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Bundestag berät ALBVVG

Parlamentarier sehen Nachbesserungsbedarf

ks | Der Regierungsentwurf für das Arzneimittel-Lieferengpass­bekämpfungs- und Versorgungs­verbesserungsgesetz (ALBVVG) kommt nicht nur spät, sondern greift auch an vielen Stellen zu kurz. So sieht es die Opposition im Bundestag – und auch einige Ampel-Parlamentarier sehen Nachbesserungsbedarf. Das wurde bei der ersten Beratung des Gesetz­entwurfs im Bundestag deutlich.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat es derzeit mit einigen schwergewichtigen Gesetz­gebungsvorhaben zu tun. Vor allem die geplante Krankenhausreform macht ihm zu schaffen. Die Pflege­reform hat der Bundestag vergangenen Freitag immerhin schon beschlossen. Dahinter schien das ALBVVG in der breiten öffentlichen Wahr­nehmung fast etwas unterzugehen. Dabei ist dieses schon recht weit fortgeschritten, während man auf die in Aussicht gestellten Digitalisierungsgesetze, zwei weitere Versorgungsgesetze und das Cannabis-Gesetz weiter wartet.

Am 24. Mai beriet der Bundestag den ALBVVG-Entwurf in erster Lesung. Lauterbach räumte ein, dass man zu lange gewartet habe, um eine Lösung für das schon lange bekannte Problem der Lieferengpässe herbeizuführen. Ein Grund für die jetzige Situation sei die Pandemie: In ihrer Folge sei es zu vielen nachgeholten Infektionskrankheiten gekommen. „Das hat die Anti­biotikaversorgung fast unmöglich gemacht, denn in der Pandemie ist weniger produziert worden.“ Zudem gebe es ein Systemproblem: Viele Generika seien infolge von Regularien wie Rabattverträgen „so billig auf dem Markt, dass sie, wenn ein Engpass auftritt, zuerst in Deutschland nicht mehr verfügbar sind“.

Nun wolle man in drei Stufen dagegen vorgehen. Am wichtigsten sei das langfristige Ziel, einen Teil der Produktion zurück nach Europa zu holen – beginnend bei Antibiotika, wo es bei Ausschreibungen künftig auch ein europäisches Los geben muss. Wenn dies eingespielt sei, so Lauterbach, werde man das System rollierend auf andere Arzneimittel ausdehnen. Zudem soll die Früherkennung von Engpässen verbessert werden und auch eine längere Lagerhaltung soll Abhilfe schaffen. Sofortmaßnahmen gebe es bei Kinderarzneimitteln, wo Rabattverträge und Festbeträge ausgesetzt würden.

Und die Apotheken?

Mit keinem Wort sprach Lauterbach die Apotheken an. Das hielt ihm der CDU-Bundestagsabgeordnete Georg Kippels umgehend vor. „Wo sind die Kämpferinnen und Kämpfer an der Theke zwischen den Herstellern und den Patientinnen und Patienten, die mit aller Kraft versuchen, den nach Medikamenten fragenden Erkrankten oder chronisch Erkrankten eine Lösung zu bieten?“ Angesichts der Pläne, den Apotheken für ihre Leistungen nun 50 Cent zuzugestehen, empfahl Kippels einen Blick in die Empfehlungen des Bundesrats zum ALBVVG-Entwurf. Die Länder hatten betont, dass dieser Betrag die Kosten nicht decke, sondern fakten- und evidenzbasiert anzuheben sei, um den Aufwand der Apotheken realistisch zu kompensieren. Das sollte sich die Ampel zu Herzen zu nehmen, so der Oppositionspolitiker.

Auch Kathrin Vogler von der Linksfraktion betonte, dass die 50 Cent pro ausgetauschtem Medikament den Aufwand nicht abdeckten. „Immerhin zeigt die Bundesregierung guten Willen“, sagte sie, „nur von gutem Willen kann keine Apothekerin ihre Beschäftigten bezahlen.“

Paula Piechotta, in der Grünen-Bundestagsfraktion für Apotheken und zudem für den Haushalt zuständig, hält von mehr Geld jedoch wenig. In den jetzt anstehenden parlamentarischen Beratungen werde es wichtig sein, komplexe Folgewirkungen und etwaige Mitnahmeeffekte zu bedenken, so Piechotta. Mehr Geld auszuschütten, ohne dass die Versorgung besser wird, ist für sie keine Option. „Wie schaffen wir es, dass wir es uns nicht mit neuen Vergütungs­pauschalen in den Lieferengpässen einrichten und häuslich gemütlich machen?“, fragte sie. Sie machte klar: Im Zentrum der Beratung werde nicht der Akteur stehen, „der am lautesten schreit und auch nicht der Akteur, der die großformatigsten Briefe an alle Abgeordneten schreibt“, sondern der Patient.

FDP und SPD gegen Nullretax

Ein anderes für Apotheken brennendes Thema sprach der FDP-Abgeord­nete Lars Lindemann an. Er erklärte, dass all diejenigen Abgabeerleichterungen, die im Rahmen der SARS-CoV-2-Bekämpfung geschaffen worden seien, weiter verstetigt werden sollen. Das dürfte auch das Retaxverbot im Engpass-Fall umfassen. Und seine Fraktion will noch mehr: Auch Nullretaxationen wolle man „nicht mehr sehen“.

Der apothekenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dirk Heidenblut, hält es ebenfalls für wichtig, die Frage der Retaxation nochmals anschauen. „In Zusammenhang mit diesen Austauschregeln darf den Apothekerinnen und Apothekern da gar nichts drohen“. Und auch die Nullretaxation sei etwas, „das nicht mehr in die Zeit gehört“ und von dem man wegkommen müsse.

Man darf nun gespannt sein, wie die Beratungen zum ALBVVG weiterlaufen und wie die Ampelfraktionen auf einen Nenner kommen. Die öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf ist mittlerweile für den 12. Juni geplant – und nicht mehr für den 14. Juni, dem Protesttag der Apotheken. |

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