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Nutzen für das große Ganze

Wie sich Apotheken bestmöglich in geplante „Gesundheitskioske“ einbringen können

Von Michaela Schwarz | Die Etablierung von „Gesundheitskiosken“ ist eines der Projekte, das sich die Bundes­regierung im Koalitionsvertrag vorgenommen hat. Apotheken sind im Konzept bislang nicht explizit vorgesehen. Allerdings existieren schon heute Einrichtungen mit so einem Ansatz wie die geplanten Kioske – und zwar durchaus mit Beteiligung von Apotheken.

Der Begriff „Gesundheitskiosk“ geistert schon eine Weile durch die Medien. Gemeint sind damit einige bereits bestehende und die 1000 von der Bundesregierung geplanten Gesundheitseinrichtungen, die in sozial benach­teiligten Regionen einen niederschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung gewährleisten und die Prävention verbessern sollen. Seit Ende Juni 2023 liegt auch ein Referentenentwurf vor, der zeigt, wohin die Reise gehen soll. Aber die Ausgestaltung der angedachten Gesundheitszentren ist ein Prozess, der vielerorts nur langsam vonstattengeht. Wie eine genaue Zusammenarbeit mit Apotheken aussehen könnte, die in dem Entwurf nicht explizit erwähnt werden, ist ebenfalls in großen Teilen noch offen.

Engagierte Apothekerinnen und Apotheker wollen Chancen nutzen

Dennoch gibt es Apothekerinnen und Apotheker, die sich aktiv dafür engagieren, Apotheken als Akteure mit ins Spiel zu bringen, wenn es um die erfolgreiche Einbindung in die neuen Strukturen geht, die aufklären, Öffentlichkeitsarbeit leisten und ausarbeiten, wie eine Zusammenarbeit mit Gesundheitskiosken letzten Endes aussehen kann. So auch Apothekerin Sabine Haul. Sie arbeitet ehrenamtlich in der Poliklinik Veddel, einem Stadtteil-Gesundheitszentrum in Hamburg, und in einem weiteren Lokalen Gesundheitszentrum (LGZ) in Hamburg-Lohbrügge mit. Haul betont, wie wichtig es ist, dass Kollegen und Kolleginnen über die Medien informiert und motiviert werden, in ihrem eigenen Viertel, Stadtteil oder auch ihrer ländlichen Region Gesprächspartner zu suchen und sich als Apotheke einzubringen.

Keine einheitliche Definition

Eine einheitliche Definition des Begriffes „Gesundheitskiosk“ gibt es nicht. Zudem ist er nur ein Modell von vielen möglichen. So legt das Gesundheitszentrum in Veddel großen Wert darauf, nicht als „Kiosk“ bezeichnet zu werden, und tritt darum als Poliklinik auf. „Viele Leute haben eine ganz falsche Vorstellung davon, welche Aufgaben von einem Gesundheitszentrum übernommen werden, wenn sie das Wort ,Kiosk‘ hören. Der Begriff vermittelt ein vollkommen falsches Bild“, so Apothekerin Haul. Davon abgesehen bergen die Modelle in vielerlei Hinsicht ein großes Potenzial für Apotheken, das es zu nutzen gilt. Wer wartet, dass die Kommune auf einen zukommt, kämpft wahrscheinlich auf verlorenem Posten. Ein proaktives Vorgehen der interessierten Apotheker ist vermutlich unumgänglich.

Es ist Ländersache, wie die Funktion von Gesundheitskiosken letztendlich ausgestaltet wird. Kommunen und Politiker wissen aber oft nicht, welche Gesundheits- und Aufklärungsarbeit bereits in Apotheken geleistet und welche Dienstleistungen dort angeboten werden. Viele der Aufgaben, die teils für Gesundheitskioske angedacht sind, werden aber schon von Apotheken angeboten, und es könnte leicht darauf zurückgegriffen werden – ohne neue oder gar parallele Strukturen zu schaffen.

Was beinhaltet die Poliklinik Veddel in Hamburg?

Bei der Poliklinik Veddel handelt es sich um ein soziales Stadtteil-Gesundheitszentrum, das an drei Standorten mehrere Versorgungselemente verbindet. Es bietet eine Sozial- und Gesundheitsberatung, psychologische Beratung und allgemeinärztliche Versorgung. Die Poliklinik legt Wert auf Präventionsarbeit, um Gesundheitsprobleme erst gar nicht entstehen zu lassen, und konzentriert sich auf breitgestreute Angebote für den ambulanten Gesundheitsbereich.

Apotheken aktiv einbeziehen

Haul spricht sich dafür aus, dass Apotheken im geplanten Gesundheitsnetzwerk integriert werden, und sieht mehrere Möglichkeiten, welche Auf­gaben ihnen dabei zukommen können. Es sind verschiedene Modelle denkbar, wie Apotheken eingebunden werden können, so dass ein mehrdimensionales, medizinisches Versorgungssystem entsteht, das Prävention und Aufklärung mit sozialen Komponenten vereint. So sind Apotheken eine niederschwellige Anlaufstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen und bilden damit den Ort, an dem sich Patienten in das Programm der Gesundheitskioske einschreiben können. „Apotheken erreichen täglich viele Menschen, und es gibt oft ein großes Vertrauensverhältnis“, so Haul. „Eine leicht zu erreichende Möglichkeit zum Einschreiben in der Apotheke ist ein enormer Gewinn für das Gesundheitszentrum“, berichtet Haul weiter.

Apotheken erkennen Bedarf

Apotheker und PTA erkennen durch die zahlreichen Gespräche, die tagtäglich mit Kunden geführt werden, was im persönlichen Umfeld der Kunden, aber auch im jeweiligen Stadtteil und in der Umgebung fehlt, sei es ein Seniorencafé oder Sportangebote. So können sie können in der Zusammenarbeit mit den Gesundheits­kiosken den Bedarf weiterleiten und positiven Einfluss auf die sozialen Strukturen nehmen. Dazu wären Fall- und Patientenbesprechungen zwischen den sozialen Anlaufstellen der Gesundheitszentren und Apotheken denkbar, bei denen der behandelnde Arzt nicht zwingend anwesend sein muss und hinterher über geplante Maßnahmen informiert wird.

Neben dem Weiterleiten eines Patienten in das Hilfesystem leisten Apo­theken mit ihren pharmazeutischen Dienstleistungen und dem Medika­tionsmanagement einen wichtigen Beitrag, mit dem sie in das System der Gesundheitskioske einfach einbezogen werden können: Und das, ganz ohne diese Angebote von Grund auf neu aufzubauen oder die Bemühungen, andere Berufsgruppen wie Krankenschwestern oder Pflegeberater erst einmal dahingehend weiterzubilden. Ebenso existiert bereits hochqualifiziertes Fachpersonal für Gesundheitsprävention – in Apotheken.

Aufklärungs- und Kommunikationsprobleme

„Insgesamt handelt es sich um ein Aufklärungs- und Kommunikationsproblem“, berichtet Apothekerin Haul. „Vielen Akteuren im Gesundheits­wesen oder politischen Entscheidern ist einfach immer noch nicht klar, was Apotheken anbieten und leisten“. Wer sich als Apotheke einbringen möchte, dem rät sie, aktiv auf die Kommune oder den Stadtteil zuzugehen und dort einmal mehr die Wichtigkeit der Apotheke als möglichen Vertragspartner des Gesundheits­zentrums zu erläutern.

Für den ein oder anderen mag dieser Aufwand zu groß erscheinen. „Was hat die Apotheke davon?“, wird sich mancher fragen. Zuallererst zeigt sich vielleicht auch die vermeintlich negative Seite: Personen aus den sozial benachteiligten Gegenden, die Hilfe benötigen und somit potenzielle Kunden von Gesundheitskiosken sind, sind auf den ersten Blick unter Umständen eine Klientel, die nicht jeder Apotheken­inhaber gerne sieht.

Ein Gewinn für das gesamte Gesundheitssystem

Sabine Haul ist jedoch zuversichtlich und geht davon aus, dass sich das Engagement von Apotheken langfristig auszahlen wird. „Viele Kunden und Patienten werden den Wert einer Stammapotheke zu schätzen lernen und erkennen, warum diese so wichtig ist“, meint sie. Haul sieht auch den Nutzen für das große Ganze: „Über kurz oder lang hilft der Einsatz der Apotheken, die gesamtgesundheitliche Versorgung zu verbessern, ist zielführend für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und stellt somit einen Gewinn für die Gesellschaft dar.“

Michaela Theresia Schwarz, Apothekerin, PTA, freie Autorin

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