Arzneimittel und Therapie

Wenn Tumoren Zähne zeigen

Teratome können verschiedene Gewebe und Organe enthalten

Teratome weisen mehrere übergeordnete Merkmale aus: Sie sind selten, können gut- oder bösartig sein, entwickeln sich aus Keimzellen und können aus unterschiedlichstem Gewebe bestehen. Bei Erwachsenen hängt die Dignität von der Lokalisation der Neoplasie ab. Das häufigste Teratom bei Frauen findet sich im Ovar und ist mehrheitlich gutartig, das häufigste Teratom bei Männern tritt im Hoden auf und ist meist bösartig.

Teratome werden den Keimzelltumoren zugeordnet (s. Kasten „Keimzelltumore“). Sie entwickeln sich aus unreifen pluripotenten Keimzellen, die über sämtliche Entwicklungsmöglichkeiten verfügen. Diese fötalen Stammzellen sind Vorläufer von Ei- bzw. Samen­zellen – eine prädisponierte Lokalisation von Teratomen sind daher Ovar und Hoden. Allerdings können die Stammzellen auch an jeden beliebigen Ort im Körper wandern und dort zu einem Teratom heranwachsen. Aufgrund ihrer Pluripotenz können aus ihnen Haut, Hautanhangsgebilde wie Talg- und Schweißdrüsen, Nervenzellen, Knochen und Zähne ent­stehen, weshalb man sie im 19. Jahrhundert als medizinische Kuriosität betrachtete (s. Kasten „Teratome in der Geschichte“). Die Anordnung des beteiligten Gewebes ist häufig organartig, aber funktionslos. Die Bildung ungeordneter, diffus zusammengesetzter Konglomerate ist ebenfalls möglich. Biologisches Verhalten, histologisches Muster und äußeres Erscheinungsbild, Beschaffenheit sowie klinische Manifestation weisen eine große Variabilität auf. Man unterscheidet reife Tera­tome, in denen ausgereifte Gewebestrukturen aller drei Keimblätter (Ekto-, Endo- und Mesoderm) nachweisbar sind, von (malignen) unreifen Teratomen, die aus proliferierenden, primitiven embryo­nalen Zell­elementen bestehen.

Keimzelltumore

Abhängig vom Ausreifungsstadium der zugrunde liegenden Keimzellen lassen sich viele verschiedene Keimzelltumore, darunter auch Mischtumore, unterscheiden. Sie können gut- oder bösartig sein. Außerdem können manche Vorläuferzellen während ihrer Wanderung vom Dottersack zu den Keim­drüsen unterwegs auf der Keimbahn liegen bleiben, später entarten und theoretisch in allen mittigen Körper­regionen, also nicht nur in den Geschlechtsdrüsen, gut- oder bösartige Tumore bilden. Die meisten Keimzelltumore entstehen im Steißbein­bereich, in den Eierstöcken, in den Hoden oder im Zentralnervensystem. Reife, gutartige Teratome kommen am häufigsten vor (40%), gefolgt von Dottersacktumoren (30%), Germinomen und Mischtumoren (je ca. 20%) sowie bösartigen Teratomen unterschiedlicher Ausreifung wie zum Beispiel das Chorionkarzinom (2 bis 8%). Bösartige Keimzelltumore können über die Blut- und/oder Lymphbahn auch Metastasen in Lymphknoten, Lunge, Leber und Knochen bilden.

Haare und Zähne im Ovar

Betrachtet man alle ovariellen Neo­plasien, so sind Keimzelltumore selten. Innerhalb der Klassifikation ovarieller Keimzelltumore ist das reife zystische Teratom der häufigste benigne Tumor. In diesem Tumor kann sehr unterschiedliches Gewebe enthalten sein, so etwa Haut und Hautanhangsgebilde (Drüsen, Haarfollikel), bronchiales Flimmerepithel, Muskulatur, Nervengewebe oder Zähne. In sehr seltenen Fällen enthalten die Zysten ganze Organe (Hände, Füße, Augen) oder eine Struktur, die einem miss­gebildeten Fötus (Homunculus) ähnelt. Ebenfalls selten kann das Teratom Schilddrüsenge­webe enthalten und durch die Produktion von Schilddrüsenhormonen zu Sym­ptomen führen. Zystische Teratome des Ovars werden häufig auch als Dermoidzysten bezeichnet (s. Abb.). Bei einer Zysten­ruptur lösen Talg und Haare aus dem Zystenlumen eine lokale Fremdkörperreaktion aus. Ein ovarielles Teratom verursacht oftmals keine Symptome. Gelegentlich be­merken die Betroffenen eine Zunahme des Bauchumfanges oder klagen über Bauchschmerzen, in manchen Fällen über Blutungen, Schmerzen oder un­regelmäßigen Stuhlgang. Ovarialteratome werden meist zu­fällig bei einer gynäkologischen Tastuntersuchung, bei einer Ultraschalluntersuchung oder bei einem chirurgischen Eingriff im Bauch­bereich entdeckt.

Das Teratom wird operativ entfernt. In manchen Fällen ist es bei reifen Teratomen möglich, nur den Tumor zu entfernen und den Eierstock zu schonen, wodurch die Frucht­barkeit erhalten werden kann. In anderen Fällen, zum Beispiel bei Verwachsungen, wird der betroffene Eierstock mit dem Eileiter komplett entfernt. Sollte das Teratom maligne sein, schließt sich eine Chemo­therapie mit Cisplatin, Etoposid oder Bleomycin an.

Foto: Science Photo Library/CNRI

Abb.: Zystisches Teratom des Ovars. Eine Dermoidzyste, bei der sich aus Keim­zellen unter anderem ein Zahn entwickelt hat.

Oftmals maligne: Hoden­teratome bei Erwachsenen

Ein Subtyp der Keimzelltumore des Mannes ist das Teratom, das den Nichtseminomen zugerechnet wird. Hodenteratome, die 12 bis 30% aller malignen Hodentumore ausmachen, können ebenfalls differenzierte Elemente (Muskel, Knorpel, Knochen, Zähne) aufweisen. Bei Kindern ist das Hodenteratom meist gutartig, bei Adulten oftmals maligne mit der Gefahr einer frühzeitigen Metastasierung. Das Teratom kann sich in einer schmerzlosen Verhärtung und Vergrößerung des Hodens, in seltenen Fällen in einem Spannungsschmerz bemerkbar machen. Das Teratom sollte operativ entfernt werden, das darauf folgende Vorgehen richtet sich nach dem Tumorstadium. In frühen Stadien ist es eine aktive Überwachung, bei weiter fortgeschrittenen Tumoren eine zytostatische Behandlung mit Cis­platin, Etoposid oder Bleomycin.

Teratome in der Geschichte

Die Bezeichnung Teratom stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus der Bezeichnung teratos für Wunder oder Monster und dem Suffix -om für eine Neoplasie zusammen. Fragmentarische Beschreibungen eines Teratoms finden sich bereits in der Antike, grobanatomische Beobachtungen im 17., 18. und 19. Jahrhundert. Die Entstehung dieser Neoplasien wurde zunächst Dämonen und verschiedenen Formen sexuellen Fehlverhaltens zugeschrieben. Im 19. Jahrhundert wurden besonders auffallende Teratome häufig als medizinische Kuriositäten beschrieben. Erst mit der Forschung zur Keimzellentwicklung in den 1960er-­Jahren wurde das Gebiet der Spekulation verlassen.

Eine Rarität: Teratome im Mediastinum

Teratome des Mediastinums sind selten und treten fast ausschließlich bei Männern auf. Da das Mediastinum relativ viel Platz bietet, verursachen mediastinale Teratome in der Regel keine Beschwerden. Bei starkem Tumorwachstum kann es allerdings zu Verdrängungserscheinungen der Nachbarorgane kommen; die Folgen sind Brustschmerzen, Husten oder Atemnot. Mitunter werden mediastinale Tumoren auch zufällig im Rahmen einer Röntgenuntersuchung der Lunge entdeckt. Die meisten Teratome im Mediastinum sind gutartig und werden operativ entfernt. Ist der Tumor bösartig, erfolgt eine neoadjuvante Chemotherapie mit anschließender operativer Entfernung des Teratoms.

Mehrheitlich gute Prognose: Teratome bei Kindern

Keimzelltumore machen rund 3% aller Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter aus. Am häufigsten be­troffen sind Säuglinge und Kleinkinder. Die Symptome hängen von der Lokalisation des Tumors ab. Steißbeintumore werden meist durch die sich vorwölbende Tumormasse zwischen Steiß und After, manchmal jedoch nur durch eine rektale Untersuchung erkannt. Eierstocktumoren können sich in Bauchschmerzen, Zunahme des Bauchumfangs oder einer zu früh einsetzenden Pubertät äußern. Hoden­tumoren fallen meist durch eine schmerzlose Schwellung eines Hodens auf. Keimzelltumore im Zentralnervensystem verursachen charakteristische Symptome eines Hirntumors wie Doppelbilder, Kopfschmerzen, Erbrechen, Sehstörungen und Bewusstseinsminderung. Die Behandlung richtet sich nach der Lokalisation des Tumors und dem Stadium der Erkrankung. Bei kleinen symptomlosen Teratomen reicht es häufig, diese zunächst klinisch zu beobachten und ein weiteres Wachstum des Tumors abzuschätzen. Verdrängt das Teratom aufgrund seiner Größe das umliegende Gewebe, ist seine chirurgische Entfernung erforderlich. Bei malignen Teratomen wird zusätzlich eine Chemotherapie durchgeführt. Die Überlebens­rate liegt über 90% (be­zogen auf alle Keimzelltumore). |

Literatur

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Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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