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Phytotherapie

Mit Gelbwurz zu mehr Lebensqualität

Ist Curcumin eine Therapieoption bei Colitis ulcerosa?

Entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn haben in allen westlichen Industrieländern seit dem Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts stark zugenommen. Trotz verschiedener Therapieoptionen empfinden Betroffene derartige Erkrankungen vielfach als sehr belastend. Häufig wird nach „sanften“ Behandlungsmöglichkeiten mit pflanzlichen Alternativen Ausschau gehalten. Diese Nachfrage versuchen zunehmend Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln zu bedienen, so wird aktuell unter anderem Curcumin zur unterstützenden Behandlung unterschiedlicher entzündlicher Erkrankungen propagiert. | Von Kristina Jenett-Siems

Bei der Colitis ulcerosa handelt es sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung im Bereich des Dickdarms. Als charakteristisches Symptom tritt Durchfall auf, der schleimig oder blutig sein kann, auch Bauchkrämpfe und imperativer Stuhldrang sind häufig. Als Ursache wird eine Störung der Darmbarriere und des Zusammenspiels zwischen der Darmflora und dem Immunsystem im Dickdarm diskutiert. Umweltfaktoren oder Erreger könnten dazu beitragen, dass sich die Zusammensetzung der Darmflora ändert und die Darmbarriere gestört wird. Schließlich kommt es zu einer Aktivierung des Darmimmunsystems und, wahrscheinlich mitbedingt durch eine genetische Veranlagung, zu einer fehlgesteuerten Immunreaktion, die zu dauerhaften oder immer wiederkehrenden Entzündungen im Dickdarm führt. Zur Therapie der Schübe wird insbesondere das entzündungshemmend wirkende Mesalazin eingesetzt, außerdem Corticoide wie Beclomethason und Budesonid, die lokal angewendet werden. Bei schweren Verlaufsformen kommen zudem Immunsuppressiva, Januskinase-Inhibitoren oder TNF-Hemmer zum Einsatz [1]. Die aktuelle Colitis-ulcerosa-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten erwähnt im Bereich „komplementäre Therapieverfahren“ drei pflanzliche Optionen (jeweils Evidenzgrad 2, Empfehlungsgrad 0 = offene Empfehlung, kann erwogen werden), für die einzelne Studien von akzeptabler Qualität vorliegen. Es handelt sich hierbei um Flohsamenschalen sowie eine Kombination aus Myrrhe, Kamillenblüten-Extrakt und Kaffeekohle (Fertigarzneimittel Myrrhinil intest®) zur Remissionserhaltung und Curcumin. Die Autoren der Leitlinie identifizierten drei klinische Studien, in denen Curcumin (zweimal 1 g/Tag) in Kombination mit Mesalazin bzw. Sulfasalazin positive Effekte bei der Remissionsinduktion und -erhaltung zeigte, allerdings weisen die Autoren gleichzeitig darauf hin, dass in Deutschland keine zugelassenen Arzneimittel mit Curcumin zur Verfügung stehen [1].

Das steckt im würzigen Ingwergewächs

Gelbwurz-Arten wie Curcuma domestica (syn. C. longa) oder C. xanthorrhiza sind in Südostasien beheimatete Rhizom­stauden aus der Familie der Ingwergewächse. Sie liefern gelb-orange gefärbte und würzig-scharf schmeckende Rhizome, die ein sehr ähnliches Inhaltsstoffspektrum besitzen. Curcuma-Pulver, das aus dem gemahlenen Rhizom besteht, ist ein wesentlicher Bestandteil von Curry-Mischungen und somit ein nicht nur im asiatischen Raum weit verbreitetes Gewürz. Charakteristische Inhaltsstoffe sind die Curcuminoide, gelb gefärbte Dicinnamoylmethanderivate. Dominierend ist üblicherweise das Curcumin, daneben kommen Monodesmethoxycurcumin und Bisdesmethoxycurcumin vor (Abb.). Außerdem ist ein ätherisches Öl enthalten, das überwiegend aus Sesquiterpenen zusammengesetzt ist. Für beide Inhaltsstoffgruppen sind choleretische Wirkungen nachgewiesen worden [2], so dass die traditionelle Anwendung von Gelbwurzel bei dyspeptischen Beschwerden plausibel erscheint. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur stuft Curcuma auf der Basis von langjähriger Erfahrung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung leichter Verdauungsbeschwerden ein, wobei eine Tagesdosis von 1,5 bis 3 g des pulverisierten Rhizoms empfohlen wird [3]. Seit Beginn dieses Jahrtausends ist allerdings insbesondere die Anwendung von Curcumin bei verschiedenen entzündlichen Erkrankungen in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses geraten. In Tiermodellen und in vitro wurde in diesem Zusammenhang eine Vielzahl möglicher molekularer Targets identifiziert. So moduliert Curcumin NF-κB- sowie JAK/STAT-Signalwege, die Bildung proinflammatorischer Cytokine sowie die Aktivität von Enzymen wie Phospholipase A2, Cyclooxygenase 2 (COX-2) und 5-Lipoxygenase und hemmt die induzierbare NO-Synthetase. Die p38-mitogenaktivierte Proteinkinase (MAPK) reguliert intestinale Entzündungsreaktionen, ihre Aktivierung führt zu einer Expression verschiedenster proinflammatorischer Cytokine. In isolierten intestinalen Mucosazellen konnte gezeigt werden, dass Curcumin die p38-MAPK-Aktivierung inhibiert und auf diese Weise unter anderem die Ausschüttung von TNF-α reduziert [4, 5]. Speziell im Zusammenhang mit der Anwendung bei entzündlichen Darmerkrankungen wäre zusätzlich auch der Einfluss von Curcumin auf das Mikrobiom von Interesse, hier existieren erste kleine Untersuchungen, die auf eine positive Beeinflussung hindeuten, es bleiben allerdings auch noch viele Fragen zu klären [6, 7].

Abb.: Struktur der Curcuminoide aus Curcuma-Arten.

Studien mit Curcumin

Hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit von Curcumin wurden in den letzten Jahren vermehrt Studien an Patienten mit Colitis ulcerosa durchgeführt. In einer kürzlich publizierten Übersichtsarbeit analysierten Yin und Mitarbeiter sechs randomisierte klinische Studien mit einer Gesamtzahl von 385 Teilnehmern. Eine adjuvante Curcumin-Gabe erwies sich laut den Autoren als sicher und gut verträglich und unterstützte das Erreichen einer klinischen Remission (RR = 2,10; 95%-KI: 1,13 bis 3,89), allerdings besteht weiterhin ein Bedarf an größeren und auch langfristiger angelegten Studien, um die Effektivität von Curcumin bei den verschiedenen Stadien der Colitis ulcerosa (Schub, Remissionserhaltung) abschließend bewerten zu können [6, 8].

Ein bezüglich der Anwendung von Curcumin als Arzneistoff immer wieder diskutiertes Problem ist dessen ausgeprägte Lipophilie und damit einhergehend schlechte Wasserlöslichkeit und geringe Bioverfügbarkeit. Zusätzlich wird Curcumin bereits in der Darmmucosa und später in der Leber umfangreich verstoffwechselt, so dass selbst nach Gabe von mehreren Gramm Curcuma-Pulver kaum messbare Blutspiegel erreicht werden [9]. Hier haben viele Forschungsgruppen, aber auch die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln inzwischen reagiert und verwenden zunehmend Curcumin mit einer „verbesserten Bioverfügbarkeit“. So soll z. B. Piperin als Adjuvans die Biotransformation des Curcumins hemmen. Schiborr und Mitarbeiter konnten nach der Gabe von 500 mg mizellarem Curcumin eine mittlere Plasmakonzentration von 3228 nmol/L bestimmen, im Unterschied zu 7 nmol/L nach Applikation von nativem Curcumin. Auch mikronisiertes Curcumin (Theracurmin®) bzw. liposomale (Meriva®) oder Cyclodextrin-basierte (Cavacurmin®) Zubereitungen und nanotechnologische Verfahren sind Strategien, mit deren Hilfe sich die Bioverfügbarkeit in unterschiedlichem Umfang verbessern lässt [10, 11]. Entsprechende Präparate werden inzwischen auch in klinischen Studien verwendet. Beispielsweise untersuchten iranische Autoren in einer randomisierten Doppelblindstudie den Einfluss eines mizellaren Curcumin-Präparats (80 mg, dreimal täglich) als Zusatzmedikation zu Mesalazin auf die Leitsymptome und Lebensqualität von 56 Patienten mit milden bis moderaten Symptomen einer Colitis ulcerosa. Nach vier Wochen waren Symptome wie imperativer Stuhldrang signifikant stärker reduziert als in der Placebogruppe, und auch das allgemeine Wohlbefinden wurde unter Verum als signifikant besser eingeschätzt [12].

Nutzen-Risiko-Abwägung

Allerdings müssen neben den möglicherweise positiven Effekten von Curcumin-Präparaten mit verbesserter Bioverfügbarkeit auch die Aspekte der Verträglichkeit und Toxikologie im Blick behalten werden. Zwar gibt es aus den publizierten Studien mit derartigen Präparaten bisher keine Hinweise auf eine erhöhte Toxizität, dennoch kann man bisherige Grenzwerte – die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) hat im Rahmen der Bewertung von Curcumin als färbendem Lebensmittelzusatzstoff E 100 eine akzeptable tägliche Aufnahmemenge (acceptable daily intake, ADI) von 3 mg/kg Körpergewicht abgeleitet – nicht ohne Weiteres auf die neuartigen Produkte übertragen. Sowohl das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) als auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) haben bereits Stellungnahmen zu dieser Thematik veröffentlicht [13, 14]. Das BfR weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass insbesondere Präparate, die zusätzlich Piperin enthielten, in den letzten Jahren vermehrt in den Verdacht geraten sind, Leberschäden zu verursachen. Die Fälle traten überwiegend bei einer Einnahme von Mengen weit oberhalb der akzeptablen tägliche Aufnahmemenge auf, allerdings sei bei erhöhter Bioverfügbarkeit des Curcumins auch eine Gefährdung bei niedrigeren Dosierungen nicht auszuschließen. Insofern sieht das BfR dringenden Forschungsbedarf zur möglichen Hepatotoxizität von Curcumin mit verbesserter Bioverfügbarkeit, und das BVL empfiehlt für derartige Produkte eine Bewertung im Einzelfall hinsichtlich einer Zulassung als Novel Food.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es für Curcumin inzwischen vermehrt Hinweise auf positive Effekte bei entzündlichen Darmerkrankungen gibt. Allerdings handelt es sich bisher überwiegend um Pilotstudien oder kleine Studien über einen kurzen Zeitraum, deren Qualität aktuell nicht ausreicht, um damit eine Zulassung für ein Fertigarzneimittel zu erreichen. Dennoch befindet sich eine Vielzahl von Curcumin-haltigen Produkten im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt, ein Bereich, der weit weniger reguliert und kontrolliert ist als der Arzneimittelmarkt. Trotz strenger Auflagen, was gesundheitsbezogene Aussagen anbelangt, werben viele dieser Produkte mit einer Einsatzmöglichkeit bei entzündlichen Erkrankungen. In diesem Zusammenhang bleiben allerdings noch viele Fragen offen, so zum Beispiel bezüglich Qualität und Bioverfügbarkeit der einzelnen Produkte aber ebenso im Hinblick auf die optimale Dosierung. Außerdem ist es vor dem Hintergrund der vielfältigen und sehr unterschiedlichen Extrakte, die bisher in klinischen Studien eingesetzt wurden, nahezu unmöglich, die Ergebnisse dieser Untersuchungen einfach auf vorhandene Nahrungsergänzungsmittel zu übertragen. Schließlich sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Produkte mit verbesserter Bioverfügbarkeit hinsichtlich einer potenziellen Toxizität bisher kaum einzuschätzen sind. Wenn Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen dennoch erwägen, Curcumin-Präparate anzuwenden, so sollten sie unbedingt ermutigt werden, dies auch mit ihrem behandelnden Therapeuten abzustimmen. |

 

Literatur

 [1] Kucharzik T, Dignass A, Atreya R et al. Colitis ulcerosa. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankrankheiten (DGVS) (Hrsg.), Stand: 26. April 2021, AWMF-Registriernummer: 021-009; www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-009.html

 [2] Wang Y, Wang L, Zhu X et al. Choleretic Activity of Turmeric and its Active Ingredients. J Food Sci 2016;81:1800-1806

 [3] Assessment report on Curcuma longa L, rhizoma. EMA/HMPC/749518/2016. www.ema.europa.eu/en/documents/herbal-report/final-assessment-report-curcuma-longa-l-rhizoma-revision-1_en.pdf

 [4] Prasad S, Gupta SC, Tyagi AK et al. Curcumin, a component of golden spice: From bedside to bench and back. Biotechnol Adv 2014;32:1053-1064

 [5] Lin Y, Liu H, Bu L et al. Review of the Effects and Mechanism of Curcumin in the Treatment of Inflammatory Bowel Disease. Front Pharmacol 2022;13:908077, doi: 10.3389/fphar.2022.908077

 [6] Pituch-Zdanowska A, Dembinski Ł, Banaszkiewicz A. Old but Fancy: Curcumin in Ulcerative Colitis – Current Overview. Nutrients 2022;14:5249

 [7] Lopresti AL. The Problem of Curcumin and Its Bioavailability: Could Its Gastrointestinal Influence Contribute to Its Overall Health-Enhancing Effects? Adv Nutr 2018;9:41-50

 [8] Yin J, Wei L, Wang N et al. Efficacy and safety of adjuvant curcumin therapy in ulcerative colitis: A systematic review and meta-analysis. J Ethnopharmacol 2022;28:115041

 [9] Nelson KM, Dahlin JL, Bisson J et al. The Essential Medicinal Chemistry of Curcumin. J Med Chem 2017;60:1620-1637

[10] Schiborr C, Kocher A, Behnam D et al. The oral bioavailability of curcumin from micronized powder and liquid micelles is significantly increased in healthy humans and differs between sexes. Mol Nutr Food Res 2014;58:516-527

[11] Purpura M, Lowery RP, Wilson JM et al. Analysis of different innovative formulations of curcumin for improved relative oral bioavailability in human subjects. Eur J Nutr 2018;57:929-938

[12] Masoodi M, Mahdiabadi MA, Mokhtare M et al. The efficacy of curcuminoids in improvement of ulcerative colitis symptoms and patients’ self-reported well-being: A randomized double-blind controlled trial. J Cell Biochem 2018;119: 9552-9559

[13] Gemeinsame Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen, Stellungnahme zur Einstufung von Produkten, die Curcumin mit verbesserter Bioverfügbarkeit enthalten (02/2020). www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/expertenkommission/Stellungnahme_Curcumin.pdf;jsessionid=29A7DF8E8923A4B571F11171E1818088.internet942?__blob=publicationFile&v=3

[14] Curcumin in Nahrungsergänzungsmitteln: Gesundheitlich akzeptable tägliche Aufnahmemenge kann überschritten werden. Stellungnahme Nr. 040/2021 des BfR vom 14. Dezember 2021, www.bfr.bund.de/cm/343/curcumin-in-nahrungsergaenzungsmitteln-gesundheitlich-akzeptable-taegliche-aufnahmemenge-kann-ueberschritten-werden.pdf

Autorin

Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems studierte Pharmazie an der Freien Universität Berlin, wurde dort promoviert und hat sich 2003 für Pharmazeutische Biologie habilitiert, aktuelle Tätigkeiten: angestellte Apothekerin und Lehrbeauftragte an der FU Berlin.

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