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Retaxfall des Monats
Achtung Mehrkosten!
GKV zahlt nur, wenn ein Rabattarzneimittel nicht lieferbar ist
Seit Anfang Februar waren für bestimmte Wirkstoffe und Darreichungsformen, darunter verschiedene Antibiotika- und Fiebersäfte, die Festbeträge aufgrund der andauernden Lieferengpässe bis zum 30. April ausgesetzt. So sollten vor allem die Patienten von den durch teurere Alternativen entstehenden Mehrkosten entlastet werden. Nun wurde beschlossen, diese Festbetragsaussetzung vom 15. Juni bis zum Jahresende zu verlängern. Allerdings tritt das Problem mit den Mehrkosten auch bei anderen nicht lieferbaren Arzneimitteln auf, die nicht von der Festbetragsaussetzung betroffen sind.
Mehrkosten nur in Ausnahmefällen zulasten der GKV
An der im Rahmenvertrag festgehaltenen Regelung, wann Mehrkosten zulasten einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden dürfen, hat sich nichts geändert. Weiterhin gilt nach § 11 Abs. 3 Rahmenvertrag: „Ist bei einer Abgabe nach Absatz 2 kein Fertigarzneimittel zum Festbetrag verfügbar, trägt die Krankenkasse abweichend von § 31 Absatz 2 Satz 1 SGB V die Mehrkosten. Bezugsgröße für die Bemessung der Zuzahlung nach § 61 Satz 1 SGB V ist der Abgabepreis des Fertigarzneimittels.“
Die genannte Abgabe nach Absatz 2 bezieht sich dabei auf den Fall, dass kein Rabattarzneimittel verfügbar ist und die Apotheke ein anderes, lieferfähiges Arzneimittel auswählen muss. Die Beschränkung der Kostenübernahme besteht also weiterhin: Mehrkosten dürfen nur zulasten der GKV abgerechnet werden, wenn Rabattarzneimittel nicht lieferbar sind.
Mehrkostenretaxationen
Auch Retaxationen treten in diesem Bereich weiterhin auf. Dies zeigt unter anderem folgender Fall, den uns eine Apotheke vorstellte: Auf eine Verordnung über „Zostex 125 mg Tabletten 7 Stück N1 PZN 01389862“ zulasten der AOK Nordost (IK 109519005) gab die Apotheke das verordnete Präparat ab, da es zum Abgabezeitpunkt aufgrund von Lieferschwierigkeiten keine Alternative ohne bzw. mit nur geringeren Mehrkosten gab. Ein Rabattarzneimittel gab es zum Abgabezeitpunkt nicht. Die Abgabe wurde per Sonder-PZN auf dem Rezept dokumentiert und nochmals handschriftlich begründet. Allerdings wurden der Apotheke im Nachgang die Mehrkosten mit der Begründung „Preis über Arzneimittel-Festbetrag“ retaxiert. Streng nach Rahmenvertrag beurteilt, ist die Krankenkasse mit dieser Retaxation im Recht – die Apotheke, die die Mehrkosten nicht dem Patienten in Rechnung gestellt hat, hat das Nachsehen. Ob Patienten aber für Mehrkosten aufkommen müssen, wenn Nichtrabattarzneimittel nicht lieferbar sind, darf infrage gestellt werden.
Diese Auffassung vertritt auch das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und fordert Klärung im Rahmenvertrag. Nachfolgend ein Auszug aus einem Schreiben des BAS (Rundschreiben des Bundesamts für Soziale Sicherung, „Mehrkosten bei Abgabe eines Arzneimittels“; 19. Januar 2022, AZ: 211-5411.3-1982/2020):
„Seit dem 1. April 2020 gilt mit Einfügung des Absatzes 4c in § 129 SGB V (aufgrund des Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz, GKV-FKG) eine Neuregelung zur Abgabe von Arzneimitteln für die Versorgung bei Lieferengpässen von Rabattarzneimitteln. Geregelt wird hierfür explizit auch die Nichtgeltung von Festbeträgen, wenn die Versorgung nur mit einem Arzneimittel oberhalb des Festbetrages möglich ist. Hierfür gilt ausdrücklich das Sachleistungsprinzip.
Eine gleichartige Situation kann sich jedoch auch ergeben, wenn notwendige festbetragsgeregelte Arzneimittel, für die keine Rabattvereinbarung besteht, nicht verfügbar sind. Nach uns vorliegenden Hinweisen aus der Praxis berufen sich dann die Krankenkassen zum Teil auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und sehen ihre Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten mit dem Festbetrag als erfüllt an (vgl. § 12 Abs. 2 SGB V, § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Allerdings sehen wir an dieser Stelle eine Verletzung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten nach § 2 SGB V. Die Abgabe des Arzneimittels über dem Festbetrag erfolgt hier nicht etwa auf Wunsch des Versicherten, sondern nur wegen der Lieferschwierigkeiten. Diese liegen nicht im Verantwortungsbereich des Versicherten.“
Auch im vorliegenden Fall hatte die Apotheke keine andere Möglichkeit, den Patienten zu versorgen. So sollten nach aktuellem Stand die Mehrkosten zunächst in der Apotheke vom Patienten bezahlt werden. Dieser kann dann die Quittung mit den ausgewiesenen Mehrkosten bei seiner Krankenkasse einreichen, damit ihm diese erstattet werden. Zielführend wäre zukünftig eine entsprechende Regelung im Rahmenvertrag analog der jetzigen Regelung in § 11 Abs. 3. Dann wäre die Abrechnung direkt über die GKV möglich.
Ein Kollege berichtete uns, dass er bei solchen Einsprüchen schon Erfolg hatte, allerdings nur mit reichlich „Papierkram“. Daher raten wir weiterhin zu einem Einspruch bei solchen Mehrkostenretaxationen. Andere Kollegen haben allerdings leider davon abweichende Erfahrungen gemacht, entsprechende Einsprüche wurden abgelehnt.
Ausnahmeregelungen zu Mehrkosten bei Krankenkassen
Um Apotheken und Patienten zu entlasten, sehen verschiedene Krankenkassen mittlerweile auch Erleichterungen bezüglich der anfallenden Mehrkosten vor. Jedoch gilt dies nur im Rahmen von Ausnahmeregelungen und oft nur für ausgewählte Wirkstoffe. Dies sollten Apotheken jeweils prüfen – vielleicht ergibt sich so doch die Möglichkeit, die Mehrkosten aufgrund von Lieferengpässen direkt mit der GKV abzurechnen. Ansonsten gilt weiterhin: Sofern Mehrkosten fällig werden und nicht Lieferschwierigkeiten eines Rabattarzneimittels ursächlich dafür sind, müssen diese Mehrkosten dem Patienten in Rechnung gestellt werden, um nicht in eine Retaxfalle zu tappen. Dann liegt der „Schwarze Peter“ leider beim Patienten, der versuchen sollte, die Mehrkosten bei seiner Krankenkasse einzureichen. |
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