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BVVA feiert 40-jähriges Jubiläum und eine neue Vorsitzende
BVVA-Jahrestagung und Mitgliederversammlung / Heike Gnekow übernimmt von Klaus Peterseim
Peterseim startete die Tagung, die am 10. und 11. Mai in Mainz stattfand, mit einer Rückschau auf vier Jahrzehnte Krankenhauspharmazie. Es begann 1983 mit einer Gesetzesnovelle, die den Grundstein für eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern legte. Ging es vorher in erster Linie um die reine Belieferung, kamen nun neue Aufgaben für die klinikversorgenden Apotheken dazu, geregelt in Verträgen, die klare Zuständigkeiten und Pflichten bestimmen. Grund genug, sich zu einem Bundesverband krankenhausversorgender Apotheker (BVKA) zusammenzuschließen. Seitdem taten sich immer wieder neue Herausforderungen und Rechtsfragen auf. Als besonders gelungene „Transformation“ hob Peterseim die Wendezeit 1989/1990 hervor. Schnell habe man die „Ost“-Apotheken von dem westdeutschen inhabergeführten System überzeugen und sie auch in den Verband integrieren können.
Neue Gebiete der Spezialversorgung
2002 zog dann die Heimversorgung ins Apothekengesetz. Schnell entdeckte der Verband die Parallelen zur Klinikversorgung. Hier wie dort gehe es um Qualität, Verlässlichkeit und pharmazeutischen Sachverstand, unterstrich Peterseim. Also wurde das Tätigkeitsfeld erweitert und an der Meinungsführerschaft gearbeitet. Unter Federführung von Dr. Johannes Pieck, der sich seinerzeit um die juristischen Fragen des Verbandes kümmerte, wurde ein erster Muster-Heimversorgungsvertrag entwickelt. Ein Vertrag, der bis heute beständig weiterentwickelt wird und im Deutschen Apotheker Verlag erscheint. Die Heimversorgung brachte aber auch neue Problemfragen auf – ein Stichwort ist die Verblisterung.
2016 stellte sich der BVKA noch breiter auf und nahm weitere Spezialversorger unter seine Fittiche: die Palliativ- und Substitutionsversorger. Zwei Jahre später wurde in der Konsequenz eine Umbenennung in „Bundesverband der Versorgungsapotheker“ beschlossen, die 2019 vollzogen wurde. Zuletzt hat man sich auch für Gespräche mit Vertretern von auf Hämophilie, Cannabis und HIV spezialisierte Apotheken geöffnet.
Stärkende Urteile höchster Gerichte
Peterseim warf zudem Schlaglichter auf wichtige Gerichtsentscheidungen, die nach langem Ringen und einigem Bangen zugunsten der Apotheken ausgingen. So wies der Europäische Gerichtshof 2008 die Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission gegen das in § 14 Apothekengesetz verankerte Prinzip der ortsnahen Versorgung von Krankenhäusern aus einer Hand durch krankenhausversorgende öffentliche Apotheken (bzw. durch Krankenhausapotheken) in vollem Umfang ab. Peterseim betonte, dass es gar nicht so leicht gewesen sei, die zuständigen Stellen dazu zu bringen, sich von der Kommission verklagen zu lassen. Doch das Wagnis hat sich am Ende gelohnt. Im Jahr 2012 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine krankenhausversorgende Apotheke in angemessener räumlicher Nähe zum Krankenhaus liegen muss – und dies bei einer Fahrtzeit von zwei bis drei Stunden nicht der Fall ist. Auch dies ist ein Meilenstein in der Arbeit des BVVA.
Politische Ziele des BVVA
In Zukunft stehen für den BVVA weitere Herausforderungen an. Zu den wichtigen politischen Baustellen gehört für Peterseim weiterhin die Abschaffung von Nullretaxationen – und zwar nicht mit den Einschränkungen, die die ABDA hier noch zugesteht. Zudem muss eine Lösung für die für Verblisterer schlicht nicht umsetzbare Pflicht zur Chargendokumentation gefunden werden. Auch im Übrigen gibt es bei der Verblisterung noch viele ungeklärte Rechtsfragen rund um Abgabe und Abrechnung. Kämpfen will der Verband auch dafür, dass § 11 Abs. 3 ApoG, der es ermöglicht, dass Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken jeweils aneinander Zytostatika abgeben dürfen, auf alle Arzneimittel zur parenteralen Anwendung ausgeweitet wird. Weitere Ziele sind die Sicherung des Regionalprinzips und Rechtssicherheit für die sektorenübergreifende Vor-Ort-Kooperation in der Arzneimittelversorgung in speziellen Versorgungsbereichen. So will der BVVA zum Beispiel für den Bereich der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) einen Mustervertrag auf die Beine stellen.
Ein Blick in die Zukunft
Auf dem Programm der Tagung stand zudem ein Vortrag von Professor Jochen Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsklinik in Essen. Er machte sich Gedanken zur künftigen Rolle von Apothekern und Apothekerinnen im Gesundheitswesen. Zunächst zog er allerdings ein ernüchterndes Fazit zum Status quo. Unser Gesundheitswesen sei längst nicht mehr das Beste der Welt, wie man jahrelang meinte. Vor allem bei der Digitalisierung gebe es enormen Nachholbedarf. Die Panik vor Datenmissbrauch habe sich hier als „Fortschrittsverhinderer“ und „Feind einer guten Versorgung“ erwiesen. Das müsse sich dringend ändern. Werner hofft nun, dass die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgelegte Digitalisierungsstrategie ihre Ziele erreicht – etwa dass bis 2025 die elektronische Patientenakte für mindestens 80 Prozent der Versicherten verfügbar ist. „Es geht um das, was umgesetzt wird, nicht um das was angekündigt wird“, betonte er.
Apotheken als Diagnostik-Knotenpunkte
Aus Werners Sicht verharrt unser System schon zu lange in einer „überkommenen Konsenskultur“ – es müsse grundlegend neu aufgesetzt werden, um nicht in eine Krise zu laufen. Dazu müsste man auch wagen, die Zahl der Krankenhäuser zu reduzieren und für eine Konzentration zu sorgen. Denn dass wir hierzulande von einem Pflegenotstand sprechen, liege daran, dass sich Deutschland überdurchschnittlich viele Klinikbetten leiste. Was die eigentliche Zahl der Pflegekräfte betrifft, befinde man sich im Vergleich mit anderen Ländern in der Mitte. Zudem sei es grundsätzlich nötig, dass die Berufsgruppen im Gesundheitswesen näher zusammenrücken. Auch im Verhältnis Arzt und Apotheker müsse man umdenken und ein „Agieren auf Augenhöhe“ anstreben. Schließlich fehlten mehr und mehr Hausärzte – gerade im ländlichen Raum brauche man innovative Lösungen unter Einbindung der Apotheken. In Werners Augen spricht nichts dagegen, dass Apotheken zu „Knotenpunkten“ grundlegender Diagnostikverfahren werden könnten.
Ein Aufschlag für die Apotheken-GmbH
Einem weiteren Zukunftsthema widmete sich am zweiten Tag Rechtsanwältin Dr. Constanze Püschel (D+B Rechtsanwälte). Ihr Anliegen war es, einen Aufschlag zu machen, um über eine neue Rechtsform für Apotheken zu sprechen. Bekanntlich dürfen Apotheken seit Jahrzehnten nur von eingetragenen Kaufleuten (e. K.) bzw. als Offene Handelsgesellschaft (OHG) geführt werden. Es gilt das Leitbild des „Apothekers in seiner Apotheke“. Aber ist das noch zeitgemäß? Wir befinden uns schließlich in Zeiten, da Apotheken immer stärkere wirtschaftliche Verantwortung tragen und damit höheren Haftungsrisiken ausgesetzt sind. Zudem wird es zunehmend schwierig, Nachfolger zu finden und die „Generation Z“ stellt neue Ansprüche an die Arbeitswelt. Man will es flexibler und ohne allzu drückende (finanzielle) Verantwortung. Dennoch wirken Gedanken über neue Rechtsform schnell disruptiv, räumt Püschel ein. Man denkt an Fremdbesitz und die Aufgabe von Verantwortlichkeiten – doch das muss sie aus ihrer Sicht nicht sein. Ihre Idee ist die einer Apotheken GmbH, die weder am Fremdbesitzverbot rüttelt noch an der Leitung in persönlicher Verantwortung. Auch im GmbH-Recht wäre es möglich, dass nur eine Person die Apotheke führt. Ein entscheidender Vorteil: Die Haftung mit dem Privatvermögen entfällt. Auch der beschränkte Mehrbesitz und das Regionalprinzip müssten nicht aufgegeben werden. Warum gerade der BVVA bei diesem heiklen Thema den Stein ins Rollen bringt, erklärte die neue Vorsitzende Heike Gnekow: Innerhalb des Verbandes gebe es nämlich die unüblich großen Strukturen. Wenn man auch in Zukunft bestehen bleiben und Bewährtes erhalten wolle, müsse man einfach anfangen, darüber nachzudenken und zu reden.
Neuer Vorstand gewählt
Bereits am ersten Tag der Jahrestagung hatte die BVVA-Mitgliederversammlung auch ihren Vorstand neu gewählt. Klaus Peterseim (Dom-Apotheke, Essen) stellte sein Amt des 1. Vorsitzenden nach 20 Jahren zur Verfügung. Einstimmig zu seiner Nachfolgerin gewählt wurde Heike Gnekow (Privilegierte Adler Apotheke, Hamburg). Sie ist in ihrem beruflichen Alltag vor allem auf die Heimversorgung spezialisiert und auf vielen Ebenen engagiert – z. B. als Referentin, aber auch beim E-Rezept war sie Vorreiterin. Gnekow ist bereits seit fünf Jahren im Beirat des BVVA aktiv. Peterseim und seine Vorstandskollegen zeigten sich überzeugt, mit Gnekow die Richtige für das Amt gefunden zu haben. Auch das Amt des 1. Stellvertretenden Vorsitzenden wurde neu besetzt: Karl-Heinrich Reimert hat seine Marien-Apotheke in Göttingen verkauft und machte den Posten frei. Einstimmig wählte die Mitgliederversammlung Dr. Guido Kruse (Schwanen Apotheke, Offenbach) zu seinem Nachfolger. Auch Kruse war bislang im Beirat tätig. Er vertritt den Bereich der Klinikversorgung. Das Amt des 2. Stellvertretenden Vorsitzenden, mit Fokus Heimversorgung, verbleibt bei Achim Gondermann (Oranien Apotheke Bad Camberg). Er wurde in Abwesenheit wiedergewählt. Ebenfalls in ihren Vorstandspositionen bestätigt wurden Michael Marxen (Kronen-Apotheke, Wesseling) als Schatzmeister und Christian Suter (Falken-Apotheken, Gründau) als Schriftführer.
Peterseim wird Ehrenpräsident
Erste Amtshandlung von Heike Gnekow war es, Peterseim zum Ehrenpräsidenten des BVVA zu ernennen. Es folgten anerkennende Worte für den seit Jahrzehnten berufspolitisch engagierten Apotheker. Professor Hilko Meyer, langjähriger juristischer Berater des BVVA, der ebenfalls seinen Rückzug ankündigte, betonte z. B., dass er ein so „kongeniales Zusammenwirken“ wie mit Peterseim noch in keinem Verband erlebt habe – und Meyer kennt sich mit Verbandsarbeit bestens aus. Michael Marxen würdigte die strategischen Fähigkeiten, die Diplomatie und Eloquenz des scheidenden BVVA-Chefs. Ganz vom berufspolitischen Radar geht Peterseim mit Sicherheit nicht so schnell. Derzeit ist er auch noch Präsident des Verbands der Zytostatika-herstellenden Apothekerinnen und Apotheker.
Zum weiteren Programm der Tagung gehörte am Mittwochabend eine gebührende Jubiläumsfeier mit gutem Essen und Musik auf einem Hofgut mit Blick über die Weinberge am Rhein. Am nächsten Morgen ging es dann weiter mit den schon traditionellen Satelliten-Symposien zur Heim-, Klinik-, Palliativ- und Substitutionsversorgung. |
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