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Digitalisierung
Digitale Helfer
Arzneimittel digital kontrolliert einnehmen, um die Adhärenz zu fördern
Wie zahlreiche aktuelle Studien belegen, nehmen ambulante Patienten die für eine Langzeittherapie verordneten Arzneimittel trotz vielfältiger edukativer Maßnahmen von Ärzten, Psychotherapeuten, Apothekern und Pflegepersonal lediglich zu einem geringen Anteil korrekt ein. Nur zwischen 30 und 70% der Arzneimittel werden nach mehrmonatiger Therapie in der richtigen Dosierung und zum vorgegebenen Zeitpunkt geschluckt [1 – 3]. Diese niedrigen Quoten für die therapeutische Adhärenz finden sich nicht nur etwa für Antihypertonika, Antidiabetika oder Psychopharmaka, sondern überraschenderweise auch bei lebensrettenden Therapien mit onkologischen, kardiovaskulären oder antiviralen Wirkstoffen [3 – 7].
Die demografische Entwicklung forciert dieses Problem, da die chronischen Erkrankungen der zunehmend älteren Patienten eine Polypharmakotherapie erfordern. Mit steigender Zahl an einzunehmenden Arzneimitteln verschlechtert sich grundsätzlich der Grad der Adhärenz. In höherem Lebensalter mit verringerten kognitiven, visuellen und motorischen Fähigkeiten der Patienten verstärkt sich in vielen Fällen diese ungünstige Tendenz zusätzlich [7, 8].
Die objektive Bestimmung der Therapieadhärenz eines Patienten ist nicht einfach. Sie kann entweder
- durch direkte Methoden wie Beobachten der Einnahme oder Konzentrationsbestimmung von Wirkstoffen oder Metaboliten in Körperflüssigkeiten gemessen werden, oder auch
- durch indirekte Verfahren. Letztere werden aus Kostengründen in der klinischen Routine wesentlich häufiger eingesetzt.
Hierzu gehören das Auswerten von Therapietagebüchern, Zählen und Messen von zeitlich definierten Restmengen der festen oder flüssigen Peroralia, Kontrolle der Abgabefrequenz von Packungen an den Patienten oder ein elektronisches Registrieren von Entleerungsmanipulationen an Arzneimittelbehältern oder Blisterpackungen [3, 4, 9, 10]. Eine technologische Weiterentwicklung des letztgenannten Prinzips mittels elektronischer Minisensoren zu den im Folgenden beschriebenen digital vernetzten Dispensern ermöglicht objektivere und exaktere Aussagen als andere indirekte Verfahren. Dieses kontinuierliche elektronische Monitoring der Medikationsadhärenz gilt als Goldstandard der Adhärenzmessung [2]. Auch die Kontrolle weiterer Handhabungsschritte bei festen oder flüssigen Arzneimitteln wird damit möglich, wie korrekte Aufbewahrungsbedingungen oder ein ausreichend intensives Schütteln vor der Entnahme (s. u.) [10 – 13]. Eine geringe Einnahmetreue mindert entscheidend den Erfolg von Arzneimitteltherapien. Dabei besteht zwischen Ausmaß der Non-Adhärenz und Verringerung des Therapieerfolgs nicht immer eine streng lineare Dosis-Wirkungs-Korrelation. Vielmehr kann eine relativ geringe Verschlechterung der Einnahmetreue den Behandlungserfolg schon deutlich schmälern. So führt bei der Imatinib-Therapie der chronischen myeloischen Leukämie bereits eine geringfügige Verringerung der Adhärenz (von > 90% auf ca. 70%) zum weitgehenden Ausfall des Therapieerfolges [14].
Die Therapietreue wird durch vielseitige Faktoren beeinflusst, in der Literatur werden rund 200 Faktoren beschrieben [9]. Die häufigste Ursache für die Non-Adhärenz bei verschiedenen Arzneistoffen und Anwendungsrouten ist sicher das Vergessen der Einnahme bzw. der Anwendung, also eine Form der unabsichtlichen Non-Adhärenz [7, 15]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet fünf Gruppen von Parametern:
- patientenbezogene Faktoren (z. B. Akzeptanz der Krankheit oder Vergesslichkeit bei der Einnahme),
- krankheitsbezogene Faktoren (z. B. Schwere der Krankheit oder Komorbiditäten),
- therapiebezogene Faktoren (z. B. Nebenwirkungen oder Dauer der Behandlung),
- soziale und ökonomische Faktoren (z. B. Alter oder Bildungsniveau des Patienten) und
- gesundheitssystembezogene Faktoren (z. B. das Vertrauen des Patienten zum Arzt [15].
Zahlreiche Übersichtsartikel setzen sich mit diesen Aspekten und Strategien zur Adhärenzverbesserung detailliert auseinander [1, 3, 8, 9]. Ein Review der Cochrane Database resümiert, dass eine generelle Erhöhung der Arzneimitteladhärenz einen viel größeren Nutzen für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen könnte als eine medikamentöse Verbesserung derzeitiger Therapien [16]. Und die WHO sieht Pharmazeuten neben anderen Akteuren im Gesundheitswesen in einer hervorgehobenen Rolle zur Steigerung der Adhärenz. Die klinisch-pharmazeutische Ausbildung der Apothekerinnen und Apotheker und ihre niederschwellige Erreichbarkeit prädestinieren zu dieser Funktion [17, 18, 19].
Eine Reihe von Untersuchungen in der Adhärenzforschung ergab übereinstimmend, dass eine nachhaltige Steigerung der Einnahmetreue eine große Herausforderung an die Gesundheitsberufe darstellt. Adhärenzfördernde Maßnahmen, gleich welcher Art, sind auch nicht kurzzeitig zu praktizieren, sondern sind entsprechend anderen Interventionen im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung stets als langfristiger, kontinuierlicher Prozess zu verstehen [9].
Ein weiterer aktueller und umfangreicher Cochrane-Review (50 Studien, > 14.000 Patienten) zeigt, dass die Einnahmetreue älterer Patienten (> 65 Jahre), die mehr als vier Arzneimittel einnehmen, nur gering oder gar nicht durch zusätzliche edukative Interventionen verbessert werden kann. Wohl aber lässt sie sich durch verhaltensorientierte Maßnahmen steigern. Hierunter fallen z. B. das Einsortieren der Arzneimittel in Wochendispenser oder das Senden von Erinnerungssignalen [20]. Eine Reihe von Autoren fordert darüber hinaus, diese Dispenser mit Erinnerungssignalen noch durch Module zum kontinuierlichen elektronischen Monitoring der Einnahme zu ergänzen. Und zwar sollen dabei die Meldungen über eine unterlassene Einnahme in Echtzeit an Angehörige, Pflegeinstitutionen oder die Vor-Ort-Apotheke übermittelt werden [21, 22].
Derartige digital vernetzte Dispenser entsprechen in ihrem Aufbau und ihrer Funktion prinzipiell den digital vernetzten Arzneiformen (DVAF). Bei ihnen ist eine konventionelle Arzneiform (z. B. Inhalator, Pen) mit einem batteriegetriebenen elektronischen Modul verbunden, das über verschiedene Minisensoren und eine Übertragungstechnologie verfügt. Angehörige des Patienten oder professionelles Betreuungspersonal werden damit aktuell über die Einnahme- bzw. Anwendungszeitpunkte des Patienten informiert und erhalten die Möglichkeit, rechtzeitig problemlösend zu intervenieren. Zusätzlich erlauben manche digital vernetzte Arzneiformen eine Kontrolle der korrekt durchgeführten Anwendungsschritte und damit ein simultanes Monitoring von Adhärenz und Anwendungstechnik [23, 24].
Im europäischen Ausland sind auch digital vernetzte Dispenser verfügbar, bei denen nicht Wochendispenser mit festen Kompartimenten elektronisch kontrolliert werden, sondern speziell ausgerüstete Blisterstreifen oder Behälter mit flüssigen Arzneimitteln, so etwa der niederländische OtCM™-Blister [25] oder das französische Pill‘Up-System für Flaschen [26]. Einige ausländische handelsübliche Dispensermodelle und Prototypen registrieren nicht nur das Öffnen des Dispensers, sondern auch gewichtsbasiert die tatsächliche Entnahme eines Arzneimittels. Ein System ist mit einem Mundstück versehen, wodurch die festen Formlinge aus dem Dispenser direkt auf die Zunge des Patienten gelangen. Auch erlauben eingebaute Beschleunigungssensoren eine Kontrolle der Dispenser-Handhabung [10].
Die Dispensermodelle aus diversen Ländern wurden von Patienten unterschiedlichen Alters und mit divergierenden Erkrankungen sehr gut akzeptiert. Von den über 40 in der Literatur beschriebenen vernetzten Dispenser- und Blister-Modellen sind zwei Drittel in verschiedenen Ländern kommerziell verfügbar. Etwa 10% davon sind modifizierte Blisterpackungen, der Rest Dispensermodelle verschiedener Bauart [27, 28]. Tabelle 1 zeigt Studien mit unterschiedlichem Design, die auf verbesserte Adhärenzraten bei Einsatz digital vernetzter Dispenser hinweisen. Jedoch sind nicht alle ermittelten Steigerungsraten signifikant. Auch bestätigt eine aktuelle Metaanalyse nicht allen zugrunde liegenden Studien eine den Standards entsprechende Qualität [12]. Methodisch hochwertige randomisierte kontrollierte Studien (RCT), unter anderem mit längeren Beobachtungszeitspannen und mit korrespondierenden klinischen Befunden liegen z. B. bei digital vernetzten Inhalatoren vor [30], stehen aber bei digital vernetzten Dispensern noch aus [10, 31].
Behandelte Krankheit(eingesetzte Arzneimittel) | Digitales Device (Anbieter) | erzielte Verbesserung | Kontrolle Patienten; Durchschnittsalter | Intervention Patienten; Durchschnittsalter | Beobachtungsdauer | Literatur |
---|---|---|---|---|---|---|
Diabetes mellitus Typ 2 (Metformin) | OtCM™-Blister (The Compliers Group, Niederlande) | u. a. Steigerung der Adhärenz von 89% auf 93% | 53 Patienten; 69 Jahre | 53 (identische) Patienten | je fünf Monate | [2, 28] |
HIV (Antiviralia) | Wisepill (Wisepill Technologies, Südafrika) | u. a. Steigerung der Adhärenz von 84% (MEMS®) auf 93% | 112 Patienten; 36 Jahre | 112 (identische) Patienten | je sechs Monate | [32] |
Nierentransplantation | Careousel®Advance GSM (s. Abb. 2) | Adhärenz der Interventionsgruppe 97,8%, keine Kontrollkohorte | – | 40 Patienten | zwölf Monate | [2, 21] |
Schizophrenie (Neuroleptika) | DoPill®(Domedic®, Canada) | u. a. Steigerung der Adhärenz von 46% (MEMS®) auf 67% | 26 Patienten; 35 Jahre | 21 Patienten; 38 Jahre | sechs Wochen | [22] |
Tuberkulose (Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol, Pyrazinamid) | Medication monitor box (SMS-Erinnerungen/-Einnahmebestätigungen) | u. a. Verringerung der Nicht-Adhärenz um 40 bis 50% | 1104 Patienten; > 60 Jahre: 15% | 1064 Patienten; > 60 Jahre: 18% | sechs Monate | [33] |
Modellarzneimittel (drageeförmige TicTac Sweets) | ReX® System (Dosentrx Ltd.; Israel) | u. a. Steigerung der Adhärenz von 76% auf 98% | 40 Probanden; 18 bis 92 Jahre | 40 (identische) Probanden | vier Tage | [29] |
Damit bei Patienten mit digital vernetzten Dispensern ihre Therapie nachhaltig verbessert werden kann, sollten sie und ihre Einnahmeschemata unter anderem folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Der Patient ist motiviert, die Neuverpackung seiner Arzneimittel im Wochendispenser langfristig einzusetzen,
- der Patient hat keine körperlichen, geistigen oder wirtschaftlichen Einschränkungen, die ihn am korrekten Dauergebrauch der Dispenser hindern,
- die unzureichende Adhärenz des Patienten ist primär durch seine Vergesslichkeit bedingt,
- alle festen Arzneimittel des Patienten sind zur Neuverpackung in Wochendispenser geeignet.
In Deutschland sind bisher – verglichen mit anderen europäischen Ländern und vor allem im Gegensatz zum nordamerikanischen Raum – nur wenige digital vernetzte Dispenser kommerziell verfügbar (Tab. 2). Übereinstimmend erinnern sie alle durch optische und akustische Signale an die Einnahme und übertragen die Daten zur erfolgten und nicht erfolgten Einnahme sowie teilweise auch anderer Ereignisse drahtlos an vorgegebene Personen. Die Geräte unterscheiden sich unter anderem in der Bauart der Arzneimitteldepots sowie der Technik und den Wegen der Datenübertragung. So erfordert ein Modell den Einsatz eines Smartphones des Patienten.
Bezeichnung | Careousel® Advance GSM | Dosecontrol smarte Bluetooth Tablettenbox | Dosecontrol smarte WLAN Tablettenbox | Maja sana® System |
---|---|---|---|---|
Vertriebsfirma (Hersteller) | Mediring GmbH, www.mediring.de (Pharmacell Medication Systems Ltd, Schweden) | Dosecontrol GmbH, www.dosecontrol.de (asiatischer Hersteller) | tantum sana GmbH, www.majasana.de (deutscher Hersteller) | |
Bauart | Dispenser, 28 feste Fächer für jeweils einen Einnahmezeitpunkt (kreisförmig) | Dispenser, 28 feste Fächer für jeweils einen Einnahmezeitpunkt (kreisförmig) | Dispenser, 28 feste Fächer für jeweils einen Einnahmezeitpunkt (kreisförmig) | Schlauchblister, Befüllung mit Schlauch für ein oder zwei Wochen |
pro 24 Stunden programmierbare Zeitpunkte | 12 | 9 | 9 | unbegrenzt |
Art der Erinnerungssignale für Einnahme | akustisch (Lautstärke regelbar) und optisch (Lichtsignal) | akustisch (Alarmton oder Sprachnachricht einstellbar) und optisch (Lichtsignal) | akustisch (Alarmtonart und Lautstärke regelbar) und optisch (Lichtsignal) | akustisch und optisch |
Wege der Datenübertragung | von Dispenser zu PC der Betreuungsinstitution | von Dispenser 1. zu Smartphone des Patienten (Android App Dosecontrol); 2. zu Smartphone/PC der Betreuungsinstitution | von Dispenser 1. zu Smartphone der Betreuungsinstitution für Steuerung (Android App Dosecontrol); 2. zu Smartphone/PC der Betreuungsinstitution | von Dispenser 1. zu Smartphone der Betreuungsinstitution für Meldung (Maja curo® App); 2. zu Smartphone des mobilen Patienten für Erinnerung (meine Maja® App); 3. zu allen Geräten für Aktualisierung des Medikationsplans |
Übertragungs-technologie | Mobilfunk (E-Mails und SMS) | Bluetooth | WLAN (E-Mails) | Bluetooth, WLAN, Mobilfunk |
Smartphone des Patienten ist erforderlich | nein | ja | nein | nein (nur optional für mobile Patienten) |
Datenspeicherung | Server der Pharmacell Medication Systems Ltd (S) | in Smartphone | Server der Dosecontrol GmbH (D) | auf Server der Telekom (D) |
übertragene Daten |
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Stromversorgung | 4 AA-Batterien oder wiederaufladbare Akkus | Ladegerät mit USB-C-Anschluss; 4 AA-Batterien für Back-up bei Stromausfall | Ladegerät mit USB-C-Anschluss; 4 AA-Batterien für Back-up bei Stromausfall | 220 V Netz |
Zertifizierung als Medizinprodukt | Klasse I (MDR) | – | – | – |
Vertriebsweg | Versand durch Vertriebsfirma an Anwender | Versand durch Vertriebsfirma an Anwender (Vertrieb der vernetzten Dispenser auch über Vor-Ort-Apotheken in Planung) | Vor-Ort-Apotheke mietet Dispenser (40,00 Euro/Monat) und vermietet ihn an Patienten Verhandlungen mit Krankenkassen zur Kostenübernahme sind kurz vor Abschluss (Stand: 04/2023) |
Die Dispenser verfügen entweder über 28 kreisförmig angeordnete Fächer für feste Peroralia, oder sie enthalten die Tabletten, Dragees und Kapseln in Blistertütchen verpackt. Die Fächer und Blistertütchen ordnet man jeweils einem Einnahmezeitpunkt zu. Die verschiedenen Dispensermodelle werden von relativ jungen Firmen vertrieben. Weitere Modelle anderer Herstellung stehen vor der Markteinführung. Die elektronisch vernetzten Blistertütchen-Abgabesysteme Medido-Connected der Deutschen Blistergesellschaft mbH und Pico Medikamentendispenser der Firma Vitaphone sind seit einigen Jahren nicht mehr verfügbar.
Bei dem sogenannten Tab-in-Time-Spendersystem [34] handelt es sich um einen konstruktiv von den bisher genannten Modellen abweichenden stationären Tagesdispenser im Format etwa eines größeren Schuhkartons. Er enthält fünf abgedeckte 250-ml-Becher mit festen Peroralia zusammen mit fünf klaren Bechern mit Mineralwasser. Für jeden der maximal fünf Einnahmezeitpunkte pro Tag wird ein Medikamentenbecher zusammen mit einem Wasserbecher automatisch an die Entnahmeöffnung des Dispensers geschoben. An die programmierten Einnahmezeitpunkte erinnern ein optisches Signal auf dem Display und eine Sprachansage. Eine nicht erfolgte Entnahme beider Becher wird auch hier per SMS an eine Betreuungsperson gemeldet.
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Im Einzelfall ist auch der Einsatz von Sensor- bzw. Übertragungsmodulen möglich, die von der Apotheke selbst für spezielle patientenindividuelle Problemstellungen konzipiert werden. Dies kann bei flüssigen Peroralia der Fall sein, für die in Deutschland noch nicht entsprechende Devices zur Verfügung stehen. Hierfür können z. B. im Logistikwesen eingesetzte vernetzte Sensorsysteme (Tracker) durch Umkonfigurieren an das jeweilige pharmazeutische Problem angepasst werden. Damit ermöglichen diese Sensoren das kontinuierliche Monitoring folgender Parameter:
- die Aufbewahrungstemperatur der Arzneimittelflasche,
- das Umschütteln der enthaltenen Suspension vor der Einnahme und
- die Entnahme einer Dosis durch eine entsprechende Neigung der Flasche [23].
Juristische Voraussetzungen für ein solches Vorgehen der Apotheke bedürfen noch einer detaillierten Klärung. Die erforderliche schriftliche Einverständniserklärung des Patienten muss den Fall eines Bedienungsfehlers oder einer technischen Störung beinhalten. Auch Haftungsausschluss und Datensicherheit sind zu berücksichtigen. Falls ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel von der Intervention betroffen ist, muss selbstverständlich der verordnende Arzt eingebunden werden.
Bezeichnung/Lieferfirma | Zahl der Fächer | Größe eines Faches | Anzahl der einstellbarenAlarmzeiten/Tag | Art des Deckels | Besonderheit |
---|---|---|---|---|---|
Dosecontrol wöchentlicher elektronischer Tablettenspender mit Alarm(Dosecontrol, www.dosecontrol.de) | 4 pro Tag | ca. 5 cm3 | 4 | Klappdeckel | Tagesdispenser können einzeln abgenommen und an Timermodul gesteckt werden |
Pillendose mini mit Alarm (Deflogrip, https://megadent.de/Pillendosen) | 2 | ca. 8 cm3 | nur eine Zeitspanne bis zum nächsten Alarm einstellbar | Schiebedeckel | |
Pillenbox vergiss nix 6(Scala Electronic) | 6 | ca. 7 cm3 | 5 | Klappdeckel | akustisches und Vibrationssignal |
TabTime® Super 8 Tablettentimer(Deutsche Parkinson Vereinigung e. V.) | 8 | ca. 5 cm3 | 8 | Klappdeckel |
Ein entsprechendes Pilotprojekt in unserer Apotheke betraf einen zubereiteten Antibiotikum-Trockensaft, der dreimal täglich von einem älteren alleinstehenden Bronchitis-Patienten mit ausgeprägten Schluckproblemen bei festen Peroralia eingenommen werden musste. Die Flasche war dabei im Kühlschrank zu lagern, vor der Entleerung kräftig zu schütteln und zum Entleeren in einen Messlöffel um mindestens 90⁰ zu kippen. Das an die Flasche montierte Sensorsystem (Abb. 1) übertrug die gemessenen Parameter auf einen PC unserer Apotheke. Dabei deckte es in einer Woche ein dreimal versäumtes Umschütteln sowie eine einmalig unterlassene Einnahme auf [23]. Wird analog ein Tablettendispenser mit einem Beschleunigungssensor inklusive Übertragungsmodul gekoppelt (Abb. 2 und 3), ermöglicht dies zwar keine Kontrolle des kompletten Einnahmevorgangs, aber zumindest ein automatisches Monitoring der Dispenserbewegung. Eine nicht erfolgte oder verspätete Einnahme lässt sich somit sicher erkennen. Abb. 4 zeigt ein entsprechendes, in der Apotheke erstelltes Monitoringprotokoll einer einwöchigen Einnahmekontrolle. Dabei war eine zweimalige tägliche Einnahme verordnet, wobei morgens die Levothyroxin-Tablette mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück und die morgendliche Metformin-Tablette zum Frühstück zu schlucken waren. Es zeigt sich ein zweimaliges fehlerhaftes Verkürzen dieses für L-Thyroxin geforderten Zeitabstandes und ein einmaliges Versäumen der abendlichen Metformin-und Simvastatin-Einnahme.
patientenspezifisches Konfigurieren des Systems | Adaptieren des Systems an IT-Kenntnisse von Patienten und Angehörigen |
Eingabe der Einnahmezeitpunkte und weiterer personenbezogener Daten | |
technisches Anpassen des Systems an Patientenumgebung (Internetanschluss, WLAN-Router) | |
Klärung juristischer Aspekte | Patienten und Angehörige zu regulatorischen Aspekten aufklären |
schriftlichen Vertrag patientenspezifisch konzipieren, Haftungsausschluss und Datensicherheit berücksichtigen | |
Einbinden des behandelnden Arztes und von Pflegepersonen | Übermitteln der Befunde (z. B. Adhärenz, Anwendungsprozedur, Auffälligkeiten) an Arzt und Angehörige |
Festlegen und Aktualisieren der Kontaktdaten und -zeiten aller beteiligten Personen und Institutionen | |
Festlegen der Vorgehensweise bei (wiederholter) Unterlassung der Einnahme | |
Definieren von Grenzwerten für außerplanmäßige Meldungen | |
Ausdruck und Speichern des Therapietagebuchs | |
Regulierung der regelmäßigen Kostenübernahme | |
kontinuierliche Pflege/Wartung des Systems | Aktualisieren des Medikationsplans inklusive kurzfristiges Anpassen des Systems an geänderten Medikationsplan |
Befüllen des Systems mit Arzneimitteln; Zustellen der befüllten Behältnisse | |
regelmäßige Funktionskontrolle des Systems | |
Interventionen bei technischen Störungen |
Vor allem bei Patienten mit schlechter, durch Vergesslichkeit bedingter Adhärenz empfiehlt es sich bei den apothekenkonfigurierten Systemen, anstelle eines herkömmlichen Wochendispensers ein Modell mit einstellbarem Signalgeber mit dem digitalen Modul der Apotheke zu koppeln (Tab. 3, ein Signal- und Übertragungsmodul mit programmierbarem Signalgeber ist unseres Wissens im Handel nicht verfügbar).
Mit den digital vernetzten Dispensern eröffnet sich ein innovatives und hochinteressantes Aufgabengebiet für ambulante Gesundheitsberufe. Eine individuelle Installation und eine kontinuierliche Wartung sowie gegebenenfalls die regelmäßige Befüllung der Systeme sind erforderlich. Präsenz-Apotheken sind für diese Funktionen (Tab. 4), gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit einem professionellen Pflegedienst, prädestiniert. Die Anleitung des Patienten zur sachgerechten Handhabung seiner Arznei- und Hilfsmittel ist eine originäre pharmazeutische Aufgabe. Auch handelt es sich beim Einsatz der vernetzten Dispenser um eine technische Weiterentwicklung des Medikationsmanagements. Dabei ist ein regelmäßiger Kontakt mit dem behandelnden Arzt und mit dem Patienten bzw. seinen Angehörigen zu pflegen. Die Informationen an die Praxis und ein Familienmitglied sollten unter anderem aktuelle Befunde zur Therapietreue des Patienten und zur Handhabung seiner Arzneimittel beinhalten. Ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung des Therapieerfolges wird dadurch geleistet. |
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Zum Weiterlesen
Kircher W. Digital kontrolliert inhalieren: Adhärenz und Applikationstechnik lassen sich durch vernetzte Arzneiformen verbessern. DAZ 2022, Nr. 4, S. 40
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