Skorbut ist kein Seemannsgarn

mp | Bei der Mangelkrankheit Skorbut klagen Patienten über Zahnfleisch- und Hautblutungen. Hinzu kommen Gangstörungen, weil die Knochen und Gelenke schmerzen. Eine Herzmuskelschwäche im fortgeschrittenen Stadium führt dann zum Tod. Die Symptome sind vor allem darauf zurückzuführen, dass mit Vitamin C ein wichtiger Cofaktor für die Collagen-Synthese fehlt. Im Zeitalter der Seefahrer forderte Skorbut das Leben unzähliger Matrosen, die über Monate kein Vit­amin C zu sich genommen hatten. Spätestens im 19. Jahrhundert nahm die deutsche Flotte stets Sauerkraut mit an Bord. Der Spitzname „Krauts“ für deutsche Matrosen bürgerte sich ein. Heute ist Skorbut für viele nichts weiter als Seemannsgarn. Denn in Deutschland jemanden mit manifestiertem Vitamin-C-Mangel anzutreffen, ist äußerst selten. Umso größer war die Verwunderung der Pädiaterin Dr. Sarah Krauter, einen Patienten mit den typischen Symptomen vorzufinden. Der extrem niedrige Vitamin-C-Blutwert des 14-Jährigen ließ jeden Zweifel verschwinden. Die Ärztin veröffentlichte den kuriosen Fall in der „Monatsschrift Kinderheilkunde“. Der Grund für den Skorbut des Patienten war keine Seefahrt, sondern eine Essstörung. Laut seinen Eltern ver­weigerte er die Einnahme von Obst und Gemüse quasi vollständig. Seit Monaten hatte er sich ausschließlich von Schoko-Vanille-Pudding ernährt.

Die Ärzte bauten die Ernährung allmählich parenteral auf und verabreichten Vitamin C in hohen Dosierungen. Die Skorbut-Symptome verschwanden schnell. Die Therapie der Essstörung wurde danach begonnen. Obst und Gemüse setzten die Ärzte schrittweise auf den Plan. Marktbesuche und gemeinsames Kochen sollten das Inte­resse für eine ausgewogene Ernährung wecken. Die Autoren des Fallberichts erinnern daran, dass sich zwanghafte Ernährungsgewohnheiten oft schon im frühkindlichen Alter manifestieren. Es ist wichtig, diese früh zu erkennen und zu behandeln. Denn dass die Folgen dramatisch sein können, ist alles andere als Seemannsgarn. |