Singen für das Frühchen?

mp | Der Nutzen der Musiktherapie ist bei vielen Indikationen gut erforscht, etwa in der Palliativmedizin. Hinzu kommt: Musik verbindet. Wer einmal Teil eines Chores oder einer Band war, weiß, wie Musizieren zusammenschweißt. Das brachte Pädiater aus Norwegen auf eine Idee: Lässt sich das Verbindende der Musik vielleicht therapeutisch nutzen? Fehlende Bindung kann bei Frühgeborenen zum Problem werden, wenn sie auf der Intensivstation behandelt werden. Normalerweise folgt auf die Geburt das „Bonding“, das erste Kuscheln zwischen Kind und Eltern. Auf der Intensivstation sind Gelegenheiten zum Bonding limitiert. Das kann zu Stress, Angst und Depressionen bei den Eltern führen und die frühkindliche Entwicklung beeinträchtigen. Die Idee der Forscher: Vielleicht könnte die Musik das fehlende Bonding ersetzen, zu beider Seiten Wohl. Sie initiierten eine randomisierte kontrollierte Studie, an der 223 Familien teilnahmen. Bei einem Teil von ihnen sangen die Eltern in Begleitung von Musiktherapeuten regelmäßig für ihr Kind auf der Intensivstation.

Die Ergebnisse ernüchterten: Im Vergleich zur Standard-Behandlung verbesserte das Singen weder depressive Symptome der Eltern, noch die kindliche Entwicklung. Was zudem auffiel: Den Müttern und Kindern ging es sowohl vor als auch nach dem Versuch vergleichsweise gut, unabhängig von der Interventionsgruppe. Das Autorenteam diskutiert: Das könnte auch daran liegen, dass die Eltern beider Versuchsgruppen teilweise täglich auf die Intensivstation kommen konnten. In ärmeren Ländern sieht das anders aus. In Ländern höheren Einkommens scheinen die Folgen problematischen Mutter-Kind-Bondings weniger dramatisch zu sein. Sie schlagen daher vor, den Fokus künftig dort zu setzen, wo Familien vulnerabler sind. Singen und Musiktherapie nutzt eventuell mehr dort, wo Ressourcen fehlen. Singen darf trotzdem jeder, schließlich kostet es nichts. |