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Pharmazeutische Dienstleistungen

Ein langer Weg, damit das Richtige in die Tüte kommt

Ein Rückblick zum Jahrestag des Schiedsspruchs zu den pharmazeutischen Dienstleistungen

Seit einem Jahr können Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen anbieten, die von den Krankenkassen bezahlt werden. Lange hatte die Apothekerschaft dafür gekämpft, auch für Leistungen vergütet zu werden, die nicht unmittelbar an die Arzneimittelabgabe geknüpft sind – nicht zuletzt, um ihren Status als Heilberufler zu stärken. Zeit für einen Rückblick auf einen langen, steinigen Weg – und eine Bestandsaufnahme. | Von Kirsten Sucker-Sket

Am 10. Juni 2022 wurde der Schiedsspruch bekannt, der die fünf pharmazeutischen Dienstleistungen, die von den Krankenkassen honoriert werden, festlegt sowie deren Vergütung und Abrechnung regelt. Von einem „Quantensprung“ sprach damals ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Over­wiening. Denn erstmals erhielten Apotheken die Möglichkeit, selbst Leistungen zulasten der Gesetzlichen Krankenver­sicherung – und auch der privaten Versicherungen – auszulösen. Dahinter steckt eine lange Geschichte.

Apotheken können mehr

Die ABDA hatte über viele Jahre hinweg für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen gekämpft. Denn allen war klar: Apothekerinnen und Apotheker können mehr als Arzneimittel abgeben. Allerdings war ihre Vergütung stets an diese Arzneimittelabgabe gebunden. Auch im 2014 von der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker verabschiedeten „Perspektivpapier 2030“ wurde der Wunsch nach von den Kassen honorierten Dienstleistungen deutlich.

Erste Anläufe mit ernüchterndem Ende

Doch die Rechtslage gab das lange nicht her. Grundsätzlich sieht (und sah) das Sozialgesetzbuch 5. Buch (§ 129 Abs. 5 SGB V) vor, dass Krankenkassen oder ihre Verbände auf Landesebene Verträge mit den Apothekerverbänden schließen können – ergänzend zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung. Allerdings nennt der Gesetzestext Dienstleistungen nicht explizit als möglichen Vertrags­gegenstand. Dennoch gab es verschiedene Anläufe von Kassen und Apothekerverbänden, besondere Beratungs­leistungen der Apotheken zu vergüten.

„Schon kurz nach dem Schiedsspruch letztes Jahr haben alle meine Approbierten und PTAs mindestens eine Fortbildung zu den Themen besucht. Die ersten pDL waren noch von Unsicherheit geprägt: Was muss ich alles dokumentieren, was sage ich wann und wie dem Patienten, wie spreche ich ggf. mit dem behandelnden Arzt. Aber mit jeder pDL, die man durchführt, bekommt man etwas mehr Routine. Die Patienten sind dankbar, dass wir uns die Zeit nehmen. Und für uns ist es eine tolle Möglichkeit, wieder einmal pharmazeutisch und nicht reine weg bürokratisch zu arbeiten.“

Apotheker Daniel Mädler, Sachsen

So schlossen im Jahr 2013 die AOK Bayern und der dortige Apothekerverband einen Kooperationsvertrag zur Schwangerenberatung. Apothekerinnen und Apotheker sollten Schwangere – nachdem sie eine Liste der von ihnen verwendeten Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel erstellt haben – nach klaren Vorgaben beraten. Die vereinbarte Vergütung lag bei 33 Euro pro Beratung einer Schwangeren. Doch der Vertrag lief nur rund ein Jahr. Denn die Aufsichtsbehörde, in diesem Fall das Bayerische Gesundheitsministerium, intervenierte. Sie bemängelte, dass es an einer Rechtsgrundlage für den Vertrag fehle.

Ebenso erging es einem 2014 zwischen der Techniker Krankenkasse und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) geschlossenen Vertrag zur pharmazeutischen Beratung von Diabetikern. Dabei handelte es sich um den bundesweit ersten Vertrag zum Medikationsmanagement ohne Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten. Rund 50 Euro sollte es von der TK für die Apotheken pro Patient geben. Doch auch hier schritt die Aufsicht ein: Das zuständige Bundesversicherungsamt vermisste ebenfalls die Rechtsgrundlage.

„Pharmazeutische Dienstleistungen sind eine großartige Chance, die Apotheke vor Ort zu positionieren – im Team, mit dem Team, im lokalen Gesundheitsumfeld und bei unseren Kunden und Kundinnen. Wir bieten eine patientenorientierte Pharmazie. Das schafft Vertrauen und eine hohe Kundenbindung.

Um die pDL langfristig und effizient zu etablieren, benötigen wir dringend einen durchgängigen digitalen Workflow und mehr Sichtbarkeit – von pDL und der Apotheken vor Ort.“

Apothekerin Tatjana Buck, Baden-Württemberg

ABDA macht mobil

In der Folge warb die ABDA in der Politik immer wieder dafür, eine sichere Rechtsgrundlage für Dienstleistungsvereinbarungen mit den Kassen zu schaffen. Mehrmals brachte sie in Stellungnahmen zu verschiedenen gesundheitspolitischen Gesetzgebungsverfahren eine entsprechende Forderung ein. Allerdings lange ohne Erfolg. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verwies unter anderem auf die Rechtsgrundlage für das ARMIN-Projekt zum Medikationsmanagement. In diesem Modell sollten erst einmal Erfahrungen gesammelt werden. Zudem stellte sich das Ministerium auf den Standpunkt, der GKV-Spitzenverband könnte in seinem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung pharmazeutische Dienstleistungen aufnehmen.

Auf dem Deutschen Apothekertag 2017 beschloss die Hauptversammlung einen Antrag mit dem Titel „Honorierte Dienstleistungen von Apotheken rechtssicher verankern“. Die neue Bundesregierung sollte danach eindeutige Rechtsgrundlagen schaffen, die dem DAV und den Landesapo­thekerverbänden den rechtssicheren Abschluss von Ver­trägen über die Erbringung und Vergütung von pharma­zeutischen Dienstleistungen mit den gesetzlichen Krankenkassen ermöglichen.

„Wir haben uns entschieden, drei der fünf möglichen pDL zu erbringen: Blutdruckmessung, Schulung Inhalationsarzneimittel und Polymedikation. Tatsächlich praktikabel erscheint uns aber nur die Blutdruckmessung und die Medikationsanalyse. Die Erklärung von Inhalationssystemen erfolgt in der Regel bei der Abgabe. Hier nachträglich eine Unterschrift für die geleistete Beratung zu verlangen, erscheint uns komisch. Vielleicht müssen wir uns da unsere Strategie nochmals überlegen. Blutdruckmessung und Medikationsanalyse machen wir mit Terminvergabe. Die Blutdruckmessung ist ja gar kein Problem. Und auch die Medikationsanalyse ist keine Raketentechnologie. Man muss die Patienten aktiv ansprechen und auf die neue Möglichkeit hinweisen. In der Phase sind wir gerade. Die Patienten registrieren die neue Dienstleistung, sind aber häufig nicht sofort bereit, diese in Anspruch zu nehmen. Tatsächlich willige Kunden zu finden, ist momentan unsere Herausforderung. Wir arbeiten gerade daran, Formulierungen zu finden, mit denen wir unsere Erfolgsquote verbessern.

Unsere Motivation ist in erster Linie, endlich zeigen zu können, was pharmazeutisches Arbeiten bedeutet. Dass sich dahinter mehr verbirgt, als einfach nur Arzneimittel über den HV Tisch zu reichen. Dass sich Apotheken nicht auf Pröbchen und die Umschau reduzieren lassen. Von daher hoffe ich, dass möglichst viele Apotheken die Chance ergreifen und pDL aktiv anbieten.“

Apotheker Dr. Christian Gerninghaus, Hessen

Jens Spahn erhört die Apotheken

Der Umschwung im BMG kam mit Jens Spahn (CDU) als Bundesgesundheitsminister. Im Dezember 2018 stellte er seine Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Apothekenmarktes vor, die später unter anderem mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) umgesetzt wurden. Hier war endlich die Rede davon, dass Apotheker und Kassen zusätzliche honorierte Dienstleistungen vereinbaren können– zum Beispiel für die Medikationsanalyse –, auf die Versicherte dann einen Anspruch haben. Dies solle den Apotheker als Heilberufler fördern. 240 Millionen Euro sah Spahn für die neuen Angebote vor. Zur Finanzierung war zunächst ein neuer Festzuschlag in Höhe von 32 Cent je abgegebener Rx-Packung geplant; die Verteilung der zusätzlichen Mittel sollte durch die Apothekerschaft erfolgen – nach dem Vorbild der Notdienstpauschale.

150 Millionen jährlich für die Apotheken

Drei Monate später war in einem überarbeiteten Eckpunktepapier dann nur noch ein Zuschlag von 14 Cent pro Rx-Packung für die Dienstleistungen vorgesehen; das jährliche Finanzvolumen schrumpfte damit auf rund 100 Millionen Euro jährlich. Anfang April 2019 legte das BMG dann seinen Referentenentwurf für das VOASG vor, der die Pläne konkretisierte. In § 129 SGB V sollte nun verankert werden, dass Versicherte einen Anspruch auf honorierte pharmazeutische Dienstleistungen haben. Um welche es sich dabei genau handelt, sollten DAV und GKV-Spitzenverband im Benehmen mit dem PKV-Verband innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes vereinbaren. Der Zuschlag für die Finanzierung lag nun plötzlich bei 20 Cent je verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung – 150 Millionen Euro jährlich sollten damit zur Verfügung stehen. Bei diesem Betrag ist es letztlich geblieben – auch wenn das VOASG zunächst noch eine einjährige Warteschleife einlegte und einige Wandlungen durchmachte. Wegen des im VOASG ebenfalls vorgesehenen Rx-Boni-Verbots für ausländische Arzneimittelversender hatte sich Spahn noch in Brüssel rückversichern wollen. Das kostete Zeit ohne dass es klare Signale der EU-Kommission gegeben hätte. Im Herbst 2020 wollte auch Spahn nicht mehr länger warten und das VOASG startete in die letzte Runde des Gesetzgebungsverfahrens. Am 15. Dezember 2020 trat es in Kraft.

„Mein Zwischenfazit: Bis auf die Medikationsanalyse, die zwar viel Zeit kostet, aber zumindest etwas Honorar einbringt, machen die anderen Dinge zwar Sinn, aber wenn ich Aufwand und Honorar gegenüberstelle, ziehe ich ein eher durchwachsenes Fazit. Auch habe ich nicht das Gefühl, dass wir eine höhere (noch höhere) Kundenbindung erzielen.

Mein einziger wirklich positiver Punkt ist, dass wir zum ersten Mal ein Produkt, eine Dienstleistung anbieten, die von uns und nicht vom Arzt getriggert ist. Ein Ansatz den man ausbauen muss, wie in anderen Ländern. Zum Beispiel auch nach dem Blutdruckmessen, zu entscheiden, wie der Blutdrucksenker dosiert werden soll. Wir müssen über neue Dienstleistungen nachdenken und nicht die mit einem zu kleinen Preisschild versehen, die wir eh schon immer gemacht haben.“

Apotheker Dirk Vongehr, Nordrhein

Die Selbstverwaltung ist am Zug

Doch mit dem Wirksamwerden des VOASG konnten die pharmazeutischen Dienstleistungen noch nicht gleich erbracht werden – so genau waren die neuen gesetzlichen Vorgaben schließlich nicht. Vielmehr setzte die Politik einmal mehr auf die Selbstverwaltung, die nun bis Ende Juni 2021 das „Nähere zu den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung der erbrachten Dienstleistungen und zu deren Abrechnung“ vereinbaren sollte. Allerdings taten sich die Verhandlungsführer von GKV-Spitzenverband und DAV einmal wieder schwer. Schon im Gesetzgebungsverfahren war deutlich geworden, dass sich die Begeisterung der Kassen für die neue Leistungen der Apotheken in engen Grenzen hält. Der 30. Juni 2021 verstrich, doch man gab noch nicht auf, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Immerhin: Auf das Abrechnungsverfahren konnte man sich verständigen, auf alles weitere jedoch nicht. Im September entschied der DAV, die Schiedsstelle anzurufen. Nochmals zwei Monate später war das Verfahren tatsächlich eingeleitet.

„Die Einführung der pDL hat den Wandel des Berufsbildes (ganz leise) eingeläutet. Jetzt müssen die Leistungen dringend an die Praxis angepasst werden und praktikabler gemacht werden: Chipkarte statt Unterschrift und automatischer Rezeptdruck zur Abrechnung. Ein Kernproblem ist, dass die Ausbildung massiv nachhinkt. Ohne Pharmakotherapie, Patientenorientierung und klinischen Bezug wird das Potenzial der Medikationsanalyse nicht annähernd ausgeschöpft werden können.“

Apotheker Dr. Olaf Rose, Westfalen-Lippe

Während man auf die Schiedsstelle wartete, wurde ab dem 15. Dezember 2021 der neue in der Arzneimittelpreisverordnung vorgesehene 20-Cent-Zuschlag eingezogen. Er fließt seitdem in den Nacht- und Notdienstfonds (NNF), der für die Abrechnung der pharmazeutischen Dienstleistungen beliehen wurde.

Die Schiedsstelle entscheidet

Doch es dauerte ein weiteres halbes Jahr bis feststand, für welche konkreten Dienstleistungen das frische Geld zu verwenden ist – und wie viel die Apotheken für diese bekommen. Bei der dritten Sitzung der Schiedsstelle am 19. Mai 2022 fiel die Entscheidung. Doch die Apotheker und Apothekerinnen mussten sich noch bis zum 10. Juni gedulden, bis der Schiedsspruch schriftlich vorlag und sein Inhalt bekannt wurde.

„Pharmazeutische Dienstleistungen sind eine Chance, in der Apotheke Qualität und Wissen über die Pharmakotherapie unter Beweis zu stellen. Allerdings fällt und steigt der Nutzen mit der Kooperation des Arztes, nur in einem guten multiprofessionellen Umfeld ergeben pDL einen beachtlichen Mehrwert für den Patienten. An diesem Punkt müsste man in Zukunft aus meiner Sicht ansetzen und pDL auch von ärztlicher Seite anstoßen/verordnen können, denn dadurch könnte das Verständnis und die Kompetenz des jeweiligen Spezialisten zur vollen Geltung kommen und so zum Nutzen des Patienten und der Gesellschaft/Kostenträger dienen.“

Apotheker Nico Kraft, Hessen

Drei komplexe und zwei einfache pDL

Fünf Dienstleistungen legte die Schiedsstelle fest: Die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation, die pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten, die pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie, eine erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit dem Üben der Inhalationstechnik sowie die standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck. Die sehr speziellen Leistungen für Immunsupprimierte und Krebspatienten hatte sich die Kassenseite gewünscht, die anderen drei Leistungen waren von DAV-Seite eingebracht worden. Während die drei komplexen Dienstleistungen mit Medikationsberatung nach entsprechender Fortbildung von Apothekerinnen und Apothekern angeboten werden können, dürfen die beiden anderen ohne besondere Schulung und vom gesamten pharmazeutischen Personal erbracht werden. Die Honorierung wurde auf 90 Euro (netto) für die Medikationsanalyse festgelegt – bei der pharmazeutischen Betreuung bei oraler Tumortherapie oder nach Organtransplantation können für ein späteres Gespräch nochmals 17,55 Euro abgerechnet werden. Die Einweisung in die Inhalationstechnik wird mit 20 Euro vergütet, die Blutdruckmessung mit 11,20 Euro.

ABDA gibt Hilfestellung

Die ABDA zeigte sich zufrieden mit dem Schiedsspruch – endlich war greifbar, wofür man seit Jahren gekämpft hatte. Schnell stellte die Standesvertretung Materialien zusammen, um die Apotheken beim Einstieg in die Dienstleistungen zu unterstützen. Denn Fragen gab es viele: Wer hat Anspruch auf die jeweilige Dienstleistung? Welche Qualifikation müssen Approbierte vorweisen, wenn sie die komplexen Dienstleistungen durchführen wollen? Welche sonstigen Voraussetzungen sind zu erfüllen und wie wird beim Nacht- und Notdienstfonds (NNF) abgerechnet? Nun konnte es also wirklich losgehen!

Klagen gegen den Schiedsspruch

Doch die nächsten Dämpfer ließen nicht lange auf sich warten. Im Juli 2022 legte der GKV-Spitzenverband beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Klage gegen den Schiedsspruch ein. Immerhin hat diese keine aufschiebende Wirkung, sodass die Dienstleistungen trotzdem weiter erbracht werden können. Und nicht nur die Kassen haben ihre Probleme mit dem Schiedsspruch – auch aus der Ärzteschaft waren im vergangenen Sommer scharfe Töne zu hören. Besonders in Hessen stiegen der Hausärzteverband und die Kassenärztliche Vereinigung (KV) lautstark auf die Barrikaden. Der Vorwurf: Apotheker würden sich jetzt ohne tiefere medizinische Kenntnisse in fundierte ärztliche Therapien einmischen – eine qualitativ hochwertige pharmazeutische Beratung gebe es nur durch die Ärzte. Im August zog die KV Hessen selbst vor Gericht, um gegen das neue Angebot der Apotheken vorzugehen. Anders als der GKV-Spitzenverband reichte sie nicht nur Klage ein, sondern zusätzlich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz – um eine schnellere Entscheidung zu erlangen. Das Landessozialgericht fällte seine „Eilentscheidung“ kurz vor dem Jahreswechsel – und ließ die KV abblitzen. Der Antrag sei schon nicht statthaft, da der angegriffene Schiedsspruch für die KV gar kein Verwaltungsakt sei. Und auch die Eilbedürftigkeit konnte das Gericht nicht erkennen. Ein Jahr nach dem Schiedsspruch haben die Sozialrichter noch immer kein Urteil in der Hauptsache gesprochen.

„Für die Ersatzkassen hat die Versorgung der Versicherten höchste Priorität. Der vdek begrüßt daher die Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen, um Patientinnen und Patienten bei der Anwendung von Arzneimitteln besser zu unterstützen.

Wir bewerten positiv, dass auf diese Weise die heilberufliche Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker verstärkt genutzt werden kann. Die Effekte dieser Maßnahmen müssen sich allerdings erst zeigen. Wir hätten uns deshalb gewünscht, dass der Gesetzgeber eine Evaluation der pharmazeutischen Dienstleistungen auf die Versorgungsqualität vorgesehen hätte.

Bisher wird das neue Angebot sehr wenig genutzt, so dass beim Nacht- und Notdienstfonds erhebliche von der Versichertengemeinschaft geleistete Beträge aufgelaufen sind. Auch in diesem Jahr steht die GKV vor großen finanziellen Herausforderungen. Den Ersatzkassen ist es daher sehr wichtig, dass die eingesammelten Gelder wie vorgesehen für die Versorgung genutzt werden.“

Verband der Ersatzkassen (vdek)

Noch viel Luft nach oben

Und wie sieht es in der Praxis aus? Die Standesvertretungen fordern Apothekerinnen und Apotheker unermüdlich auf, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und die Chance zu ergreifen, selbst eine von den Kassen honorierte Leistung auszulösen. Doch die Zeiten sind bewegt. Lieferengpässe mehren sich und halten die oft knapp besetzten Apothekenteams auf Trab. Die Politik beschließt im Herbst 2022 zu allem Überfluss, die Apotheken zu einem weiteren Sparbeitrag heranzuziehen. Die neuen Dienstleistungen, nicht frei von Bürokratie, kommen nicht so schnell ins „Fliegen“, wie erhofft.

„Mit der Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, die professionelle Weiterentwicklung des Heilberufs Apotheker zu fördern und die Vor-Ort-Apotheke zu stärken. Diese Ziele bestehen aus Sicht des BMG auch aktuell fort. Insofern begrüßt das BMG, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen in der Praxis angelaufen sind. Derzeit werden pharmazeutische Dienstleistungen noch nicht im seinerzeit vorgesehenen Umfang angeboten; zu einer verstärkten Inanspruchnahme durch Patientinnen und Patienten einerseits sowie Apotheken andererseits wird insoweit ausdrücklich ermutigt. Das BMG wird die Inanspruchnahme der pharmazeutischen Dienstleistungen sowie die Erfahrungen in der Versorgung beobachten und diese ggf. weiterentwickeln.“

Bundesministerium für Gesundheit

Aufschluss geben die Auszahlungsbescheide des NNF. Demnach waren im Juni 2022 direkt 89 Apotheken mit am Start und bekamen insgesamt 6922,17 Euro aus dem Fonds ausgezahlt – für 218 erbrachte Dienstleistungen. Im dritten Quartal, also von Juli bis September, waren es 2443 Apotheken, die für rund 15.300 Dienstleistungen knapp 600.000 Euro erhielten. Im vierten Quartal zahlte der NNF dann an 3819 Apotheken rund 1,3 Millionen aus. Der nächste Auszahlungsbescheid wird dieser Tage, Mitte Juni, erwartet. Voraussichtlich werden die Auszahlungssummen weiterhin nicht durch die Decke gehen. Derweil wachsen die Rücklagen im Fonds. Mehr als 100 Millionen Euro standen bereits im vierten Quartal 2022 bereit. Wie viel es zum Ende des ersten voll eingezahlten Jahres war, teilte der NNF nicht mehr mit. Klar ist: Es gibt noch viel Luft nach oben. Ein schnelles Leerlaufen des Fonds ist nicht zu befürchten. Es bleibt vielmehr zu hoffen, dass Apotheken künftig wieder mehr Spielraum haben, um die Dienstleistungen an die Versicherten zu bringen. Die ABDA hält jedenfalls die passenden Werbematerialien bereit – und sie will im Sommer eine Kommunikationswelle starten. Schließlich müssen auch Bürger und Bürgerinnen wissen, auf welche Leistungen sie Anspruch haben. |

Autorin

Kirsten Sucker-Sket ist Juristin und Redakteurin im Hauptstadtbüro der DAZ

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