Arzneimittel und Therapie

Immer mehr Scharlach-Fälle

In Großbritannien häufen sich die Erkrankungen / Zur Wachsamkeit wird aufgerufen

In der Tagespresse wurde kürzlich über ungewöhnlich viele Fälle und tödliche Verläufe von Infektionen mit A-Streptokokken bei Kindern in England und Wales berichtet. Britische Behörden warnen daher vor einer Scharlach-Welle und rufen Eltern zur Wachsamkeit auf. Dies gibt Anlass, einige Fakten zu Scharlach zusammenzufassen.

In einem Update vom 8. Dezember 2022 berichtet die Informationswebsite des britischen Gesundheitsministeriums (UK Health Security Agency) von 851 Scharlach-Fällen in der 46. Kalenderwoche. Diese Zahl ist um ein Vielfaches höher als die gemeldeten Erkrankungen im vergangenen Jahr in demselben Zeitraum (186 Fälle). Aufgrund der untypischen Häufung der Erkrankung, die in mehreren Fällen tödlich verlief, werden in den britischen Medien ausführliche Informa­tionen bereitgestellt und Verhaltensmaßnahmen sowie Präventionsmöglichkeiten aufgeführt. Wodurch die Häufung an Infektionen in diesem Jahr hervorgerufen wird, ist bislang unklar. Laut der Behörde gibt es keine Hinweise, dass ein neuartiger Bakterienstrang in der Bevölkerung zirkuliert. Die gehäuften Erkrankungen sind der Behörde zufolge vermutlich auf eine derzeit hohe Anzahl zirkulierender Bakterien zurückzuführen. Zudem sind die Kinder aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der SARS-CoV-2-Pandemie weniger immun. Zuletzt hatte es im Winter 2017/18 eine erhöhte Zahl schwerer Erkrankungen durch A-Streptokokken gegeben. Drei Jahre zuvor, im Frühjahr 2014, war es in England ebenfalls zu einem landesweiten Anstieg der Scharlach-Meldungen gekommen. Die Ursache hierfür war gleichfalls unklar.

Foto: Lukassek/AdobeStock

Abb.: Die „Himbeerzunge“ ist ein typisches Merkmal der Scharlach-Erkrankung, das einige Tage nach Symptombeginn auftritt.

Keine Meldepflicht in ­Deutschland

Die Zahl der gemeldeten Scharlach-Fälle in Deutschland schwankt ebenfalls und war in den Jahren 2018 und 2019 mit 3917 bzw. 4153 Meldungen hoch. 2020 wurden 1544 Erkrankungen gemeldet, 2022 bislang 1021 (Stand 9. Dezember 2022, SurvStat@RKI 2.0). Allerdings besteht bei Scharlach keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz. Es gibt lediglich eine Benachrichtigungspflicht für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen, wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Scharlach erkrankt oder dessen verdächtig sind. In Sachsen und Thüringen bestehen ergänzende Verordnungen.

Charakteristische Symptome

Zu Beginn der Erkrankung treten plötzlich Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Erbrechen, Schüttelfrost, Blässe, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Abgeschlagenheit auf. Häufig kommen Bauchschmerzen und hohes Fieber hinzu. Erst etwas später manifestieren sich typische Haut- und Schleimhautveränderungen. Der Rachen färbt sich feuerrot, Mundschleimhaut und Mandeln sind fleckig gefärbt. Das Scharlach-Exanthem, be­stehend aus kleinfleckigen Papeln, beginnt am ersten oder zweiten Krankheitstag am Oberkörper und breitet sich zentrifugal unter Aus­sparung der Handinnenflächen und Fußsohlen aus. Weitere Symptome sind periorale Blässe und eine Himbeerzunge (vergrößerte Papillen auf einer belegten Zunge; s. Abb.). Das Exanthem verschwindet nach sechs bis neun Tagen. Einige Tage danach kommt es zur Abschuppung der Haut, insbesondere der Handinnenflächen und Fußsohlen. Die Erkrankung kann von Sinusitis, Otitis media oder Pneumonie begleitet sein.

Mögliche Komplikationen sind Entzündungen des Mittelohrs, der Nebenhöhlen und der Lunge. Eher seltene, aber gefürchtete Spätfolgen sind das akute rheumatische Fieber mit Entzündungen der großen Gelenke wie den Kniegelenken, des Herzmuskels, des Herzbeutels oder der Herzklappen sowie Entzündungen der Nieren. Hierbei können bleibende Schäden entstehen. Komplikationen werden häufiger beobachtet, wenn Scharlach nicht antibiotisch behandelt wurde oder die Antibiotika-Therapie vorzeitig abgebrochen wurde.

Scharlach im Überblick

Betroffene: Scharlach kann in jedem Lebensalter auftreten, meist erkranken Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren.

Eine Erkrankung von Säuglingen ist unwahrscheinlich, wenn entsprechende Antikörper der Mutter vorliegen („Nestschutz“).

Erreger:Streptococcus (S.) pyogenes, gehört zu den β-hämolysierenden Streptokokken, diese werden auch als A-Streptokokken bezeichnet.

Infektionsweg: Direkter und indirekter Kontakt, weniger häufig durch Erreger-haltige Tröpfchen und Aerosole von Mensch zu Mensch, selten durch kontaminierte Lebensmittel und Wasser.

Enger Kontakt (z. B. in Schulen, Kitas, Heimen) begünstigt in jedem Lebensalter die Ausbreitung des Erregers.

Inkubationszeit: Ein bis drei Tage, selten länger.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit:

Ohne antibiotische Therapie bis zu drei Wochen; nach Beginn einer wirksamen antibiotischen Therapie erlischt die Ansteckungsfähigkeit für Rachen­infektionen nach 24 Stunden.

Foto: Kateryna_Kon/AdobeStock

Diagnostik: Blick­diagnose, Antigennachweise (Streptokokken-A-Schnelltest, bakteriologische Kultur)

Immunität: Eine Mehrfachinfektion ist möglich, da die Immunität nur gegen das bei einer durchgemachten Infektion vorherrschende Toxin besteht.

Scharlach in der Schwangerschaft:Die Erkrankung hat – falls keine ­Komplikationen auftreten – keinen ­direkten Einfluss auf das ungeborene Kind.

Prävention: Es gibt keine Impfung; allgemeine Maßnahmen zur Vorbeugung von Erkältungs- und Atemwegserkrankungen einhalten (regelmäßiges Händewaschen; engen Kontakt mit Erkrankten vermeiden).

Antibiotische Therapie

Therapie der Wahl bei Rachen- und Hautinfektionen ist die zehntägige Gabe von Penicillin bzw. Amoxicillin (cave: mögliche Amoxicillin-Engpässe, s. Beitrag „Wenn Amoxicillin fehlt“, S. 22) oder Ampicillin (oral oder parenteral). Einige Veröffentlichungen sprechen sich für eine kürzere Therapiedauer aus. Ein auf fünf Tage verkürztes Regime mit oralen Cephalosporinen ist für Kinder gleichwertig. Bei Penicillin-Allergie zeigt die orale Therapie mit Erythromycin oder anderen Makroliden für eine Dauer von fünf bis zehn Tagen ähnlich gute Ergebnisse. Zu beachten sind regional unterschiedliche Resistenzraten für Makrolide, die eine Resistenztestung erfordern. Cotrimoxazol und Chinolone außer Moxifloxacin wirken nicht zuverlässig. Lokalanästhetika und Adstringenzien lindern Läsionen der Mundschleimhaut; Ibuprofen oder Paracetamol können zur Fieber­senkung eingesetzt werden.

Bei schweren systemischen Infektionen (Sepsis, Toxic Shock-like Syndrome, nekrotisierende Fasziitis) wird eine parenterale Penicillin-G-Therapie plus Clindamycin und Immunglobulinen empfohlen. Patienten mit rheumatischem Fieber sollten eine Rezidiv­prophylaxe mit Penicillin erhalten. Bezüglich der Dauer der Prophylaxe gibt es keine einheitliche Auffassung. Sie sollte mindestens über fünf Jahre gegeben werden, nach einem Rezidiv lebenslang. |

Literatur

UKHSA update on scarlet fever and invasive Group A strep. Pressemitteilung der UK Health Security Agency, 2. Dezember 2022, letzte Aktualisierung 8. Dezember 2022

Scharlach (Streptococcus pyogenes). Informationen des Robert Koch-Instituts, Stand 7. Dezember 2022, www.rki.de/DE/Content/InfAZ/S/Scharlach/Scharlach.html

Streptococcus A (strep A). Informationen des National Health Service, www.nhsinform.scot/illnesses-and-conditions/infections-and-poisoning/streptococcus-a-strep-a, letzte Aktualisierung 8. Dezember 2022

Lamagni T et al. Resurgence of scarlet fever in England, 2014-16: a population-based surveillance study. Lancet Infect Dis 2018;18(2):180-187, doi: 10.1016/S1473-3099(17)30693-X

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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