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Wirtschaft

Patientenindividuelle Verblisterung nimmt Fahrt auf

Eine Marktanalyse auf Basis von Experteninterviews

Die Verblisterung von Arzneimitteln erreicht nach den Heimen zunehmend auch ambulante Pflegedienste und Selbstzahler als Kunden. Trotz der Dynamik in der Verblisterung gibt es bislang nur rudimentäre Daten dazu, wie viele Apotheken den Service anbieten, entweder indem sie selbst verblistern, oder mit einem Blisterzentrum zusammenarbeiten. Im Rahmen einer Studie wurden die entsprechenden Strukturen nun mithilfe von Experteninterviews untersucht. | Von Thomas Schmid

Die Verblisterung ist zweifellos am stärksten bei stationären Pflegeeinrichtungen verbreitet. In den letzten Jahren hat das Verblistern aber auch Einzug in die Versorgung der ambulanten Pflegedienste gehalten, 2022 wurden dort 6% der Einrichtungen mit Blistern versorgt [1]. Zudem haben die Apotheken in jüngster Zeit auch Selbstzahler als Kunden für diese Dienstleistung entdeckt und realisieren in diesem Segment derzeit deutlich höhere Preise als bei den Pflegeheimen [2]. Trotz dieser Dynamik gibt es aktuell allenfalls rudimentäre Informationen dazu, wie viele Apotheken in der Verblisterung aktiv sind.

Komplexe Marktstrukturen

Dies könnte nicht zuletzt daran liegen, dass die Marktstrukturen in der Verblisterung als durchaus komplex und heterogen bezeichnet werden können. Schließlich gibt es hier zum einen Apotheken, die im apothekenüblichen Rahmen nach § 34 ApBetrO verblistern. Zum anderen gehören zur Gruppe der in der Verblisterung aktiven Apotheken diejenigen, die sich von Blisterzentren beliefern lassen, die ihrerseits hierfür eine Herstellerlaubnis nach § 13 Arzneimittelgesetz (AMG) benötigen. Eine weitere Differenzierung der Strukturen ist möglich, wenn man die Apotheken danach unterscheidet, mit welchem Blistersystem sie vornehmlich arbeiten, also mit Schlauch-, Karten-, oder Becherblistern. Und schließlich können die Apotheken auch noch danach charakterisiert werden, ob sie mit Automaten verblistern, die mittlerweile für alle Systeme zur Verfügung stehen, oder manuell bzw. teilautomatisiert arbeiten.

Knapp ein Dutzend Experten befragt

Um Licht ins Dunkel der Apothekenstrukturen bei der Verblisterung zu bringen, wurden leitfadengestützte Interviews mit elf Experten geführt, die für Anbieter von Apothekensoftware, pharmazeutische Hersteller, Automatenhersteller bzw. -dienstleister und Hersteller von Blistersystemen tätig und in ihren Betrieben für die Verblisterung zuständig waren. Quantitative Aussagen der Experten wurden in die Auswertung einbezogen, wenn sie auf eigenen empirischen Erhebungen, also z. B. Umfragen oder Analysen der Kundendaten durch die Betriebe der Experten basierten.

Einigkeit bei Zahl selbst verblisternder Apotheken

Einigkeit herrschte unter den Experten zur Zahl der selbst verblisternden Apotheken. Hier gaben mehrere Experten auf Basis eigener Erhebungen bzw. Kundenzahlen robust an, dass sich die Summe der Kunden der drei dominanten Anbieter von Karten- und Becherblistern (Omnicell GmbH, i-meds GmbH, Medinoxx Deutschland GmbH) auf etwa 1750 Apotheken beläuft. Bei den Experten herrschte ebenfalls Übereinstimmung darüber, dass sich die Kunden dieser Anbieter nur sehr wenig überlappen (< 10%), sodass ohne Mehrfachzählungen konservativ geschätzt ca. 1600 Apotheken selbst verblistern und dabei Karten- bzw. Becherblister verwenden. Laut Experten sind hierunter etwa 30 Apotheken, die ihre Karten- bzw. Becherblister mit einem Automaten befüllen. Zu den 1600 Apotheken, die mit Karten- bzw. Becherblistern arbeiten, kommen laut Expertenschätzung etwa 140 Apotheken, die im apothekenüblichen Rahmen mit Automaten Schlauchblister befüllen. In Summe kann man demnach von etwa 1700 bis 1800 selbst verblisternden Apotheken sprechen.

Große Spannbreite bei von Blisterzentren versorgten Apotheken

Bei der Zahl der Apotheken, die mit Blisterzentren zusammenarbeiten, weichen die Einschätzungen der Experten deutlich voneinander ab. Hier ergab sich aus den Interviews eine Spanne von 1000 bis 2000 Apotheken, die laut Experten von Blisterzentren beliefert werden. Die Daten der Experten lassen sich plausibilisieren, indem man die jüngst erhobene Gesamtzahl der durch Blisterzentren versorgten Patienten von 180.000 [3] nimmt und durch die Zahl der Patienten teilt, die von einer durchschnittlichen mit einem Blisterzentrum kooperierenden Apotheke versorgt werden. Für die Zahl der Patienten je belieferter Apotheke standen Vergleichswerte für zwei große Blisterzentren (Steinweg Medical GmbH und Blisterzentrum Multidos) aus der Presse [4, 5] und für zwei weitere Blisterzentren von einem Experten zur Verfügung. Mit dieser Plausibilisierungslogik ergab sich eine Gesamtzahl an von Blisterzentren versorgten Apotheken von 760, 783, 1350 bzw. 1500.

Insgesamt etwa 3000 Apotheken in der Verblisterung aktiv

Addiert man die Expertenschätzungen zur Zahl der selbst verblisternden mit denen für die von Blisterzentren versorgten Apotheken erhält man eine Gesamtzahl von etwa 2700 bis 3800 Apotheken, die in der Verblisterung aktiv sind. Auch hier stellt sich die Frage, ob es dabei nicht zu Mehrfachzählungen kommt, also ob es nicht Apotheken gibt, die sowohl mit Blisterzentren zusammenarbeiten, als auch selbst verblistern. Tatsächlich sind dem Autor Apotheken bekannt, die nicht nur in der eigenen Blisterherstellung mit verschiedenen Systemen arbeiten, sondern sich zusätzlich auch noch von einem Blisterzentrum beliefern lassen. Dabei handelt es sich jedoch um sehr große Versorger, für die sich der Aufwand dieses komplexen Angebots aufgrund der großen Zahl versorgter Patienten lohnt. Insofern können Doppelzählungen hier nicht völlig ausgeschlossen werden, schlagen aber aufgrund der im Folgenden diskutierten geringen Zahl von Apotheken mit großem Versorgungsumfang nur in kleinem Umfang zu Buche. Selbst wenn man davon ausgeht, dass alle 150 „Großversorger“ mit mehr als 1000 versorgten Patienten über hybride Strukturen mit eigener Herstellung und Fremdbezug verfügen, ergibt sich eine Spanne der an der Verblisterung beteiligten Apotheken von 2550 bis 3650, sodass die Untersuchung zum Schluss kommt, dass insgesamt etwa 3000 Apotheken in der Verblisterung aktiv sind. Das entspricht in etwa der Hälfte der Zahl der Apotheken, die sich in der Heimversorgung betätigen und die von Witte und Herzog auf ein Drittel der deutschen Apotheken taxiert wird [6]. Einen Überblick über die Versorgungsstrukturen in der Verblisterung unter Einbeziehung der etwas mehr als 20 Blisterzentren mit Herstellerlaubnis nach § 13 AMG zeigt die Abbildung.

Abb.: Versorgungsstrukturen in der Verblisterung

Deutliche Marktkonzentration

Die Experten waren übereinstimmend der Meinung, dass es eine deutliche Marktkonzentration bei den in der Verblisterung aktiven Apotheken gibt. Oder anders ausgedrückt, dass es sehr viele Apotheken gibt, die nur wenige Patienten (z. B. nur ein bis zwei Heime) versorgen und ein Großteil der Versorgung durch wenige Apotheken stattfindet. Dabei deuten die Einschätzungen der Experten auf eine klassische „Paretoverteilung“ hin, das heißt etwa 20% der Apotheken versorgen etwa 80% der Patienten. Ein Experte machte eine sehr konkrete Aussage zur Marktkonzentration und sprach davon, dass etwa 150 Apotheken jeweils mehr als 1000 Patienten versorgen. In dieser Zahl sind laut dem Experten sowohl selbst verblisternde, als auch mit Blisterzentren kooperierende Apotheken enthalten. Einige Experten sprachen zudem von Tendenzen zur weiteren Marktkonzentration, z. B. vom Aufgeben kleinerer, selbst verblisternder Heimversorger. Im Widerspruch dazu wurden von mehreren Experten auch die sehr geringen Markteintrittsbarrieren für die Verblisterung herausgestellt, sodass sich aus den Interviews keine eindeutigen Trends bezüglich der weiteren Entwicklung der Marktkonzentration bei in der Verblisterung aktiven Apotheken ableiten ließen.

Weitere Untersuchungen sinnvoll

Die hier dargestellten Ergebnisse sollen einen Überblick über die Versorgungslandschaft in der Verblisterung geben. Eine in die Tiefe gehende Analyse der Marktstrukturen gerade im Hinblick auf die Anzahl der von Blisterzentren versorgten Apotheken und die Anzahl und Angebote von Apotheken mit hybriden und gemischten Versorgungsangeboten könnte helfen, ein noch detaillierteres Verständnis der Strukturen der Verblisterung aufzubauen. Hierfür sind andere methodische Ansätze jenseits der hier vorgestellten Expertenbefragungen erforderlich. |

 

Blistern auf der Interpharm

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Literatur

[1] Schmid T, Hoffmann F, Dörks M, Jobski K. Nurse-Filled Versus Pharmacy-Filled Medication Organization Devices – Survey on Current Practices and Views of Home Care Nursing Services. Healthcare 2022;10:620

[2] Schmid T, Hörbe L. Verblisterung für Selbstzahler – welches Honorar ist möglich? DAZ 2021;6:58-60

[3] Schmid T. Blisterzentren – Untypische Herstellbetriebe versorgen fast 180.000 Patienten. Pharm Ind 2022;84(12):1388–1392

[4] Sobotta S. Steinweg Medical GmbH versorgt von Gelsenkirchen aus Apotheken in ganz Deutschland. In Schalke wird jetzt geblistert. Meldung vom 2. Juni 2021, www.lokalkompass.de/gelsenkirchen/c-sport/in-schalke-wird-jetzt-geblistert_a1583357

[5] Blisterzentren. Blister 5 wird Multidos. Apotheke adhoc, Meldung vom 20. Juli 2019, www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/blister-5-wird-multidos-blisterzentren/

[6] Witte A, Herzog R. Betriebswirtschaftlich genauer kalkuliert – Wann und wie rechnet sich die Heimversorgung für die Apotheke? DAZ 2021;18:64

Autor

Prof. Dr. Thomas Schmid, Apotheker und Master of Business Administration (Stanford University), lehrt seit 2013 Betriebswirtschaft in der Gesundheitswirtschaft an der Hochschule Kempten und forscht dort zu betriebswirtschaftlichen Fragen in Apotheken.

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