Management

Bewerber mit Migrationshintergrund

Was Apothekenleiter bei der Einstellung und der Personalentwicklung beachten sollten

Sichere Deutschkenntnisse in Wort und Schrift sowie kommunikative Kompetenzen sind für die Anwendung des Fachwissens im Apothekenalltag unabdingbar. Worauf ist bei der Einstellung der ausländischen Mit­arbeiter zu achten, wie können sprachliche Probleme bewältigt werden?

Die PTA- und PKA-Klassen sind „bunt gemischt“, hier treffen viele Nationalitäten aufeinander. Etliche Auszubildende fangen ihre Ausbildung kurz nach der Flucht aus dem Heimatland an. Die Deutschkenntnisse, die für den erfolgreichen Abschluss der theoretischen Ausbildung aus­reichend sind, können sich in der Praxis als mangelhaft herausstellen. Einige Bewerber haben, trotz abgeschlossener oder in Deutschland anerkannter Ausbildung, Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Es ist nicht selten ein intensiver Anlernprozess notwendig, damit die frischgebackenen PTA und PKA mit sprachlichen Problemen souverän den Arbeitsalltag bewältigen und dem Team eine Stütze sein können.

Ein „roher Diamant“ oder ein Risiko?

Sprachkenntnisse sind ein fundamentaler Bestandteil, damit Tätigkeiten, die in der öffentlichen Apotheke anfallen, professionell erledigt werden können. Es ist zwar ein Risiko für den Arbeit­geber, jemanden einzustellen, der schlecht Deutsch spricht, dennoch können auch solche Mitarbeiter ein großes Potenzial haben. Potenzial kann allerdings selten den Zeugnissen entnommen werden, lediglich die Entwicklung der Leistung an der Berufsschule kann einen Hinweis dafür liefern. Bitten Sie daher den Bewerber, die Zeugnisse aus der gesamten Ausbildung einzureichen, denn nur so kann eine positive oder eine negative Entwicklung festgestellt werden. Zudem können auch die Fehlzeiten darauf hindeuten, wie strebsam und motiviert der Bewerber während seiner Ausbildung war. Sowohl die Noten als auch die Fehlzeiten sollten allerdings mit Vorsicht interpretiert und im Gespräch hinterfragt werden.

Wie erfolgt eine Anerkennung der Berufsabschlüsse aus dem Ausland?

Die Anerkennung des Ausbildungsberufes ist formaler Natur – es werden Dokumente verlangt, die die Äquivalenz der ausländischen Ausbildung oder des Studiums belegen, sowie ein Nachweis der Sprachkenntnisse auf dem B2-Niveau. Fachsprache wird bei der Anerkennung des PTA-Berufes nicht berücksichtigt, bei der Anerkennung der Approbation wird in der Regel zusätzlich eine Fachsprachenprüfung abgelegt.

Noten sind (nicht) aussagekräftig

Schauen Sie jeden Bewerber individuell an, denn es ist ein Unterschied, ob der Kandidat schon lange in Deutschland lebt oder ob er erst kürzlich aus seiner Heimat geflüchtet ist. Letzterer kann trotz mäßiger Noten größeres Potenzial mitbringen als ein Mitbewerber, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und gut Deutsch spricht, aber ähnlich schlechte Noten in der Ausbildung erlangt hat. Derartige Zeugnisvergleiche ergeben allerdings nur dann Sinn, wenn es sich um Berufsstarter handelt. Bei Berufserfahrenen geben Noten, die in der Ausbildung erzielt wurden, kaum Auskunft über die beruf­liche Leistung und das Potenzial.

Professionelle Eignungs­diagnostik hilft

Freiberufliche Arbeitspsychologen, die Eignungsdiagnostik nach DIN 33430 durchführen, können mit psychologischen Testverfahren das Potenzial der Bewerber messen (s. Tabelle). Durch den Einsatz psychologischer Tests können sowohl Personen mit hohem kognitivem Potenzial erkannt werden als auch Personen, die weniger begabt sind. Solche Verfahren können übrigens nicht nur bei Bewerbern mit Migrationshintergrund angewendet werden, sondern generell bei allen Bewerbern. Beachten Sie, dass psycho­logische Tests, die eine valide Aussage über Potenzial und Intelligenz der Bewerber machen, ausschließlich von Psychologen eingesetzt und interpretiert werden dürfen. Frei zugängliche Testverfahren, die jedermann auswerten kann, erfüllen nicht die Kriterien der zuverlässigen psychologischen Instrumente.

Sprachkurse als strategische Personalentwicklung

Bedenken und Sorgen, ob der neue Mitarbeiter ein Gewinn oder eher eine Belastung für das Team bedeuten wird, sind nicht irrational: Ein Mitarbeiter, der sich mit Kunden nicht verstän­digen kann, leistet nicht das, was Kunden und Team erwarten. Auch wenn der Arbeitgeber zu Recht für den Berufsalltag entsprechende Deutschkenntnisse beim Bewerber mit Migrationshintergrund erwarten sollte, zeigt der Alltag ein anderes Bild. Die nahezu wichtigste Personalentwicklungsmaßnahme für Kandidaten mit schlechten Deutschkenntnissen sind daher Deutschsprachkurse. Es geht nicht um einen formalen Nachweis der Kompetenz, sondern ausschließlich um einen forcierten und intensiven Spracherwerb. Hierbei lohnt sich eine Sprach­beratung z. B. durch die Fach­stelle Berufsbezogenes Deutsch, damit die Maßnahme zum Erfolg führt (s. Tabelle).

Tab.: Weiterführende Informationen
Die Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch berät Betriebe, die Mitarbeiter aus dem Ausland eingestellt haben oder einstellen wollen, und unterstützt sie, sodass die zugewanderten Mitarbeiter passgenau die Sprachkenntnisse erlernen, die sie für die Bewältigung ihrer konkreten Aufgaben im Unternehmen benötigen.
Toolbox für Geschäftsführungen und Personalverantwortliche in Print, als App und als Online-Anwendung. Dieses Tool zeigt, wie personale Vielfalt in Betrieben fair und effektiv umgesetzt werden kann.
Das Netzwerk bietet u. a. Informationen zu Rechtsfragen und Integra­tionsinitiativen und veröffentlicht Praxistipps und gute Beispiele zur Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung.
Das Angebot richtet sich an Beschäftigte und Unternehmen und arbeitet an der Zielsetzung, die Arbeitsmarktchancen und Integration der Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern.
DIN 33430 ist eine Möglichkeit, Eignungsbeurteilung fair und vergleichbar zu gestalten. Das Portal erleichtert das Finden professioneller Spezialisten auf diesem Gebiet.
KIIK ist ein Anbieter wissenschaftlich fundierter Fortbildungen und Beratungsdienstleistungen im Themenfeld Migration und Integra­tion, Diversität und interkulturelle Kompetenz.

Personalentwicklung absichern

Für Ihr Engagement – die persönliche Sprachentwicklung des Mitarbeiters zu fördern – dürfen Sie als Apothekeninhaber im Gegenzug erwarten, dass Sie auch tatsächlich von dem Abschluss der Fortbildung profitieren. Für den Besuch der intensiven (täglichen) Sprachkurse müssen finanzielle und zeitliche Ressourcen eingeplant werden. Durch eine Regelung zur Kostenübernahme mit gestaffelter Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der zeitnahen Beendigung des Arbeitsverhältnisses können Sie sich als Arbeitgeber in gewissem Maße absichern.

Kommunikation ist mehr als reine Sprache

Erfolgreiche Kommunikation am Arbeitsplatz ist ein zentraler Bestandteil beruflicher Handlungskompetenz. Die Förderung und Entwicklung der Sprachkenntnisse bei Mitarbeitern, die schlecht Deutsch sprechen, ist daher für Sie als Apothekeninhaber nachhaltig und notwendig. Es ist wichtig, dass alle Mitarbeiter eine gemeinsame Sprache sprechen und sowohl im Kundengespräch als auch im Team verbal sowie nonverbal adäquat kommunizieren können. Fehlen fundierte Sprachkenntnisse, so nehmen im Laufe der Zeit Konflikte zu – mit allen dazugehörigen Konsequenzen.

Integration ist „ein Geben und ein Nehmen“

Interkulturelle Kompetenzen sind nicht nur vonseiten des Teams von Bedeutung, sondern auch vonseiten des Bewerbers, denn sie machen eine erfolgreiche Integration aus. Es ist wichtig, die Vielfalt im Betrieb sowie die individuellen Kenntnisse, Kompetenzen und kulturellen Hintergründe der Mitarbeiter zu kennen und zu respektieren. Dennoch müssen sich alle Mitarbeiter an die gleichen Vorgaben halten, sei es, wenn es um die Regelung der Pausen, den Gesundheitsschutz oder die Arbeitssicherheit geht. Formelle und informelle Regeln sollen daher allgemeingültig für alle in einem Betrieb sein – unabhängig von der Herkunft der Mitarbeiter. Lassen Sie überdies das gesamte Team inklusive Chef in interkulturellen Kompetenztrainings schulen. Dies fördert die Integration auf der einen Seite und die Toleranz auf der anderen – dadurch werden kulturelle Unterschiede auch auf der metakommunikativen Ebene bewusster und verständlicher.

Training von interkulturellen Kompetenzen

Das Erlernen der interkulturellen Kompetenzen gehört nicht zu den Standardfortbildungen, die Apothekenmitarbeiter besuchen. Obwohl gerade diese Soft Skills und das Wissen über kulturelle Unterschiede sowohl beim Umgang mit Kunden als auch mit Kollegen sehr bedeutsam sind. Kunden unterschiedlicher kul­tureller Herkunft werden von Apothekenteams versorgt, deren Mitglieder oft ebenfalls über unterschiedliche Hintergründe verfügen. Für angemessenes Handeln ist es daher wichtig, sich über unterschiedliche Einstellungen zu Familie, Zeit, Autorität, aber auch andere Wahr­nehmungen von Gesundheit, Krankheit oder Schmerz im Klaren zu sein. Kulturelle Besonderheiten können entweder in Bezug auf sehr vielfältige Werte und Normen oder auf konkrete Verhaltensweisen und Kommunikationsgewohnheiten bestehen. Häufig entscheiden nicht die sichtbaren Elemente wie Kleidung oder das Aussehen, sondern die unsichtbaren inneren Werte sowie Einstellungen über das Verhalten der Menschen.

Allerdings greifen Menschen häufig bei Begegnung mit fremden Kulturen auf Stereotypen zurück – zumindest solange sie sich noch nicht persönlich kennengelernt haben. Besonders in der Anfangsphase des Kontakts wird das Verhalten beider Seiten stark von verallgemeinerten Fremdbildern geleitet sein. Auf der einen Seite erleichtern und lockern Stereotype die Kommu­nikation, auf der anderen Seite können Verallgemeinerungen auch persönlich unangenehm sein – insbesondere dann, wenn daraus negativ besetzte Vor­urteile entstehen.

Wichtig dabei ist es zu wissen, dass sehr gute Sprachkenntnisse noch kein Zeichen einer guten Integration und Assimilation sind, denn neben der sicheren Sprache gehört auch die Vertrautheit mit kulturspezifischen Ritualen und Annahmen dazu. Ist das nicht der Fall, können Spannungen und interkulturelle Missverständnisse zwischen den Mitarbeitern oder im Kundenkontakt entstehen. Und um solche Konflikte zu vermeiden, werden interkulturelle Kompetenzen sowohl auf der Seite der Bewerber als auch der Mit­arbeiter benötigt. Die Einführung in die deutsche Kultur kann ausländischen Bewerbern mehr oder weniger „on the Job“ behutsam ver­mittelt werden. Das Erkunden der vielfältigen „anderen“ Kulturen geschieht allerdings am besten im Rahmen der strukturierten interkulturellen Trainings (s. Tabelle).

Vielfalt lohnt sich

Betriebe, die auf Vielfalt setzen, erschließen leicht neue Kundengruppen und haben ein positives Image. Die Kundschaft in der Apotheke ist sehr vielfältig und Mitarbeiter, die andere Sprachkenntnisse mitbringen, sind sehr wertvoll. Stärken Sie den Zusammenhalt Ihres Teams! Vermeiden Sie Gruppenbildungen, Stereotypisierungen oder Ausgrenzung einzelner Mitarbeiter und fördern Sie das Zusammengehörigkeitsgefühl. Teambuilding-Maßnahmen wie gemeinsame Unternehmungen oder Feiern stärken das „Wir-Gefühl“, fördern die Produktivität und erleichtern die Integration der Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln in das Team und in die deutsche Kultur. |

Tatiana Dikta, B. Sc. Psychologie, Lehrassistentin an der PTA-Schule, PTA, 
www.tatiana-dikta.de

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