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Arzneimittel und Therapie
Vaginalflora ins Gleichgewicht bringen
Bei bakterieller Vaginose an die probiotische Anschlusstherapie denken
Die physiologische Vaginalflora ist vielfältig: 561 verschiedene Bakterienarten wurden bis dato bei gesunden prämenopausalen Frauen nachgewiesen. Besonders häufig sind hierbei Vertreter der Stämme Bacillota (früher Firmicutes), Proteobacteria, Actinobacteria und Bacteroidetes. Eine besondere Rolle spielen die zu den Bacillota gehörenden Laktobazillen. Sie verstoffwechseln Kohlenhydrate wie Glykogen zu Milchsäure, welche ihrerseits zu dem physiologischen pH-Wert-Bereich von 3,5 bis 4,5 beiträgt.
Anders jedoch bei von bakterieller Vaginose Betroffenen: Hier liegt eine stark erhöhte Bakterienzahl mit hoher Diversität anaerober oder fakultativ anaerober Erreger vor. Der Schlüsselerreger ist Gardnerella spp. (siehe Kasten „Gardnerella“). Die schützenden Laktobazillen werden verdrängt, und der pH-Wert verschiebt sich ins Alkalische. Selten ist ein solches Ereignis nicht – die Prävalenz der bakteriellen Vaginose bei sexuell aktiven Frauen beträgt gut ein Viertel.
Im Rahmen einer bakteriellen Vaginose können Beschwerden wie Brennen, Rötungen oder Juckreiz auftreten, es sind aber auch beschwerdefreie Verläufe möglich. Charakteristisch ist ein vermehrter, gräulich-milchiger Ausfluss, der aufgrund der Stoffwechselprodukte der anaeroben Bakterien fischig riecht. Die Erkrankung erhöht das Risiko für Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern und stellt einen Risikofaktor für Komplikationen während der Schwangerschaft sowie für Frühgeburten dar. Daher ist eine Therapie nicht nur bei symptomatischen Frauen, sondern auch bei asymptomatischen Frauen, die schwanger sind oder es werden möchten, angezeigt.
Zu den Risikofaktoren für eine bakterielle Vaginose gehören nicht beeinflussbare Faktoren wie etwa bestimmte Genpolymorphismen sowie die ethnische Zugehörigkeit. Ungünstig wirken sich auch chronischer Stress, übermäßige Vaginalhygiene, Rauchen, ein hohes Körpergewicht sowie häufiger Partnerwechsel aus. Die Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva geht hingegen mit einer geringeren Prävalenz der bakteriellen Vaginose einher.
Erste Wahl bei der Therapie sind Clindamycin oder Metronidazol, die jeweils entweder oral oder topisch angewandt werden. In der Schwangerschaft soll bevorzugt Clindamycin eingesetzt werden. Topische Antiseptika stellen für Schwangere und Nicht-Schwangere eine Therapiealternative dar. Obwohl einige Antiseptika rezeptfrei erhältlich sind, ist die bakterielle Vaginose kein Fall für die Selbstmedikation und erfordert eine ärztliche Diagnose.
Gardnerella
Bei Gardnerella spp. handelt es sich um grampositive Vertreter der Familie der Bifidobacteriaceae. Sie kennzeichnet eine besonders dünne Zellwand (8 bis 12 nm), die mitunter zu Fehlklassifikationen in der Gramfärbung führt. Besonders virulent machen diesen Erreger Stoffe wie das Vaginolysin (ein die Zellmembranen im Vaginalepithel schädigendes Toxin) oder die Sialidase (ein die Schutzfunktion des Mukus herabsetzendes Enzym). Ein weiterer wichtiger Virulenzfaktor ist die Fähigkeit zur Bildung von Biofilmen. In diesen sind die Erreger einer antibiotischen Therapie schwerer zugänglich, sodass die Biofilme als eine Ursache für Therapieversagen sowie Rezidive bei der bakteriellen Vaginose angesehen werden.
Problemfall Rezidive
Aufgrund von Resistenzen (vor allem bei Metronidazol) aber auch aufgrund der Biofilmbildung von Gardnerella spp. kommt es häufig (bei bis zu 80% der Betroffenen) zu Rezidiven. Milchsäure und Probiotika können im Anschluss an die antibiotische oder antiseptische Therapie eingesetzt helfen, die geschädigte Vaginalflora wieder aufzubauen und das Rezidivrisiko zu senken. Positive Daten liegen etwa für Kombinationen aus Lactobacillus rhamnosus, L. acidophilus und Streptococcus thermophilus bzw. L. fermentum vor.
Für die Therapie von chronisch-rezidivierenden Verläufen mit mindestens drei Episoden im Jahr wird eine Erhaltungstherapie mit topischem Metronidazol oder die Behandlung mit lokalen Antiseptika empfohlen. Letztere sind mit Hinblick auf Resistenzen und Biofilmbildung nicht zwangsläufig unterlegen, sondern werden in der kürzlich aktualisierten S2k-Leitlinie als „sinnvolle Alternative“ bezeichnet. Auch hier sollte an die antibiotische bzw. antiseptische Behandlung ein Aufbau der physiologischen Vaginalflora angeschlossen werden.
Wirkstoff | Applikation | Dosierung | Dauer |
---|---|---|---|
Clindamycin | oral | 300 mg (zweimal täglich) | 7 Tage |
vaginal | 2% Creme (einmal täglich) | 7 Tage | |
vaginal | 100 mg Ovula (einmal täglich) | 3 Tage | |
Metronidazol | oral | 500 mg (zweimal täglich) | 7 Tage |
vaginal | 0,75% Gel (5 g, einmal täglich) | 5 bis 7 Tage | |
vaginal | 100 mg Ovula (einmal täglich) | 6 Tage | |
vaginal | 1 g Ovula (einmal täglich) | 2 Tage | |
Dequaliniumchlorid | vaginal | 10 mg (einmal täglich) | 6 Tage |
Octenidin | vaginal | am ersten Tag zwei Sprühstöße täglich, dann einmal täglich | 7 Tage |
Povidon-Iod (nicht in der Schwangerschaft) | vaginal | 1 Applikatorfüllung einmal täglich | 6 bis 7 Tage |
Obwohl die sexuelle Übertragung von Gardnerella spp. nachgewiesen wurde, gibt es keine klare Evidenz für die Verbesserung des Therapieergebnisses durch Mitbehandlung von Sexualpartnerinnen bzw. -partnern. Bei rezidivierenden Verläufen kann eine solche erwogen werden, wird aber nicht routinemäßig empfohlen.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass im Bereich der Therapie chronisch-rezidivierender Verläufe und der Vermeidung von Rezidiven noch Forschungsbedarf besteht. In klinischen Studien werden derzeit verschiedene Ansätze zur Auflösung oder Vermeidung der Biofilme untersucht – etwa rekombinante Endolysine, mukoadhäsive Polymere und ein auf Borsäure basierendes Antiseptikum. |
Literatur
Bakterielle Vaginose. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. AWMF-Register-Nr. 015-028, Stand 1. Juni 2023
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