- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 13/2023
- Überbehandlung des Typ-2...
Arzneimittel und Therapie
Überbehandlung des Typ-2-Diabetes erhöht Mortalität
HbA1c-Wert sollte nicht zu weit gesenkt werden
In aktuellen Diabetes-Leitlinien wird nicht mehr eine strenge Senkung des HbA1c-Werts unter 7% (unter 53 mmol/mol) empfohlen, sondern eine individualisierte Therapie anhand des persönlichen Gesundheitszustandes. Hierbei sollen Komorbiditäten und die voraussichtliche Lebenserwartung abgewogen werden gegenüber der Möglichkeit, mikrovaskuläre Diabetes-Komplikationen zu verhindern. Das heißt, der potenzielle Langzeitnutzen der blutzuckersenkenden Therapie soll den kurzfristigen Komplikationen wie schweren Hypoglykämien gegenübergestellt werden. Denn eine Diabetes-Überbehandlung geht meist mit Hypoglykämien einher, welche zu Stürzen und Frakturen, kardiovaskulären Ereignissen, Krämpfen sowie Koma führen können.
In einer Substudie der europäischen OPERAM-Studie wurde nun untersucht, inwiefern eine Diabetes-Überbehandlung das Risiko für funktionellen Verfall, Krankenhauseinweisungen und Mortalität erhöht. Hierbei wurden die Daten von 490 Patienten aus vier europäischen Ländern (Schweiz, Niederlande, Belgien, Irland) analysiert. Als Diabetes-Überbehandlung wurde Folgendes definiert: Therapie mit einem blutzuckersenkenden Arzneimittel, welches ein hohes Hypoglykämierisiko umfasst (Insulin, Sulfonylharnstoffe, Glinide) während der
- HbA1c-Wert < 53 mmol/mol (7,0%) bei Patienten mit gutem Gesundheitsstatus ist
- HbA1c-Wert < 58 mmol/mol (7,5%) bei Patienten mit mittlerem Gesundheitsstatus ist
- HbA1c-Wert < 64 mmol/mol (8,0%) bei Patienten mit schlechtem Gesundheitsstatus ist.
Der Gesundheitsstatus wurde in der Studie anhand der Komorbiditäten, dem funktionellen Status, dem psychischen Status und der Wohnsituation beurteilt. Von den 490 analysierten Patienten hatten 15,7% einen guten, 42,9% einen mittleren und 41,4% einen schlechten Gesundheitsstatus. Im Median waren die Patienten 78 Jahre alt, hatten fünf Komorbiditäten und nahmen elf Arzneimittel pro Tag ein.
Kein Einfluss auf funktionellen Verfall und Hospitalisierung
Von den 490 Patienten erfuhren 168 (34,3%) eine Diabetes-Überbehandlung. Häufig (70,1%) umfasste diese eine Zwei- oder Dreifachtherapie mit mindestens einem Antidiabetikum mit hohem Hypoglykämierisiko oder war eine Monotherapie mit einem Antidiabetikum mit Hypoglykämierisiko (29,2%). Zwischen den Gruppen Diabetes-Überbehandlung (n = 168) und keine Diabetes-Überbehandlung (n = 322) konnte innerhalb der einjährigen Studiendauer kein signifikanter Unterschied bei der Hospitalisierungsrate (p = 0,115) und beim funktionellen Verfall (p = 0,088) festgestellt werden. Allerdings wurde in der Gruppe der überbehandelten Patienten eine signifikant höhere Mortalitätsrate beobachtet (Inzidenzrate 32,8% vs. 21,4%; p = 0,033). In der multivariaten Analyse war das Mortalitätsrisiko bei Überbehandlung um 64% höher im Vergleich zu keiner Überbehandlung. Hierbei wurde festgestellt, dass vor allem Patienten mit einer geringen Lebenserwartung gefährdet sind, eine Überbehandlung zu erfahren.
Fokus auf individuelle Therapie
Um bei älteren Personen das Diabetesmanagement zu verbessern, sind weitere Studien mit multimorbiden Patienten notwendig, mittels derer konkrete Therapieempfehlungen abgeleitet werden können.
Anhand der aktuellen Studie kann festgehalten werden, dass bei älteren Patienten mit Typ-2-Diabetes mehr Augenmerk auf eine individuelle Therapie gelegt werden muss. Diese sollte möglichst ohne Hypoglykämie-auslösende Wirkstoffe auskommen oder den HbA1c-Wert nicht zu stark senken. Auch im Rahmen einer Medikationsanalyse sollte dies berücksichtigt werden. |
Literatur
Christiaens A et al. Association between diabetes overtreatment in older multimorbid patients and clinical outcomes: an ancillary European multicenter study. Age and Ageing 2023;52(1):afac320, doi: 10.1093/ageing/afac320
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.