass es aufgrund seiner mangelnden Wasserlöslichkeit im Darm nur in geringen Mengen für die Resorption zur Verfügung steht und der Großteil mit dem Kot wieder ausgeschieden wird. Das Wenige, das aufgenommen wird, wird in den Darmzellen und in der Leber zu wasserlöslichen Metaboliten verstoffwechselt. Diese Metaboliten werden dann über den Urin wieder ausgeschieden.
DAZ: Wie viel Curcumin kommt bei oraler Aufnahme effektiv im Stoffwechsel an?
Frank: Aufgrund der starken Metabolisierung zirkulieren im Blut zu 99,9% die Stoffwechselprodukte von Curcumin und die eigentliche Substanz nur zu ca. 0,1%. Wie viel genau aufgenommen wird, ist schwierig zu quantifizieren. Es dürften aber insgesamt nur wenige Prozent sein. Wir haben bei einer mizellaren Curcumin-Formulierung, die sehr gut bioverfügbar ist, über einen Zeitraum von 24 Stunden nur 0,15% der verabreichten Dosis im Urin wiederfinden können. Für natives Curcumin lag dieser Wert sogar bei nur 0,002%.
DAZ: Um welchen Faktor verändert sich die Bioverfügbarkeit durch die Zugabe von Piperin, das den enzymatischen Abbau von Curcumin hemmen soll?
Frank: Wie wir in unserer letzten Veröffentlichung (Flory et al. 2021) zeigen konnten, um den Faktor 0. Piperin hat keinen nennenswerten Einfluss auf die Bioverfügbarkeit von Curcumin. Dieser Mythos geht auf eine einzige Studie (Shoba et al. 1998) zurück und wurde marketingtechnisch verwertet. Schaut man sich aber Studien an, in denen Nagern über einen längeren Zeitraum Curcumin zusammen mit Piperin verabreicht wurde, so waren die Gewebespiegel mit und ohne Piperin gleich niedrig (Suresh & Srinivasan 2010). Lediglich über einen kurzen Zeitabschnitt von ca. 1,5 Stunden konnten Shoba et al. eine Erhöhung der Bioverfügbarkeit um den Faktor 20 im Menschen zeigen. Wir konnten diese Ergebnisse aber in keiner unserer Studien verifizieren, und ich kenne auch keine weitere valide Studie, die diesen Effekt jemals im Menschen bestätigen konnte.
DAZ: Wie kritisch sehen Sie eine erhöhte Bioverfügbarkeit in Bezug auf die Sicherheit von Curcumin?
Frank: Wie gesagt, basierend auf unserer letzten Humanstudie würde ich sagen, dass Piperin die Bioverfügbarkeit von Curcumin nicht verändert. Daher ergibt sich hier auch keine Veränderung des Sicherheitsprofils. Wir haben uns aber bei Curcumin-Formulierungen, die tatsächlich besser aufgenommen werden, die Sicherheit angeschaut und auch hier keinen Hinweis auf eine veränderte Sicherheit oder Toxizität finden können.
Zudem zeigt unsere neueste Studie, dass die verbesserte Bioverfügbarkeit primär auf eine verbesserte Wasserlöslichkeit und einen höheren Einbau in gemischte Mizellen zurückzuführen ist. Sprich, das besser bioverfügbares Curcumin steht in höherer Menge im Darm zur Resorption zur Verfügung, unterscheidet sich aber chemisch nicht von Curcumin. Auch findet kein veränderter Stoffwechsel statt, und es liegen noch immer nur maximal 0,1% in freier Form im Blut vor, wenn überhaupt. Denn nahezu alles aufgenommene Curcumin zirkuliert im Blut in Form der Metabolite, auch bei den gut bioverfügbaren Formulierungen.
Ich kenne keine Daten, die auf eine erhöhte Toxizität von Curcumin hinweisen, wenn dieses besser bioverfügbar ist. Selbst nach täglicher Aufnahme von 241 mg bioverfügbarem mizellarem Curcumin über einen Zeitraum von sechs Wochen waren, im Vergleich zu Placebo, keine spezifischen Nebenwirkungen zu beobachten, und die Leberenzymwerte blieben unverändert (Kocher et al. 2016). Auch wenn das BfR, gemäß seiner Aufgabe, hier zur Vorsicht mahnt, liegen meines Wissens keine Daten vor, die auf eine veränderte Toxizität hinweisen.
DAZ: Welche Faktoren spielen außerdem bei der Verstoffwechslung von Curcumin eine Rolle, z. B. Alter, Geschlecht?
Frank: Wir haben Alter und Geschlecht untersucht und trotz anderslautender Überschrift unserer ersten Veröffentlichung zum Thema keinen Einfluss finden können. Der zunächst von uns angenommene Einfluss des Geschlechts war letztlich auf die unterschiedliche Dosierung pro kg Körpergewicht zwischen Männern und Frauen zurückzuführen. Das Alter wurde von uns ebenfalls untersucht, hatte aber keinen messbaren Einfluss in unserer Studie. Eventuell könnte das aber in anderen Probandenkohorten auch anders sein. Ich kenne aber keine Studien, die nahelegen, dass dem so wäre.
DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! |
Literatur
Flory S et al. Increasing Post-Digestive Solubility of Curcumin Is the Most Successful Strategy to Improve its Oral Bioavailability: A Randomized Cross-Over Trial in Healthy Adults and In Vitro Bioaccessibility Experiments. Mol. Nutr. Food Res. 2021, 65, 2100613. doi: 10.1002/mnfr.202100613
Kocher A et al. The oral bioavailability of curcuminoids in healthy humans is markedly enhanced by micellar solubilisation but not further improved by simultaneous ingestion of sesamin, ferulic acid, naringenin and xanthohumol. Journal of functional foods 2015, 14: 183–191. doi: 10.1016/j.jff.2015.01.045
Kocher et al. Highly bioavailable micellar curcuminoids accumulate in blood, are safe and do not reduce blood lipids and inflammation markers in moderately hyperlipidemic individuals. Mol. Nutr. Food Res. 2016, 16, 1555-1563, doi: 10.1002/mnfr.201501034
Schiborr C et al. The oral bioavailability of curcumin from micronized powder and liquid micelles is significantly increased in healthy humans and differs between sexes. Mol. Nutr. Food Res. 2014, 58:516–527. doi: 10.1002/mnfr.201300724
Shoba G et al. Influence of piperine on the pharmacokinetics of curcumin in animals and human volunteers. Planta Med. 1998;64(4):353-6.doi:10.1055/s-2006-957450
Suresh D,Srinivasan K. Tissue distribution & elimination of capsaicin, piperine & curcumin following oral intake in rats. Indian Journal of Medical Research 2010. 131:682- 691
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