Gesundheitspolitik

Teurer durch Private Equity?

US-Studie untersucht Auswirkungen branchenfremder Investoren im Gesundheitswesen

mik | Das Gesundheitswesen ist in den vergangenen Jahren in zunehmendem Maß zum Ziel von Private-Equity-Firmen geworden. Eine Metastudie im British Medical Journal versucht nun die Entwicklung in ihrem internationalen Ausmaß zu beleuchten und kommt zu dem Schluss: Die Auswirkungen sind enorm, für Patient:innen kann das zu einem teuren Vergnügen werden.

Ein Stichwort, das immer wieder fällt: Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Allerdings scheinen systematische Untersuchungen und belastbare Daten zu fehlen – insbesondere auch mit Blick auf die internationale Dimension. An diesem Punkt setzen Alexander Borsa von der Columbia University, New York, und weitere Gesundheitssoziologen in einer im British Medical Journal veröffentlichten Metastudie an. Darin belegen sie eindrucksvoll, dass die Beteiligung von Private-Equity-Unternehmen (PE) im Gesundheitswesen Patienten und Kostenträger teuer zu stehen kommt – und überwiegend negative Auswirkungen auf die Qualität der Leistungen hat.

Ausgewertet wurden nach einem bestimmten Auswahlverfahren 55 empirische Studien, die Entwicklungen in Schweden, Groß­britannien, der Türkei, den Niederlanden, Kanada, Norwegen und Deutschland untersuchten. Der Schwerpunkt lag allerdings auf den USA, weshalb die Autoren zu Vorsicht bei Verallgemeinerungen mahnen. Sie kommen dennoch zu dem Schluss, dass die Datenlage solide genug ist, „um zu bestätigen, dass PE-Eigentum ein folgenreiches und zunehmend auffälliges Element im Gesundheitswesen ist, das eine Überwachung, Bericht­erstattung und möglicherweise eine stärkere Regulierung rechtfertigt“.

„Buy-and-Build-Strategie“

Der Befund überrascht zunächst kaum. Erst im Mai hatte „Finanzwende Recherche“ eine Studie veröffentlicht, die nahelegt, dass die steigende Beteiligung von PE in Deutschland die Qualität der medizinischen Versorgung und die Versorgungssicherheit als solche gefährdet. Gemäß einer „Buy-and-Build-Strategie“ werden Praxen gekauft, auf Gewinnmaximierung getrimmt und in MVZ zusammengelegt. Nach etwa fünf bis acht Jahren werden sie oft hochverschuldet und nahe an der Pleite verkauft – und hauptsächlich so die Rendite erzielt.

Auch in der BMJ-Studie wird festgehalten, dass PE-Firmen „fragmentierte Märkte“ oft über „Anker-Investitionen“ betreten. Das heißt, es wird eine erste „Plattform­praxis“ gekauft, um im Nachgang weitere in der Region zu erwerben. „Eines der charakteristischen Merkmale von PE-Investitionen ist, dass die Firmen die direkte Managementaufsicht über die erworbenen Organisationen übernehmen und oft Änderungen vornehmen, um die Bewertung und das zukünftige Gewinnpotenzial zu erhöhen.“ Von Befürwortern der PE-Beteiligungen wird als positives Argument ins Feld geführt, dass so betriebswirtschaftliches Wissen fruchtbar gemacht werden könne. Die Ergebnisse machen allerdings deutlich, dass dies oft mit erhöhten Ausgaben für Patienten und Kostenträger verbunden ist.

Studie schließt Lücke

Die Studie schließt nun nach eigenen Angaben eine Lücke in der aktuellen Literatur über PE-Eigentum im Gesundheitswesen, „indem sie einen heterogenen Korpus empirischer Forschung integriert und Studien aus verschiedenen medizinischen Bereichen, akademischen Disziplinen und methodischen Ansätzen einbezieht“. Derart wurden „sich abzeichnende Muster“ offengelegt. Einschränkend weisen die Autoren jedoch darauf hin, dass sie weder unterschieden haben zwischen Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligungen von PE und auch nicht die Auswirkungen auf Rentabilität, Verschuldung, Konkursrisiko oder Produktivität – hier gebe es noch einiges zu erforschen.

Wer sich mit dem Thema PE im Gesundheitswesen beschäftigt hat, den werden die Erkenntnisse auf den ersten Blick nicht ver­wundern. Einige Überraschungen habe die Sache dennoch bereit­gehalten, wie Borsa gegenüber der DAZ verrät. So seien in der gesamten ausgewerteten Literatur „keine eindeutigen, durchgängig positiven Auswirkungen von PE-Eigentum zu finden“ gewesen. „Einige Befürworter von PE im Gesundheitswesen machen große Behauptungen über das Fach­wissen und die Vorteile von PE, aber wir konnten dies nicht feststellen“, erklärt Borsa.

Auch die letztendliche Größe der PE-Beteiligung in fast allen Fachbereichen des Gesundheitswesens habe ihn überrascht. Laut Studie haben allein seit 2021 die weltweiten Übernahmen im Gesundheitswesen 200 Milliarden US-Dollar (etwa 184 Milliarden Euro) betragen. Erwartet hätten die Wissenschaftler zudem, dass sie mehr Forschungsergebnisse aus anderen Ländern als den USA – insbesondere Europa – finden würden. Dem war aber ganz offensichtlich nicht so.

Wichtiger Forschungsbereich

Wenn es nach Alexander Borsa geht, steckt in der Frage nach den Auswirkungen des Anstiegs von Private-Equity-Beteiligungen im internationalen Vergleich noch viel Musik. „Wir glauben, dass dies ein wichtiger Bereich ist, mit dem sich Forscher in Zukunft befassen sollten, zum Teil wegen der wichtigen politischen und regionalen Unterschiede in der Gesundheitsversorgung“, erklärt er gegenüber der DAZ. |

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