Lieferdienste

„Kein Must-have, aber ein Nice-to-have“

Weshalb Apotheker Reinold aus Berlin von Arzneimittel-Lieferdiensten überzeugt ist

eda | Vor 15 Jahren kam der gebür­tige Baden-Badener Nico Daniel Reinold nach Berlin. Nachdem er viele Jahre als Filialapothekenleiter tätig war, machte er sich im vergangenen Sommer selbstständig. Seine Schönhauser Apotheke liegt mitten im Szenebezirk Prenzlauer Berg. Schon während der Übernahme stand für Reinold fest, dass er den Botendienst seiner Apotheke ausbauen muss. Dazu kooperiert er aktuell mit Kurando und ist davon überzeugt, dass sich sowohl für seine Kundinnen und Kunden als auch für seinen Betrieb mittelfristig Mehrwerte ergeben werden.
Foto: Reinold

Nico Daniel Reinold

DAZ: Herr Reinold, als Sie im August 2021 Ihre Schönhauser Apotheke übernommen haben, existierte doch sicher schon ein Botendienst mit Apothekenpersonal, oder nicht?

Reinold: Tatsächlich empfand ich die Botendienst-Situation in meiner Apotheke als enorm ausbaufähig. Es gab praktisch kein Konzept. Arzneimittel und andere Bestellungen wurden, wenn Zeit war, zu den Arztpraxen und Kunden gebracht. Für mich stand also direkt bei der Übernahme fest, dass man als Apotheke in Berlin unbedingt einen professionellen Lieferdienst anbieten muss. Und das ist eben kein Fahrdienst mit einer rüstigen Rentnerin, sondern ein flexibler und schneller Kurierdienst. Deshalb habe ich geschaut, was es für Alternativen gibt.

DAZ: Dann sind Sie auf das Start-up Kurando gekommen. Was hat Sie von dem Angebot überzeugt?

Reinold: Zunächst einmal, dass wir als Apotheke, auch wenn wir bei der Bestellung selbst nicht direkt in Erscheinung treten, nach wie vor viele Einflussmöglichkeiten haben. Kurando leitet uns die Kundenanfragen bzw. Bestellungen weiter, und wir bearbeiten sie pharmazeutisch. Im Backoffice ist eine PTA damit beschäftigt, Kundenanfragen zu beantworten. In jeder Auslieferung befindet sich aber auch ein Kärtchen mit unseren Kontaktdaten, um etwaige Rückfragen auch noch später klären zu können. Die Abwicklung und Auslieferung der Bestellungen sind sehr sicher, transparent und schnell. Wir können so auch die Praxen beliefern. Ich bin von der Kooperation begeistert.

Foto: Schönhauser Apotheke

Die Schönhauser Apotheke liegt im Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg.

DAZ: Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Arzneimittel-Lieferdienste nur eine bestimmte Kunden­klientel bedienen: die sogenannten Großstädter. Können Sie das bestätigen?

Reinold: Sicher. Hier bestellt nicht die 70-jährige Diabetikerin ihr Metformin. Doch jede Apotheke muss sich auch ihrem unmittelbaren Umfeld anpassen. Hier in Prenzlauer Berg leben und arbeiten viele junge Menschen. Die haben ein ganz anderes Konsumverhalten als ältere Generationen oder die Bevölkerung auf dem Land. Auch wir selbst hier in der Apotheke gehören ja zu dieser Klientel. Es ist inzwischen ganz normal, Getränke via „Flaschenpost“ und Lebensmittel via „Gorillas“ zu bestellen und geliefert zu bekommen. Wir müssen als Apotheke also gewissermaßen mithalten. Aktuell ist ein Arzneimittel-Lieferdienst sicher kein Must-have, aber auf jeden Fall ein Nice-to-have. Und bevor niemand etwas kauft, sollte man sich dieses Feld genauer ansehen.

DAZ: Auffallend ist, dass die von Ihnen genannten Start-ups tatsächlich nur in der Großstadt agieren. Versorgung auf dem Land findet mit den Anbietern nicht statt. Halten Sie das moralisch für vertretbar?

Reinold: Wir sind ja noch ganz am Anfang, und die Unternehmen brauchen erst mal Erfahrung. Ich bin mir sicher, dass sich solche Konzepte auch auf das Land übertragen lassen, wenn es denn überhaupt notwendig erscheint. Es existiert nun mal auch ein Mentalitätsunterschied zwischen der Stadt- und Landbevölkerung. Hier in Berlin wird gewissermaßen mit der Faulheit der Menschen Geld verdient. Dieses Phänomen ist im Umland und anderswo sicher noch nicht so ausgeprägt.

DAZ: Warum haben Sie das nicht selbst mit Ihrem Personal aufgebaut und umgesetzt? Weshalb braucht es hierfür Dritte?

Reinold: Die Kooperation hat aus betriebswirtschaftlicher Sicht große Vorteile. Kurando kümmert sich um das Marketing und die Steigerung des Bekanntheitsgrads. Dafür können sie ganz andere Summen einsetzen als einzelne Apotheken. Außerdem haben sie viel mehr Erfahrung in diesen Sachen. Wir können uns also voll auf die jeweiligen Bestellungen und Kunden konzentrieren, die wir vermittelt bekommen. Für mich ist das der Beweis, dass wir auf solche Expertise an­gewiesen sind. Ich habe so lange auf Plattform­lösungen aus dem eigenen Berufsstand oder von apothekennahen Unternehmen gewartet. Die Ankündigungen und Ergebnisse sind für mich absolut enttäuschend gewesen.

DAZ: Für Sie sind die Arzneimittel-Lieferdienste also der richtige Weg in die Apothekenzukunft?

Reinold: Ich bin einerseits Heilberufler und sogar Kammerdelegierter. Andererseits bin ich Unternehmer und für meinen Betrieb verantwortlich. Das heißt, es ist meine Pflicht zu schauen, welche Geschäftsfelder für die Apotheke Potenzial haben. Wir hoffen, bis Jahresende über Kurando 100 Bestellungen pro Tag zu erhalten, und rechnen damit, dafür zwei PTA-Vollzeitstellen zu schaffen.

„Hier in Berlin wird gewissermaßen mit der Faulheit der Menschen Geld verdient. Dieses Phänomen ist im Umland und anderswo sicher noch nicht so ausgeprägt.“

DAZ: Nun haben andere große Plattformen gezeigt, dass sie den jeweiligen Branchen irgendwann durchaus die Spielregeln diktieren. Befürchten Sie das auch für die Apotheken?

Reinold: Ich sehe diese Gefahr nicht für das Apothekenwesen, denn sollten sich die Bedingungen zu unserem Nachteil verändern, dann würden wir alle abspringen. Arzneimittel-Lieferdienste sind auf uns angewiesen. Die brauchen uns, um wirtschaftlich zu überleben. Das ist aus Sicht der Patienten und der Apotheken ein großer Vorteil und wichtiger Unterschied zu anderen Branchen. Wir haben uns mit Kurando auf faire Konditionen geeinigt und erhalten trotz der Gebühren einen signifikanten Rohertrag.

DAZ: Herr Reinold, vielen Dank für das Gespräch. |

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