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Beratung

Wenn’s beim „Pipimachen“ brennt

Harnwegsinfektionen bei Kindern leitliniengerecht behandeln

Harnwegsinfektionen zählen zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im Säuglings- und Kindesalter. Mädchen sind dabei häufiger betroffen als Jungen. Um Komplikationen zu vermeiden, sollten Harnwegsinfektionen im Kindesalter durch einen Arzt behandelt werden. Bei welchen Symptomen sollten Eltern an eine Harnwegsinfektion denken? Welche Therapien stehen zur Verfügung? Und welche sinnvollen Prophy­laxemaßnahmen können durchgeführt werden? | Von Sabine Fischer

Mehr als 7% aller Mädchen bis zu einem Alter von sechs Jahren erleiden eine Harnwegsinfektion (HWI), während es nur 1,6% aller Jungen sind. Eine Ausnahme stellt die Neonatalphase da. Hier sind Jungen öfters betroffen als Mädchen, wobei eine Vorhautbeschneidung das Risiko für eine Harnwegsinfektion bei Jungen erheblich senkt [1].

Kinder können untypische Symptome aufweisen

Als Harnwegsinfektion bezeichnet man eine mit einer lokalen und/oder systemischen Entzündungsreaktion einhergehende Besiedlung des Harntraktes durch Infektionserreger. Säuglinge und Kinder weisen nicht immer typische Sym­ptome wie Bauchschmerzen, Brennen beim Wasserlassen, häufigen Harndrang oder übel riechenden Harn auf. Vielmehr können unspezifische Symptome vorliegen wie z. B. Trinkunlust, Nahrungsverweigerung, Erbrechen sowie Unruhe, schlechtes Schlafen oder vermehrtes Schreien. Säuglinge fallen oft nur durch hohes Fieber, eventuell begleitet von Durchfall oder Erbrechen, auf, was zu Fehldiagnosen führen kann. War ein Kind bereits längere Zeit trocken und nässt nun nachts wieder ein, sollte ebenfalls an einen Harnwegsinfekt gedacht werden. Da bei Säuglingen und Kleinkindern die Nieren erst noch ausreifen müssen, besteht eine besonders große Gefahr, dass sich bei einer Blasenentzündung die Bakterien auf das Nierenbecken ausdehnen. Um das Risiko von Nierenschäden zu verringern, sollten Eltern bei Verdacht auf eine Harnwegsinfektion innerhalb von 24 Stunden den Kinderarzt aufsuchen [1, 2, 3].

Werden zwar Bakterien im Harntrakt sowie Leukozyten im Urin nachgewiesen, liegen aber keinerlei klinische Symptome vor, spricht man von einer asymptomatischen Harnwegsinfektion. Des Weiteren werden Harnwegsinfektionen in „unkompliziert“ und „kompliziert“ unterteilt. Sind Harntrakt, Blasen- und Nierenfunktion anatomisch und funktionell normal und besteht Immunkompetenz, wird die Harnwegsinfektion als „unkompliziert“ eingestuft. Bei Fehl­bildungen des Harntrakts und/oder der Nieren, neuro­pathischer Blasenfunktionsstörung, Diabetes mellitus, Harnabflussbehinderungen, Nieren- oder Harnleitersteinen Niereninsuffizienz oder transurethalem Katheter hingegen gilt ein Harnwegsinfekt als „kompliziert“ [1].

Harnwegsinfektionen meist bakteriell

Im Allgemeinen werden Harnwegsinfektionen durch Bakterien verursacht, Pilze oder Viren sind extrem selten. Erreger der ersten symptomatischen HWI sind in 70 bis 90% der Fälle uropathogene Stämme von Escherichia coli. Staphylococcus saprophyticus findet sich in 15 bis 30% bei weiblichen Jugendlichen mit Harnwegsinfekt. Bei jungen Säuglingen finden sich häufiger als im späteren Kindesalter Enterokokken und andere nicht E.-coli-Stämme. Merkmal von Harnwegsinfekt auslösenden Bakterien ist neben einem raschen Wachstum die Fähigkeit, die Vorhaut von Penis und Klitoris sowie die Dammregion zu besiedeln. In aller Regel stammen die Bakterien aus dem physiologischen Keimreservoir des Darms und steigen in den Harntrakt auf. Da Mädchen eine kürzere Harnröhre aufweisen als Jungen, sind sie häufiger betroffen [1, 3].

Diagnostische Abklärung

Um einen Harnwegsinfekt zu diagnostizieren, werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Die körperliche Untersuchung umfasst eine gezielte Suche nach Genitalveränderungen sowie möglichen Ursachen für eine Blasenfunktionsstörung. Eine Urinuntersuchung ist bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren indiziert, wenn ein oder mehrere der folgenden Faktoren vorliegen:

  • ungeklärtes hohes Fieber > 39 °C,
  • unklares Fieber über 48 Stunden,
  • eine vorangegangene Harnwegsinfektion in der Anamnese oder
  • Druckschmerzhaftigkeit über dem Schambein.

Einteilung nach dem Infektionsort

In Abhängigkeit vom Infektionsort erfolgt eine Klassifizierung der unterschiedlicher Arten von Harnwegs­infektionen

  • Zystitis: Infektion ist auf Harnblase beschränkt
  • bakterielle Urethritis: Entzündung der bulbären und/oder penilen Harnröhre
  • Pyelonephritis: das Nierenparenchym ist an der Harnwegsinfektion mitbeteiligt
  • akute fokale bakterielle Nephritis: eine oder mehrere Nierenläppchen betreffende interstitielle Parenchyminfektion, die lokalisiert, umschrieben und gegenüber dem umgebenden Gewebe gut abgrenzbar ist
  • Nierenkarbunkel: entstehen durch hämatogene Streuung aus einem anderen Infektionsherd (z. B. Hautinfektionen)
  • Pyonephrose: Eiteransammlung in einem dilatierten, bakteriell infizierten Harntrakt, kinderurologischer Notfall
  • Urosepsis: vom Urogenitalsystem ausgehende Sepsis, systemische Entzündungsreaktion (systemic inflammatory response syndrome)

(nach [1])

In den ersten drei Lebensmonaten hingegen sollte bei jedem unklaren Fieber eine Urinanalyse durchgeführt werden. Bei älteren Kindern und Jugendlichen sind neben Fieber Bauch- oder Flankenschmerzen, Dysurie/Pollakisurie sowie eine neu einsetzende Harninkontinenz Anlass für eine Urindiagnostik. Bei älteren Kindern sammelt man dafür den Mittelstrahlharn, bei Säuglingen und Kleinkindern wird der Urin durch Aufkleben eines Urinbeutels gewonnen. Da die Kontaminationsgefahr durch Hautbakterien bei Verwendung von „Beutelurin“ recht hoch ist, kann diese Methode nur zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion verwendet werden. Bei auffälligem Befund muss anschließend entweder Urin mittels Katheter entnommen, oder dieser direkt während der Miktion in einem sterilen Gefäß aufgefangen werden. Liegen Hinweise auf eine Sepsis vor, kann eine Blutkultur angelegt werden [1, 3].

Antibakterielle Therapie soll Komplikationen vermeiden

Sprechen Symptomatik und Urinbefund für das Vorliegen einer Harnwegsinfektion, so sollte grundsätzlich eine antibakterielle Therapie eingeleitet werden. Hauptziele einer Therapie sind die schnelle Beseitigung von Krankheitssymptomen und ein Aufsteigen der Infektion zu verhindern, da es sonst zu bleibenden Nierenparenchymschäden kommen kann. Meist muss die Therapie begonnen werden, bevor das Ergebnis eines Resistenztests vorliegt. Die Auswahl des Antibiotikums erfolgt unter anderem auf Basis des erwarteten Erregerspektrums, des individuellen Risikos sowie Alters des Patienten, der Schwere und Lokalisation der Infektion, sowie der lokalen Resistenzbedingungen am Wohnort des Kindes. Neben peroralen Antibiotika (s. Tab. 1) stehen auch parenterale Medikamente wie Aminoglykoside zur Verfügung. Ob eine parenterale oder orale Therapie erfolgen sollte, hängt davon ab, welche Symptome vorliegen, wie alt das Kind, ob es sich um eine „komplizierte“ Harnwegsinfektion handelt oder nicht und welches Erregerspektrum erwartet wird. Wenn möglich, ist eine perorale Applikationsform zu bevorzugen. Bei Säuglingen unter drei Monaten sollte eine parenterale Therapie immer zumindest bis zum Erhalt des Antibiogramms erfolgen. Bei einer unkomplizierten Zystitis bei Kindern beträgt die Gesamttherapiedauer in aller Regel drei bis fünf Tage.

Tab. 1: Auswahl von Antiinfektiva zur peroralen Therapie von Harnwegsinfektionen im Kindes- und Jugendalter (Dosierungsvorschläge modifiziert nach [1], KG: Körpergewicht
Antiinfektivum zur peroralen Applikation
therapeutische Tagesdosis
Applikation
Bemerkungen
Aminopenicilline
Amoxicillin
50 bis 90 mg/kg KG(Jugendliche: 1,5 bis 6 g)
p. o. in drei Einzeldosen
  • als Monotherapie für empirische Therapie nicht geeignet (hohe Resistenzquoten bei E. coli)
  • bei bekannter Erregerempfindlichkeit und vor allem bei Enterococcus-faecalis-Infektionen jedoch gut einsetzbar
Amoxicillin/Clavulansäure [4:1-Formulierung]
50 bis 80 mg/kg KG (bezogen auf Amoxicillin-Anteil)
(Jugendliche: 1500 + 375 mg)
p. o. in drei Einzeldosen
Amoxicillin/Clavulansäure [7:1-Formulierung]
Kinder 2 bis 12 Jahre (bis 40 kg): 50 bis 80 mg/kg KG, bezogen auf Amoxicillin-Anteil
Kinder > 40 kg: 1750 + 250 mg
p. o. in zwei Einzeldosen
7:1-Formulierung (besser verträglich als die 4:1-Formulierung, wird lediglich zweimal täglich verabreicht)
Cephalosporine
Ceftibuten
9 mg/kg KG
(Jugendliche: 0,4 g)
p. o. in ein bis zwei Einzeldosen
  • nicht für Neugeborene zugelassen
  • Bioverfügbarkeit 70 bis 90%
  • in Deutschland nicht erhältlich
Cefixim
8 mg/kg KG
(Jugendliche: 0,4 g)
p. o. in ein bis zwei Einzeldosen
  • nicht für Neugeborene zugelassen
  • Bioverfügbarkeit 40 bis 50%, kann durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme um 10 bis 30% gesteigert werden
Cefpodoximproxetil
8 bis 10 mg/kg KG (Jugendliche: 0,4 g)
p. o. in zwei Einzeldosen
  • nicht für Neugeborene zugelassen
  • Bioverfügbarkeit 50%, kann durch gleich­zeitige Nahrungsaufnahme um 10 bis 30% gesteigert werden
Cefaclor
30 bis 50 (-100) mg/kg KG (Jugendliche: 1,5 bis 4 g)
p. o. in zwei bis drei Einzeldosen
  • Oralcephalosporin Gruppe 1
  • zur kalkulierten Therapie der Pyelonephritis weniger geeignet als die Oralcephalosporine der Gruppe 3
Sulfonamide
Trimethoprim
5 mg/kg KG
p. o. in zwei Einzeldosen
  • zur Therapie bei Zystitis geeignet
  • Trimethoprim bei Früh- und Neugeborenen kontraindiziert
  • durch den Sulfonamid-Anteil wird weder eine wesentliche Verbesserung der antibakteriellen Wirkung noch ein Einfluss auf die Resistenzsituation erreicht, aber das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen steigt
  • bei regionaler E.-coli-Resistenzrate > 20% sollte Trimethoprim nicht zur initialen kalkulierten Therapie einer HWI eingesetzt werden
Trimethoprim/Sulfamethoxazol
5 mg/kg KG (Trimethoprim-Anteil) (Jugendliche: 320 mg Trimethoprim + 1600 mg Sulfa­methoxazol)
p. o. in zwei Einzeldosen
Chinolone (Gyrasehemmer)
Ciprofloxacin
Kinder und Jugendliche von 1 bis 17 Jahren: 30 bis 40 mg/kg KG
max. Einzeldosis: 750 mg
max. Tagesdosis: 1,5 g
p. o. in zwei Einzeldosen
  • zugelassen als Zweit- und Dritt-Linientherapie von komplizierten HWI und akuten Pyelonephritiden ab zweitem Lebensjahr
  • Einsatz von Fluorchinolonen (z. B. Ciproflox­acin) soll auf Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa oder multiresistente gramnegative Keime beschränkt werden, bei denen eine parenterale Therapie nicht möglich und kein anderes orales Antibiotikum einsetzbar ist
Antibiotika unterschiedlicher chemischer Struktur
Fosfomycin
Mädchen ab 12 Jahren und Frauen > 50 kg KG: 3 g
p. o. eine Einzeldosis, einmalig
  • zugelassen ab zwölf Jahren
  • Gegenanzeige: Nierenfunktionseinschränkung (GFR < 80 ml/min × 1,73 m2)
  • zur Einmaltherapie bei Zystitis
  • ESBL-bildende Erreger sind in Deutschland meist gegenüber Fosfomycin sensibel
Nitrofurantoin
3 bis 5 mg/kg KG
Jugendliche: 0,3 bis 0,4 g
p. o. in zwei Einzeldosen p. o. in zwei bis vier Einzeldosen
  • zur Therapie der unkomplizierten Zystitis
  • bis zum dritten Lebensmonat nicht zugelassen (u. a. Gefahr einer hämolytischen Anämie); wegen unzureichender Gewebespiegel ist Nitrofurantoin bei Pyelonephritis ungeeignet
  • GFR < 45 ml/min × 1,73 m2 kontraindiziert
Nitroxolin
Kinder 10 bis 20 mg/kg KG
Jugendliche ab 14 Jahren: 450 mg
p. o. in drei Einzeldosen
  • geeignet zur Therapie der unkomplizierten Zystitis
  • nur Weichkapseln mit 150 bzw. 250 mg erhältlich, die ab 14 Jahren zugelassen sind
  • Nitroxolin soll wegen seiner niedrigen Gewebespiegel im Nierenparenchym bei Pyelonephritis nicht eingesetzt werden
  • vermindert wirksam bei Nierenfunktionseinschränkung

Für Neugeborene und die ersten drei Lebensmonate existieren bei einigen der aufgeführten Substanzen Anwendungsbeschränkungen und eigene Dosierungsvorschriften, die beachtet werden müssen. Sie sind in dieser Tabelle nicht berücksichtigt.

Leiden jugendliche Mädchen wiederholt an unkomplizierten Blasenentzündungen, kann zur Vermeidung von Resistenzen zunächst eine Behandlung mit einem Phytotherapeutikum sowie eine symptomatische Therapie mit Antiphlogistika erfolgen. Ab einem Alter von zwölf Jahren stehen Präparate mit Extrakten aus Bärentraubenblättern (Cystinol akut, Arctuvan, Uvalysat Bürger) oder Liebstöckel/Tausendgüldenkraut/Rosmarin (Canephron N, Canephron uno) zur Verfügung. Allerdings sollte über das erhöhte Risiko einer Pyelonephritis aufgeklärt werden. Tritt nach 48 Stunden keine Besserung der Symptomatik ein, ist eine antibakterielle Therapie einzuleiten [1, 4].

Prinzipiell gilt bei einem Harnwegsinfekt: trinken, trinken, trinken. Um die Harnwege durchzuspülen, sind Wasser oder ungesüßter Tee geeignet. Wird das Kind noch gestillt, ist Muttermilch ausreichend. Tritt Fieber auf, sollte Bettruhe eingehalten werden, ansonsten wird zu körperlicher Schonung geraten [2, 3].

Prophylaxe erfolgt medikamentös …

Als Risikofaktoren für eine rezidivierende Harnwegsinfektion zählen die Erstmanifestation innerhalb der ersten sechs Lebensmonate, gleichzeitig bestehender hochgradiger vesikoureteraler Reflux (VUR), das heißt ein Zurückfließen von Urin aus der Blase in die Nieren, Harntraktanomalien, das Alter unter drei Monaten bei Jungen oder über drei Monaten bei Mädchen, Blasenfunktionsstörungen, verminderte Flüssigkeitszufuhr sowie Obstipation. Die Indikation zur antibakteriellen Langzeitprophylaxe ist nur unter Berücksichtigung strenger Parameter, vor allem im Hinblick auf bleibende Schäden oder schwerwiegende Komplikationen, zu stellen. Unterstützend bei einer antibakteriellen Prophylaxe können Probiotika eingesetzt werden. Der alleinige Einsatz von Probiotika ist jedoch aufgrund mangelnder Wirksamkeitsnachweise nicht zu empfehlen.

D-Mannose ist in Form zahlreicher Präparate erhältlich. Escherichia coli binden über einen Mannose-haltigen Rezeptor an die Oberfläche des Uroephitels. Die Wirkung von D-Mannose besteht in der Hemmung dieser Adhäsion an das Uroepithel. Allerdings ist die Datenlage bei Kindern schwach.

Auch die Wirkung der Cranberry-Extrakte beruht wohl in erster Linie auf der Hemmung der Adhärenz von E. coli am Uroepithel. Wirksame Inhaltsstoffe sind Proanthocyanidine. Die Studienlage zur Wirksamkeit ist widersprüchlich, gerade für das Kindesalter existieren nur wenige Studien.

Meerrettichwurzel und Kapuzinerkresse (Angocin Anti Infekt N, nicht unter sechs Jahren, zwischen sechs und zwölf Jahren nur nach Rücksprache mit dem Arzt) enthalten als aktive Substanzen Allyl- sowie 2-Phenylethylisothiocyanat bzw. Benzylthiocyanat. Diese Wirkstoffe hemmen die E.-coli-Invasion in die Uroepithelzelle. Darüber hinaus wird ihnen eine antibakterielle und antiphlogistische Wirkung zugesprochen.

Zum Nachweis der Wirksamkeit von Extrakten aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern (Canephron N Dragees oder Tropfen, nicht bei Kindern unter zwölf Jahren) liegen ebenfalls nur sehr wenige Studien im Kindesalter vor.

Gemäß Leitlinie kann trotz schwacher Studienlage jedoch bei einer unkomplizierten rezidivierenden Zystitis im späten Kindes- und Jugendalter eine Infektionsprophylaxe mit nicht antibakteriell wirksamen Präparaten (z. B. mit D-Mannose, Phytotherapeutika, Isothiocyanaten) als supportive Maßnahme angewandt werden [1].

Auf einen Blick

  • Harnwegsinfektionen sind die häufigsten bakteriellen Infektionen bei Säuglingen und Kindern.
  • Sie sind definiert als Besiedlung des Harntrakts mit Infektionserregern einhergehend mit lokaler und/oder systemischer Entzündungsreaktion.
  • Symptome können typisch (Bauchschmerzen, Brennen beim Wasserlassen) oder untypisch (Trinkunlust, Erbrechen, Unruhe usw.) sein.
  • Antibakterielle Therapie verhindert Aufsteigen der Infektion.
  • Bei unkomplizierter rezidivierender Zystitis supportive Prophylaxe mit Phytotherapeutika oder D-Mannose möglich.
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Miktionshäufigkeit sind Prophylaxemaßnahmen.

… und nicht medikamentös

Treten Anzeichen von Blasenfunktionsstörungen auf, so müssen diese unbedingt behandelt werden, um Rezidive der Harnwegsinfektion zu vermeiden. Oft sind diese Blasenfunktionsstörungen mit einer habituellen Obstipation assoziiert. Durch Regulation des Stuhlgangs kann die Infektionshäufigkeit nachweislich reduziert werden.

Eine gleichmäßige, ausreichende Flüssigkeitszufuhr trägt ebenfalls zur Prophylaxe der rezidivierenden Harnwegs­infektion bei. Dabei kommt es weniger auf die Gesamttrinkmenge, als vielmehr auf die Miktionsfrequenz an. Tabelle 2 zeigt die Flüssigkeitszufuhr, die gemäß der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als angemessen gilt. Dabei sollte die Gesamtmenge in fünf bis sieben Portionen gleichmäßig über den Tag verteilt werden.

Tab. 2: Erforderliche Flüssigkeitszufuhr pro Tag in Abhängigkeit vom Lebensalter (nach [1])
Alter (Jahre)
1 bis < 4
4 bis < 7
7 bis < 10
10 bis < 13
13 bis < 15
15 bis < 19
tägliche Flüssigkeitszufuhr über Getränke (ml/Tag)
820
940
970
1170
1330
1530

Zumindest in den ersten Lebensmonaten senkt Stillen das Risiko für eine Harnwegsinfektion. Der positive Effekt bleibt nach längerer Stilldauer auch nach dem Abstillen erhalten, sodass mindestens bis zum siebten Lebensmonat von einem verringerten Risiko ausgegangen werden kann.

Ebenfalls einen positiven Einfluss hat das häufige Wechseln der Windeln.

Da die Miktionsvermeidung eine Harnwegsinfektion begünstigen kann, sollten Kindern altersgerechte Toilettenverhältnisse geboten werden, die eine ausreichend häufige Miktion ermöglichen. Gerade nach der Einschulung ist dies teilweise problematisch, da die Hygieneverhältnisse von Schultoiletten gelegentlich zur Miktionsvermeidung führen.

Bei Mädchen ist die richtige Reinigung nach dem Stuhlgang wichtig: Es sollte immer von vorne nach hinten gewischt werden. Ansonsten ist jedoch keine spezielle Genital­hygiene notwendig, wahrscheinlich ist sie sogar kontraproduktiv [1]. |

 

Literatur

[1] Harnwegsinfektionen im Kindesalter: Diagnostik, Therapie und Prophylaxe. Interdisziplinäre S2k-Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie und Arbeitskreis Kinder- und Jugendurologie der Deutschen Gesellschaft für Urologie, Version 1, Stand: 23. August 2021, AWMF Register Nr. 166-004

[2] Was ist eine Harnwegsinfektion? Informationen der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, www.kinderaerzte-im-netz.at/krankheiten/harnwegsinfektion/

[3] Harnwegsinfekte, 0 bis 6 Jahre. Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, www.kindergesundheit-info.de/themen/krankes-kind/erkrankungen/harnwegsinfekte/, Abruf am 4. Mai 2023

[4] Packungsbeilagen der genannten Präparate

 

Autorin

Dr. Sabine Fischer ist Apothekerin aus Stuttgart. Seit dem Pharmaziestudium in Freiburg und einer Promotion in Tübingen arbeitet sie an einer PTA-Schule und in öffentlichen Apotheken. Nebenbei schreibt sie als freie Journalistin.

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