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Arzneimittel und Therapie
Allergisch gegen Fleisch und Arzneimittel
Zecken können Alpha-Gal-Syndrom auslösen
Bei Galactose-α-1,3-Galactose (Alpha-Gal) handelt es sich um ein Disaccharid, welches in Glykoproteinen und Glykolipiden von Säugetierzellen, aber auch bei einigen Krankheitserregern vorkommt. Entsprechend ist in von Säugetieren stammenden Produkten wie Fleisch oder Milch, aber auch in Gelatine ebenfalls Alpha-Gal enthalten. Eine Ausnahme unter den Säugetieren bilden hierbei Menschen und bestimmte Affenarten, die das Gen für die Alpha-1,3-Galactosyltransferase im Laufe der Evolution verloren haben – vermutlich aufgrund eines Selektionsdrucks durch Krankheitserreger mit Alpha-Gal-Epitopen. Diese Struktur dient dem menschlichen Immunsystem als ein Marker zur Unterscheidung von eigenem und fremdem Gewebe. Nach gastrointestinaler Aufnahme kommt es daher zur Bildung von Antikörpern der Typen Immunglobulin G (IgG) und M (IgM) [1, 2].
Bei der Entstehung des Alpha-Gal-Syndroms spielen jedoch Antikörper vom IgE-Typ die entscheidende Rolle. Zur Bildung dieser kann es nach einem Zeckenstich kommen, wenn mit dem Zeckenspeichel Alpha-Gal-haltige Komponenten aus einer früheren Blutmahlzeit der Zecke übertragen werden. Nach so erfolgter Sensibilisierung eines Individuums kann dieses allergisch auf rotes Fleisch und andere vom Säugetier gewonnene Produkte reagieren [1].
Ärztliches Vorgehen bei Erstdiagnose
Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2022 empfiehlt, dass Patienten bei der Erstdiagnose des Alpha-Gal-Syndroms einen Allergiepass sowie eine Verordnung über ein allergologisches Notfallset erhalten sollten. Da die Antikörpertiter im Laufe der Zeit sinken, kann es sinnvoll sein, diese alle drei bis sechs Monate zu messen. Unter Umständen kann eine Karenz von bestimmten Lebensmitteln nach einiger Zeit nicht mehr nötig sein – andersherum kann sie nach einem erneuten Zeckenstich wieder notwendig werden [1].
Symptome einer „Fleischallergie“
Die Allergie äußert sich durch das Auftreten von Symptomen etwa zwei bis sechs Stunden nach dem Verzehr von Fleisch. Mögliche Symptome sind:
- Nesselsucht oder juckender Ausschlag,
- Übelkeit und Erbrechen,
- Sodbrennen oder Verdauungsstörungen,
- Durchfall,
- Husten,
- Kurzatmigkeit oder Atembeschwerden,
- Blutdruckabfall,
- Schwellung der Lippen, des Rachens, der Zunge oder der Augenlider;
- Schwindel oder Ohnmacht, oder
- starke Magenschmerzen [3].
Alpha-Gal in Arzneimitteln
Die Allergie kann dabei leicht ausgeprägt sein, sodass es selbst nach dem Verzehr besonders Alpha-Gal-haltiger Lebensmittel (z. B. Niere), nur zu mäßigen Beschwerden kommt. Es können aber auch schwere Formen vorliegen, bei denen geringere Mengen Alpha-Gal im schlimmsten Fall bis zur Anaphylaxie führen. Für dieses kleine, stärker betroffene Patientenkollektiv können auch Wirk- und Hilfsstoffe zum Problem werden, die tierischen Ursprungs sind. Hierzu zählen:
- Gelatine: Während Kapselhüllen von den meisten Alpha-Gal-Allergikern vertragen werden, besteht bei parenteraler Verabreichung (z. B. in Volumenersatzmitteln) ein größeres Risiko einer allergischen Reaktion. Auch einige Impfstoffe enthalten Gelatine als Hilfsstoff.
- Heparin und Pepsin, die aus Schweinedarm gewonnen werden.
- Antivenine gegen Schlangen- und Skorpiongifte.
- Cetuximab: Der in murinen Zellen hergestellte Antikörper weist Alpha-Gal-Glykosylierungsstellen auf. Für andere Antikörper ist dies bislang nicht bekannt [1, 4].
Neue Daten aus den USA, wenig Daten aus Deutschland
Aber wie verbreitet ist die Fleischallergie eigentlich? Dazu gibt es nur lückenhafte Daten. Die jüngsten Zahlen haben die US-amerikanischen Centers for Disease Control und Prevention (CDC) Ende Juli veröffentlicht. Hierfür werteten sie Daten des Labors aus, das in den USA die meisten Tests auf das Alpha-Gal-Syndrom durchführt. Demnach sind die positiven Testergebnisse von ca. 13.400 Fällen im Jahr 2017 auf ca. 18.900 im Jahr 2021 angestiegen. Insgesamt wurden im Zeitraum von 2010 bis 2022 mehr als 110.000 Personen positiv auf die Allergie getestet. Aus einer weiteren Publikation der CDC geht hervor, dass diese Allergie auch unter den verschiedenen Heilberufen wenig bekannt ist (42% von 1500 Befragten gaben an, noch nie von dem Syndrom gehört zu haben). Daher gehen die CDC von einer hohen Dunkelziffer aus. Sie schätzen, dass bis zu 450.000 Menschen in den USA betroffen sein könnten [5, 6]. Aus Deutschland finden sich Fallberichte in der wissenschaftlichen Literatur [7, 8]. Die Stiftung European Centre for Allergy Research Foundation (ECARF) gibt an, dass ihr 100 Fälle aus Deutschland bekannt sind. Eine Häufung gebe es dabei in Süddeutschland sowie bei Waldarbeitern [9]. |
Literatur
[1] Fischer J et al. Alpha-Gal-Syndrom: Ein Überblick zum klinischen Bild und zu pathophysiologischen Konzepten. Hautarzt 2022;73(3):195-200, doi: 10.1007/s00105-022-04943-4
[2] Galili U. Anti-Gal: an abundant human natural antibody of multiple pathogeneses and clinical benefits. Immunology 2013;140(1):1-11, doi: 10.1111/imm.12110
[3] Emerging Tick Bite-Associated Meat Allergy Potentially Affects Thousands. Pressemitteilung der Centers for Disease Control and Prevention vom 27. Juli 2023, www.cdc.gov/media/releases/2023/p0727-emerging-tick-bites.html
[4] Alpha-Gal-Syndrom Allergene – Fakten, Symptome und Behandlung. Informationen von allergyinsider, bereitgestellt von Thermofisher. Abruf am 1. August 2023, www.thermofisher.com/allergy/de/de/allergen-fact-sheets.html?allergen=alphagalsyndrome
[5] Thompson JM et al. Geographic Distribution of Suspected Alpha-gal Syndrome Cases — United States, January 2017 – December 2022. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2023;72:815–820, doi: http://dx.doi.org/10.15585/mmwr.mm7230a2
[6] Carpenter A et al. Health Care Provider Knowledge Regarding Alpha-gal Syndrome — United States, March – May 2022. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2023;72:809–814, doi: http://dx.doi.org/10.15585/mmwr.mm7230a1
[7] Caponetto P et al. Gelatin-containing sweets can elicit anaphylaxis in a patient with sensitization to galactose-α-1,3-galactose. J Allergy Clin Immunol Pract 2013;1(3):302-303, doi: 10.1016/j.jaip.2013.01.007
[8] Fischer J et al. Galactose-alpha-1,3-galactose sensitization is a prerequisite for pork-kidney allergy and cofactor-related mammalian meat anaphylaxis. J Allergy Clin Immunol 2014;134(3):755-759.e1, doi: 10.1016/j.jaci.2014.05.051
[9] Vom Zeckenbiss zum Steak-Schock. Informationen der European Centre for Allergy Research Foundation (ECARF), Stand 2019, www.ecarf.org/vom-zeckenbiss-zum-steak-schock/
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