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Management

Das richtige Timing finden

Typgerechtes Zeitmanagement hilft beim Fokussieren

Zeitmanagement – wofür braucht man das eigentlich? Um die eigene Lebenszeit bis zur letzten Minute zu verplanen, ständig unter Druck zu stehen und dem Effektivitätswahn erliegend nach ein paar Jahren vollkommen ausgebrannt zu sein? Ganz im Gegenteil! | Von Anja Keck

Ein gutes Zeitmanagement dient dazu, entspannter arbeiten zu können, effektiver zu sein und dadurch eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu finden. Es geht darum, das zu tun, was wir wirklich wollen, das eigene Leben selbst zu gestalten und es nicht von anderen gestalten zu lassen. Das klingt erstrebenswert, doch wie ist das möglich?

Für Ungeduldige

Obwohl wir die konstruktive Nutzung eines Zeitmanagements im Fokus haben, hat der erste Tipp mit Planung und Disziplin zu tun. Wer sofort sein Zeitmanagement verbessern möchte, kann das Timeboxing als Methode nutzen. Es kommt aus dem agilen Projektmanagement und dient dazu, die zur Verfügung stehende Zeit besser einzuteilen und produktiver arbeiten zu können. Leitgedanke: Mehr schaffen in kürzerer Zeit.

Die Idee dahinter ist simpel. Für die Erledigung jeder Aufgabe wird ein klares Zeitfenster erstellt. Statt einfach loszulegen, ergibt sich durch das Timeboxing eine klare Struktur, die zeigt, mit welchem Zeitkontingent die Teilaufgabe erledigt wird. Erst planen, dann umsetzen, nichts weiter. Aber kommt durch Zeitdruck nicht noch mehr Stress auf? Der Unterschied zum Zeitdruck von außen ist, dass man sich ein Zeitfenster selbst setzt. So bleibt man selbstbestimmt und Herrin oder Herr des Chronometers. Für die Planung muss kurzfristig Zeit aufgewendet werden, doch es werden bestimmte Effekte genutzt, die Sie deutlich zügiger vorankommen lassen: Eine Zielsetzung hilft beim Fokussieren.

  • Eine Arbeitszeitrestriktion kann dabei helfen, fertig zu werden. Sie wird erfolgreich zur Unterstützung von Menschen eingesetzt, die zur Prokrastination neigen, die also anstehende Aufgaben gern aufschieben. Auf diesem Weg kann man sich direkt in eine produktive Phase begeben und überspringt den zeitraubenden Gedanken: „Och, ist ja noch Zeit.“ Besonders Menschen, die unter Druck gut arbeiten können, sollten den Zauber der „Deadline“ für sich nutzen.
  • Die Aufgaben, die in einem Zeitfenster geplant sind, geistern nicht ständig durch den Kopf nach dem Motto „Bloß nicht vergessen“. Sie stören unsere Aufmerksamkeit nicht.
  • Es wird auffallen, wie viele Zeitlücken sich im Alltag nutzen lassen, entweder produktiv oder für eine verdiente und bewusste Pause. Dazu gehören beispielsweise die Wartezeit auf den Bus, Wegstrecken und Warteschlangen im Supermarkt. Und unterteilt man große Aufgaben in kleine Teilaufgaben, passen diese perfekt in Zeitlücken.
  • Persönliche Zeiträuber können so leichter erkannt und ihnen ein Schnippchen geschlagen werden.

Die nötige Disziplin für das Timeboxing hat es in sich: Wenn die Zeit um ist, beenden Sie die Arbeit an der Aufgabe und wechseln zur nächsten Aufgabe – komme, was wolle. Das Ziel ist, möglichst viele Aufgaben in der vorgegebenen, realistisch kalkulierten Zeit abzuschließen. (Gegen die aufkommende Skepsis: Genau das tun Eltern in der halben Stunde, bevor sie die Kinder von der Schule oder dem Kindergarten abholen müssen. Noch eben auf die Schnelle etwas fertig bekommen.) Die Belohnung: Die darauffolgende Entspannungszeit lässt sich viel erholsamer und ohne den Gedanken an die offenen To-dos genießen.

Für Sinnfinder

Wenn man es ganz genau nimmt und das „Zeit­management“ korrekt bezeichnen möchte, müsste man es „Lebenszeitmanagement“ nennen. Die Zeit, um die es geht, betrifft uns direkt. Sie ist keine unendliche Ressource, sondern begrenzt.

Wenn Sie Lust haben, machen Sie mit mir einen kleinen gedanklichen Ausflug. Nehmen Sie einen Stift zur Hand. Stellen Sie sich ein Maßband mit den Zahlen von 0 bis 100 in Zehnerschritten vor. Markieren Sie mit einem Stift die Stelle Ihres Alters. Wenn Sie zum Beispiel gerade 40 geworden sind, dann machen Sie einen Strich bei der Zahl 40. Jetzt setzen Sie einen zweiten Strich auf der Zeitleiste an der Stelle, an der Sie rein hypothetisch das Zeitliche segnen werden. Das Statistische Bundesamt hilft bei der Einschätzung der Lebenserwartung mit Tabellen, die das Geschlecht und das Geburtsjahr mit einbeziehen. Eine ungefähre Richtschnur sind 80 Jahre. Wenn Ihre Familienangehörigen sehr alt geworden sind, dürfen ein paar Jahre draufgeschlagen werden. Alles darüber hinaus betrachten wir mal als Bonus. Auch wenn es sehr makaber erscheint: Wenn Sie sich für einen Punkt entschieden haben, dann schneiden Sie bitte an dieser Stelle das Maßband durch.

Jetzt ergibt sich ein guter Überblick über die bisherige Lebenszeit und die Lebenszeit, die noch bleibt – ja, manchmal ist diese Darstellung erschreckend. Wenn es jetzt um die Priorisierung von Aufgaben geht, ist diese Vorarbeit bereichernd und fördert ganz andere Aspekte zutage. Als Pharmazeuten haben für uns die harten Endpunkte bei Studienergebnissen eine hohe Aussagekraft. Bei unserem eigenen „Alltags“-Leben priorisieren wir nach Wichtigkeit und Dringlichkeit, erledigen Aufgaben für denjenigen, der gerade am lautesten schreit, anstatt Nein zu sagen.

Vielleicht ist es wichtig, innezuhalten und zu überlegen, welche der eigenen Ziele verfolgt werden sollen, mit was die eigene Lebenszeit gefüllt werden soll und in welche Aufgaben wir Energie investieren möchten. Das bringt Klarheit über die Prioritäten.

Für Gestresste

Wer permanent arbeitet, merkt oft gar nicht, wie ineffektiv er wird. Dem Nicht-fertig-Werden wird mit noch mehr Arbeit begegnet. Das kann sich steigern, bis sogar auf Schlaf verzichtet wird. Jedem ist klar, dass das über kurz oder lang weder gesund noch sinnhaft ist. Pausen sind das Gegenmittel der Wahl. Ausgeruht gehen die meisten Tätigkeiten leichter von der Hand. Ein gutes Zeitmanagement verschafft einem nicht nur Pausen, sondern bietet auch die Möglichkeit, Erholungszeiten mit einzuplanen. Diese geplante Freizeit verleiht einem guten Zeit­management den letzten Schliff. Besteht die Sorge, dass wichtige To-dos aus dem Blick verloren gehen, dann kann man sie verschriftlichen. So geht nichts verloren, und eine Liste mit vielen „Erledigt-Häkchen“ motiviert und zeigt, dass auch mit Pausen alles glatt läuft und man einen guten Weg eingeschlagen hat.

Tipps zur Umsetzung

  • Planen Sie die Zeitfenster für den nächsten Tag rechtzeitig und konkret. Dafür eignen sich die letzten Minuten des Arbeitstages oder der Arbeitsweg, wenn er diese Möglichkeit bietet.
  • Bündeln Sie ähnliche Aufgaben. Wenn mehrere Telefonate anstehen, tätigen Sie diese möglichst nach­einander anstatt über den Tag verteilt.
  • Kombinieren Sie Aufgaben so, dass sich eine sinnvolle Abfolge ergibt. Nehmen Sie beispielsweise auf dem Weg zur Bank die Rezepte für den Arzt nebenan direkt mit, anstatt zweimal zu laufen. Das ist ein einfaches Beispiel, aber die Komplexität lässt sich problemlos steigern.

Für Multitasker

Wenn ein Multitasker sein Zeitmanagement verbessern möchte, dann sollte er umsteigen auf Singletasking. Multitasking ist vielleicht genau Ihr Ding, und im Grunde genommen wechseln wir alle ständig zwischen unterschiedlichen Aufgaben, und unser Fokus switcht gerne hin und her. Aber das kostet Zeit. Dan Ariely, Professor für Psychologie und Verhaltensökonomik an der Duke University, stellte fest, warum das so ist: Die direkten Kosten entstehen durch die Unterbrechung an sich. Wenn man einen Vortrag vorbereiten will, aber dann noch zwischendurch – nur fünf Minuten – diese eine E-Mail beantworten möchten, dann hat man in dieser Zeit eben nicht am Vortrag gearbeitet. Aus den fünf Minuten wird eine Viertelstunde, und inklusive der dringend benötigten Fünf- Minuten-Pause sitzt man erst wieder nach zwanzig Minuten an der eigentlichen Aufgabe. Zusätzlich fallen Zeitkosten für den Wechsel der Tätigkeiten an. Es dauert, bis Sie wieder fokussiert sind und an den letzten Gedanken anknüpfen können. Je komplexer die Aufgabe, umso aufwendiger und zeitraubender ist der Wiedereinstieg.

Externe Störungen haben die gleichen zeitraubenden Effekte. Ungestörtes Arbeiten ist ein echtes Plus für das Zeit­management. Vor allem bei komplizierten Aufgaben hilft es, sich eine „störungsfreie Zeit“ einzurichten: Telefon aus, Handy verstecken und Bürotür zu. Falls doch jemand was möchte, auf später vertrösten. Meistens sind Dinge nicht so dringend, wie sie sich im ersten Moment darstellen.

Für Jasager

Der Tipp ist simpel, aber extrem schwierig in der Umsetzung: Sagen Sie Nein! Wenn das eigene gut durchdachte Zeitmanagement auf das Terminchaos eines anderen trifft, nutzt es nicht, Aufgaben zu übernehmen und sich aus Gutmütigkeit alles durcheinanderbringen zu lassen. Unterstützen Sie den anderen lieber darin, sich zu sortieren und herauszufinden, was in diesem Moment wirklich wichtig und dringend ist, welche freien Zeitfenster zur Erledigung zur Verfügung stehen und wie die weitere Planung für die nachrangigen Prioritäten aussehen kann. Führungskräfte können auf diese Weise auch verhindern, dass ihnen Aufgaben in stressigen Situationen zurückdelegiert werden.

Falls es schwerfällt, Nein zu sagen, hilft unter Umständen ein Perspektivwechsel. Im Grunde genommen bedeutet ein Ja ein vielfaches Nein. Überlegen Sie einmal, wie viele potenzielle Verehrer in dem Moment einen satten Korb bekommen, wenn Sie auf die Frage „Willst du mich heiraten?“ mit Ja antworten.

Optimierungsmöglichkeiten im Team

Die Feinabstimmung zwischen effektivem Arbeiten und Stressprävention ist nicht einfach. Aber genau so kann das Zeitmanagement im Unternehmen verstanden werden: als Möglichkeit, die Arbeitsbelastung zu senken bei steigender Effektivität. Wenn Sie beim Zeitmanagement Verbesserungspotenziale entdeckt haben, suchen Sie den Dialog mit den Mitarbeitern. In welchen Momenten ist die Arbeitsbe­lastung für die Mitarbeiter am größten? Was stresst sie wirklich? Wo geht im Unternehmen Zeit verloren? Es gibt kein Patentrezept, aber bei genauem Hinsehen lässt sich viel Zeit als wertvolles Gut sparen.

Wenn Sie Ihre Mitarbeiter bei der Priorisierung unterstützen, bei der Aufgabenverteilung die Stärken der jeweiligen Person einbeziehen und ungestörtes, fokussiertes Arbeiten möglich machen, ist schon viel gewonnen. |
 

Literatur

Ariely D. Denken hilft zwar, nützt aber nichts. Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen. Droemer-Knaur, München 2010

Preußig J. Agiles Projektmanagement: Agilität und Scrum im klassischen Projektumfeld. Haufe Fachbuch) Taschenbuch 2020

Carroll R. Die Bullet-Journal-Methode: Verstehe deine Vergangenheit, ordne deine Gegenwart, gestalte deine Zukunft. Rowohlt Taschenbuch 2018

Middendorf J. Lösungsorientiertes Coaching: Kurzzeit-Coaching für die Praxis. (essentials) Taschenbuch – 12. April 2019

Scherer H: Fokus! Provokative Ideen für Menschen, die was erreichen wollen. Taschenbuch – 20. August 2018 Goldmann

Prieß M. Burn-out kommt nicht nur von Stress: Warum wir wirklich ausbrennen und wie wir zu uns selbst zurückfinden. Goldmann 2019
 

Autorin

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Master-Coach (DGfC) und Systemische Beraterin

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