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Arzneimittel und Therapie
Methylphenidat ist über zwei Jahre sicher
Auch bei längerer Anwendungsdauer wird das kindliche Wachstum nicht gebremst
Kinder und Jugendliche mit ADHS bekommen weltweit am häufigsten das Psychostimulans Methylphenidat (z. B. Ritalin®) verordnet. Dabei sind die kurzzeitigen Folgen der Medikation umfassend erforscht, aber zur langfristigen Anwendung gibt es noch offene Fragen. Daher wurde nun die Sicherheit von Methylphenidat in Bezug auf Wachstum, Entwicklung, psychiatrische und neurologische Gesundheit sowie Herzfunktion über zwei Jahre hinweg untersucht. Im Zeitraum von 2012 bis 2016 nahmen an der naturalistischen, prospektiven ADDUCE-Studie 1410 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 17 Jahren aus 27 europäischen Ländern teil. Sie wurden in drei Kohorten aufgeteilt:
- 756 Teilnehmer mit ADHS, die neu auf Methylphenidat eingestellt werden sollten (Methylphenidat-Gruppe),
- 391 Teilnehmer mit ADHS ohne Methylphenidat (unbehandelte Gruppe) und
- 263 Teilnehmer ohne ADHS (Kontrollgruppe).
Der überwiegende Teil der Studienteilnehmer war männlich (76,3%) und das Durchschnittsalter betrug 9,3 Jahre. Ausgeschlossen wurden Kinder, die bereits zuvor ADHS-Therapeutika erhalten hatten. Der primäre Endpunkt war die Wachstumsgeschwindigkeit im Vergleich zur Bevölkerung des gleichen Alters und Geschlechts, ermittelt mit dem Height Velocity Standard Deviation Score (HVSD-Score).
Im direkten Vergleich unterschieden sich die Teilnehmer der Methylphenidat- und der unbehandelten Gruppe hinsichtlich des Schweregrads der ADHS-Symptome und anderer Merkmale. Da Kinder mit schweren Symptomen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, mit Methylphenidat behandelt zu werden, wurde ein Propensity-Score-Matching vorgenommen, um die Unterschiede der beiden Gruppen auszugleichen (s. Kasten „Störgrößen berücksichtigen“). Danach fand sich kein signifikanter Effekt von Methylphenidat auf die Wachstumsgeschwindigkeit: Die Differenz der HVSD-Scores beider Gruppen lag nach zwei Jahren bei -0,07 (95%-Konfidenzintervall = -0,18 bis 0,04; p = 0,20). Außerdem zeigte eine Therapie mit Methylphenidat keine Auswirkungen auf die Entwicklung psychiatrischer oder neurologischer Symptome nach zweijähriger Therapie. Die Pulsrate sowie systolischer und diastolischer Blutdruck waren nach 24 Monaten leicht höher unter Methylphenidat als ohne. Während der Studiendauer traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf.
Störgrößen berücksichtigen
Propensity-Score-Matchings werden zur Auswertung von nicht randomisierten Studien eingesetzt, wenn sich zwei Gruppen in ihren Merkmalen unterscheiden. Hier kann der Propensity Score für die bekannten Störgrößen adjustieren.
Puls und Blutdruck kontrollieren
Die Ergebnisse zeigen, dass Methylphenidat auch langfristig sicher ist, obgleich Puls und Blutdruck regelmäßig überprüft werden sollten. In Bezug auf die Wachstumsgeschwindigkeit fanden sich im direkten Vergleich keine Nachteile. Dieses Resultat steht im Widerspruch zu früheren Studienergebnissen, insbesondere zu einem systematischen Review mit Metaanalyse derselben Forschungsgruppe von 2021, der ergab, dass Methylphenidat mit einem geringen Wachstumsdefizit, vornehmlich der Körpergröße, verbunden sein könnte [2]. Die klinischen Auswirkungen davon wurden jedoch damals als minimal eingestuft.
Eine wichtige Limitation der Studie war ein großer Verlust von Teilnehmern im Laufe des zweijährigen Follow-up: Nur rund die Hälfte nahm bis Studienende teil (53,5%). |
Literatur
[1] Man KKC et al. Long-term safety of methylphenidate in children and adolescents with ADHD: 2-year outcomes of the Attention Deficit Hyperactivity Disorder Drugs Use Chronic Effects (ADDUCE) study. Lancet Psychiatry 2023;10:323–333, doi: 10.1016/S2215-0366(23)00042-1
[2] Carucci S et al. Long term methylphenidate exposure and growth in children and adolescents with ADHD: A systematic review and meta-analysis. Neurosci Biobehav Rev 2021;120:509–525, doi: 10.1016/j.neubiorev.2020.09.031
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