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Management

Mobbing, Gaslighting und mehr

Psychische Gewalt kann auch im Apothekenalltag präsent sein

Psychische Gewalt ist weit verbreitet und stärker im Alltag präsent als die körperliche Gewalt. Unter den Opfern sind sowohl Frauen als auch Männer. Vielen Menschen ist es gar nicht bewusst, dass der alltägliche Klatsch und Tratsch, Machtausübung, Mobbing am Arbeitsplatz sowie ausgelebte Aggressionen im privaten Alltag oder in der virtuellen Welt, eine psychische Gewalt darstellen. Die Sensibilisierung und Weiterbildung zu diesem Thema sind die effektivsten präventiven Maßnahmen.

Psychische Gewalt ist subtil und häufig schwer nachzuweisen. Betroffene fühlen sich oft mit ihrem Problem alleingelassen, denn Verständnis und eine konstruktive Unterstützung bekommen sie viel zu selten. Der Leidensweg ist sehr lang und Verletzungen, die die psychische Gewalt in der Psyche der Opfer hinterlässt, heilen sehr schwer ab.

Täter:innen gehören allen sozialen Schichten und allen Berufsgruppen an: Es sind häufig vertraute Bezugspersonen der Opfer, wie Freunde, Partner oder Kollegen. Für Außenstehende scheint die Lösung des Problems einfach zu sein und viele denken, dass mit einer Trennung oder Kündigung die Sache getan ist, doch das Beenden einer toxischen Partnerschaft oder Arbeitsbeziehung dauert lange.

Psychische Machtausübung greift tief in die Psyche der Betroffenen ein. Schlimmstenfalls müssen Betroffene sowohl die Gewalt am Arbeitsplatz als auch im privaten Leben ertragen, denn die Probleme aus dem privaten Leben können sich auch im beruflichen Verhalten widerspiegeln, beispielsweise weil die betroffene Person sich zurückzieht, anders als sonst verhält oder sogar Fehler macht. Das wiederum kann für Gesprächsstoff sorgen oder zu Ausgrenzung am Arbeitsplatz führen.

Psychische Gewalt hat häufig sozioökonomische Folgen und wirkt sich auf soziale Beziehungen (z. B. Einsamkeit, Bruch der Familie oder Angst vor intimen Beziehungen), Lebensentwürfe und die Arbeitsplatzsituation der Betroffenen aus (z. B. durch Kündigung oder Probleme am Arbeitsplatz).

Psychische Gewalt hat viele Ausprägungen

Wenn Menschen über Schutz vor Gewalt sprechen und sich dafür auch einsetzen wollen, sollten sie sich auch genau damit befassen, was die psychische Gewalt ausmacht, welche Formen es gibt und welche Konsequenzen psychische Unterdrückung und Machtausübung mit sich bringen.

Gewalt meint nicht einen einmaligen Vorfall, sondern eine über eine gewisse Zeit ausgeübte Form von Einfluss, Kontrolle oder Dominanz. Sowohl im Alltag als auch im Beruf kann psychische Gewalt verschiedene Formen annehmen: von stillem Ignorieren, Mobbing, Stalking, Belästigungen, Verleumdungen, verbreiten von Lügen bis hin zum lauten Anschreien.

Ignoranz und Konkurrenzkampf – die leise Gewalt

Jemanden „wie Luft zu behandeln“ kann für viele Betroffene eine psychische Kränkung darstellen: Sie fühlen sich ausgeschlossen und nicht wahrgenommen. Menschen brauchen jedoch eine Resonanz der Umwelt: Lob, Wertschätzung und konstruktive Kritik. Anerkennung, die direkt mit der Berufs­tätigkeit und der beruflichen Position zu tun hat, ist wichtig, denn sie gibt das Gefühl des Zutrauens der Kompetenz und der Zugehörigkeit zum Team – fehlen diese Aspekte, so fühlen sich viele Menschen zunehmend schlecht an ihrem Arbeitsplatz.

Eine langfristige ignorante Ver­haltensweise vonseiten der Teamkollegen kann Menschen komplett ausbremsen und resignieren. Ignoranz äußert sich durch:

  • Übergehen bei (wichtigen) Entscheidungen
  • Nichtbeachten von gestellten Fragen oder geschilderten Problemen
  • nicht zuhören, sich über Äußerungen lustig machen
  • „Gaslighting“, Unterstellung, Zuschreibung von Fehlern
  • Anschweigen, das Nichtbeachten der Erfolge und der Person generell

Stille Ignoranz ist eine Form der psychischen Gewalt, die am Arbeitsplatz sehr häufig vorkommt und von ganzen Teams ausgeübt wird. Hintergründe sind nicht selten Konkurrenzkampf, Neidgefühle, Stabilisierung des Wir-Gefühls oder auch Stereotypisierung aufgrund von Gruppenzugehörigkeit.

Konkurrenzkampf entsteht, wenn Mitarbeiter den Verlust der eigenen Position befürchten: Jemand, der über eine bessere Qualifika­tion oder andere Vorzüge verfügt, erscheint plötzlich als Gegner. Unfaire Verhaltensweisen gegenüber dem Mitarbeiter, wie das Vorenthalten von wichtigen Informationen, Neid, das Verbreiten von Gerüchten oder die Zuschreibung der Fehler, all das soll dazu dienen, den aktuellen Status um jeden Preis zu schützen. Potenziert wird der Konkurrenzkampf, wenn die Mitarbeiter eine Ungleichbehandlung wahrnehmen. Was vielen Menschen nicht bewusst ist, ist dass diese Verhaltensweisen psychische Gewalt darstellen.

Gaslighting – eine böse Verunsicherung

Eine weitere Form der psychischen Gewalt ist das Gaslighting. Gaslighting ist sowohl am Arbeitsplatz als auch in der partnerschaftlichen Beziehung ein Beweis einer bösartigen Manipulation. Dem Betroffenen werden bewusst Sachverhalte anders geschildert, als sie stattgefunden haben, sodass er schließlich selbst an sich zweifelt. Es werden Sachen versteckt, verlegt, Dokumente im PC bewusst gelöscht. Diese zwang­hafte Manipulation soll dem Opfer suggerieren, dass es selbst keine Kontrolle hat, vergesslich ist oder unfähig, korrekt zu arbeiten.

Wiederholte Vorwürfe wie „Natürlich habe ich dich darüber informiert, dass die Sachen im Abhol­regal stehen!“, „Alle anderen verstehen dich auch nicht, auch Kunden haben sich über dich schon beschwert!“, „Wir haben es doch vereinbart, dass du die Verfalldaten kontrollierst!“ können Beispiele von Gaslighting sein, vor allem dann, wenn es wiederholt vorkommt und sich der Betroffene nicht daran erinnern kann, jemals solche Informationen gehört zu haben.

Nach Außen unauffällig – innen toxisch

Im Gegensatz zu körperlicher Gewalt ist die psychische Gewalt von Außenstehenden schwer zu erkennen. Täter sind nicht selten charmant, zeigen sich fürsorglich, entgegenkommend und freundlich. Sie sind oft sehr beliebt bei Kunden und Kollegen, erwecken Vertrauen, sind fachlich kompetent und haben hohe berufliche Posi­tionen. Sie haben die Fähigkeit andere Menschen zu begeistern, zu überzeugen aber auch zu eigenem Vorteil zu manipulieren. Diese Tatsache macht es den Opfern besonders schwer, Verständnis von Außenstehenden zu erwarten.

Die Aggression kann sich subtil äußern, denn Täter leben ihre Gewalt selten vor Zeugen aus. Sie beleidigen, setzen unter Druck und verunsichern ihre Opfer, streuen Gerüchte und Verleumdungen, am häufigsten dann, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Unter den Tätern sind oft Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeits­störung, die durch Selbstzweifel, starke Minderwertigkeitskomplexe, Versagensängste sowie andere psychische Krankheiten gekennzeichnet sind. Täter:innen können scheinbar psychisch unauffällig wirken, jedoch stark von Eifersucht, Kontrollwahn, Misstrauen und Unsicherheit geprägt sein.

Ansprechpartner sind rar

Die Folgen der psychischen Gewalt sind sehr lange zu spüren und die dadurch entstandenen psychischen Beeinträchtigungen beim Opfer häufig nicht sichtbar. Betroffene, die psychische Gewalt erleben, können sich an Beratungs­institutionen oder die Polizei wenden. Dennoch wollen Opfer nicht nur Fakten bei der Polizei dar­stellen oder in anonymen Telefonzentralen ihr Leid loswerden, sondern brauchen eine konkrete und umfassende Unterstützung, die ihnen dabei hilft aus der schwierigen Lage herauszukommen. Allerdings ist eine solche Unterstützung nicht immer möglich, denn die Wartezeiten für psychotherapeutische Behandlungen sind sehr lang, materielle Möglichkeiten sehr begrenzt und Freunde, auf die sich Betroffene in der Regel verlassen könnten, sind sehr schnell mit dem Problem überfordert.

Präventive Arbeit soll deshalb dazu beitragen, dass psychische Gewalt möglichst schnell erkannt wird. Aufklärungskampagnen und Workshops – auch im Rahmen der Ausbildung oder des Studiums – können nicht nur über die Möglichkeit der Unterstützung im Falle der Gewalt aufklären, sondern auch die Gesellschaft für das Thema sensibilisieren.

Täter-Opfer-Umkehr – eine belastende Strategie

Das Leiden einzelner Menschen, die eine Unterdrückung im privaten Umfeld und im alltäglichen Leben erfahren, bleibt häufig im Verborgenen. Aus Scham oder Angst von Schuldzuweisungen sowie anderen Konsequenzen sprechen Betroffene selten offen darüber.

Melden sich Betroffene zu Wort oder suchen Hilfe bei den Vorgesetzten oder der Polizei, kommt es häufig zur Täter-Opfer-Umkehr: Täter:innen bestreiten jegliche Vorwürfe und drohen mit juristischen Konsequenzen für falsche Beschuldigungen.

Auf diese Weise kommt es zu weiteren Einschüchterungen und psychischem Druck beim Opfer. Psychische Gewalt ist nicht nur äußerst belastend für Betroffene, sondern auch strafrechtlich schwer nachzuweisen. Fehlen Beweise für die erlebte psychische Gewalt, so ziehen sich Opfer häufig zurück und der Täter bleibt unbestraft. Doch auch Zeugen oder schrift­liche Korrespondenz, die eine psychische Gewalt bestätigen, erweisen sich nicht zwangsläufig als wirksame Beweismittel. Aus Sorge vor hohen Kosten für die Strafverteidigung entscheiden sich viele Opfer letztendlich gegen eine juristische Unterstützung durch einen Rechtsanwalt und sehen von einem Prozess ab.

Mobbing – die psychische Gewalt am Arbeitsplatz

Im beruflichen Kontext kann sich psychische Gewalt in einem ausufernden Verhalten des gesamten Teams und als massives Mobbing äußern. Vielen Täter:innen ist es gar nicht bewusst, dass das vermeintliche „Rumzicken“, Kolleg:innen lautstark die Meinung sagen, verletzende Anspielungen machen oder das Bloß­stellen vor anderen offensichtliche Mobbinghandlungen sind. Mobbing ist durch Ausübung von systema­tischem psychischem Druck am Arbeitsplatz gekennzeichnet, durch den betroffene Personen regel­mäßig schikaniert und seelisch verletzt werden. Tritt Mobbing am Arbeitsplatz auf, stecken häufig Neid, Konkurrenzkampf und Missgunst dahinter. Aus Angst, selbst Opfer von Mobbinghandlungen zu werden, schließen sich häufig auch andere Arbeitskollegen den Mobbern an und lassen das Opfer allein.

Manipulation erkennen

Menschen, die eine psychische Gewalt ausüben, streben nach Kontrolle und wollen nicht zu Verlierern werden. Sobald sie merken, dass das Opfer sich zu wehren anfängt und bereit ist, ernsthafte Schritte einzuleiten, wechseln Täter häufig ihre Strategie und versuchen sich dem Opfer wieder anzunähern. Ein feindseliger und mobbender Kollege kann plötzlich einfühlsam und zuvorkommend werden oder ein Freund oder Partner, der gestern noch beschimpfte und drohte, zeigt sich als liebevoller und geduldiger Mensch. Diese manipulative Strategie wird häufig von Täter:innen verfolgt – und so werden Opfer über eine lange Zeit verunsichert, gedemütigt und „klein“ gehalten. Es ist daher wichtig, jede Manipulation als ein Signal zu verstehen und entsprechend zu handeln, bevor das Leiden die Leistung und Gesundheit der Betroffenen angreift.

Psychische Gewalt online

Nicht nur im realen Leben, sondern auch auf den digitalen Kanälen ist die psychische Gewalt sehr weit verbreitet: per E-Mail, in sozialen Netzwerken oder über Messenger-Apps. Hier beleidigen Täter ihre Opfer, streuen Lügen, lauern ihren Opfern auf oder belästigen sie mehrmals täglich. Täter fühlen sich durch ihre Anonymität oder physische Distanz geschützt, drohen den Opfern sie bloßzustellen oder tun es auch ohne Vorwarnung.

Cyberstalking ist das Nachstellen über digitale Netzwerke. Ein Stalker verfolgt sein Opfer, bedroht und terrorisiert die betroffene Person mit dem Ziel, möglichst viele aktuelle Informationen über sie zu erfahren. Das Nachstellen stresst Betroffene sehr: Sie leiden oft an Ängsten, können sich nicht konzentrieren, nicht arbeiten und sind seelisch stark belastet.

Cyberstalking kann sowohl offensichtlich als auch ohne sichtbare Spuren erfolgen, sodass der Betroffene es nicht einmal erfährt, dass er dauerhaft online verfolgt und beobachtet wird. Dabei nutzen Cyberstalker auch teilweise spe­zielle Software (Spyware), die auf den Endgeräten der Opfer ohne sein Wissen im Hintergrund installiert wurde. Spyware übermittelt illegal private und vertrauliche Informationen an den Stalker. Bei diesen Informationen kann es sich um alle Daten handeln, die das Opfer online verschickt und nutzt. In manchen Fällen hacken Täter die Social-Media-Accounts der Opfer oder erstellen dafür neue, zu verwechseln ähnliche Kanäle und E-Mail-Adressen und geben sich unter der Identität der Betroffenen aus.

Hilfetelefon für Opfer der psychischen und körper­lichen Gewalt:

Wo gibt es Hilfe?

Psychische Gewalt ist strafbar und in vielen Gesetzen verankert. Der Nachweis gegenüber anderen und auch die Strafverfolgung ist allerdings häufig sehr schwer und mühsam. Auch wenn es die Betroffenen äußerst stark belastet, gehören diese Straftaten zu leichten Delikten und werden nicht priorisiert verfolgt. Das Nachstellen dringt jedoch massiv in die Persönlichkeitssphäre der Opfer hinein, beeinträchtigt langfristig psychisch und hat gravierende sowie unüberschaubare persönliche Folgen wie beispielsweise Arbeitsplatzverlust oder soziale Isolation.

Jeder Tag, an dem ein Opfer machtlos der Gewalt ausgesetzt ist, bedeutet für ihn eine sehr schwere psychische Last und wird von Ängsten und Unsicherheit begleitet. Betroffene fühlen sich mit ihrem Problem alleingelassen und gedemütigt. Auch wenn eine Unterstützung vonseiten der Juristen und Polizei gegeben ist, dauert eine Strafverfolgung sehr lange, was für das Opfer eine zusätzliche Qual darstellt. Aber auch eine Bestrafung des Täters kann selten die langfristigen sozialen und gesundheitlichen Folgen, unter denen die Opfer in Zukunft mög­licherweise zu leiden haben, verhindern.

Kommt es zu Angriffen und Belästigungen sollten Opfer eine Anzeige bei der Polizei erstatten und auch einen Strafantrag stellen.

Die WEISSER RING Stiftung hat die App NO STALK entwickelt. Mit der App können Betroffene von Stalking Fotos, Videos, WhatsApps und Sprachnachrichten des Täters mit dem Smartphone beweiskräftig dokumentieren. Die Informa­tionen werden auf einem geschützten Server gespeichert, sodass die Beweise extern gesichert bleiben, auch für den Fall, dass das Smartphone gestohlen wird oder kaputt geht.

https://weisser-ring.de/

Wann können sich Opfer strafbar machen?

Es kommt häufig vor, dass Täter:innen versuchen, sich herauszu­reden, um sich in einem positiven Licht darstellen zu können. Es hilft allerdings nicht, sich als Opfer unüberlegt und aggressiv zu wehren, denn das verfehlt leider das Ziel. Es besteht nämlich die Gefahr, dass Betroffene selbst in ihrer Verzweiflung Grenzen überschreiten und falsch reagieren, indem sie beispielsweise die Arbeit sabotieren, rufschädigende Aussagen in sozialen Netzwerken machen sowie bei gemeinsamen Bekannten oder im Kundenkreis Fakten verbreiten. Auch wenn sich Betroffene in ihrer Not selbst helfen und Beweise sichern wollen, kann es sein, dass sie sich schlimmstenfalls selbst strafbar machen, wenn sie heimlich Ton- oder Filmaufnahmen von den Taten machen, den Täter beleidigen oder ihm drohen. Unbefugte Aufnahmen sind im Strafprozess grundsätzlich als Beweismittel nicht zulässig, und auch die Aussagen von Zeugen sind häufig schwer zu bewerten – diesbezüglich ist also Vorsicht geboten, um später Probleme und Anschuldigungen zu vermeiden. |

Tatiana Dikta, B. Sc. Psychologie, Lehrassistentin an der PTA-Schule, PTA, www.tatiana-dikta.de

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