Arzneimittel und Therapie

Scopolamin: Warnung vor Off-Label-Use

Hinweise auf anticholinerges Syndrom durch Fehlanwendung von transdermalen Pflastern

Scopolamin-Pflaster (Scopoderm® TTS) sind für Erwachsene und Kinder ab zehn Jahren zur Behandlung von Symptomen der Reisekrankheit wie Übelkeit, Erbrechen und Schwindel zugelassen. Verordnet werden Scopolamin-Pflaster aber nicht nur in der Reisezeit. Außerhalb der Zulassung werden sie in der Klinik häufig zur Behandlung von Hypersekretion oder Hypersalivation, z. B. bei Patienten mit komplexen Mehrfachbehinderungen oder Zerebralparese, bei beatmeten Patienten, Parkinson sowie zur Behandlung von Übelkeit bei Krebs­patienten und in der Palliativmedizin eingesetzt. Scopol­amin passiert die Blut-Hirn-Schranke und wirkt daher sowohl zentral als auch peripher als muskarinischer Acetylcholinrezeptor-Antagonist. Die Aufsichtsbehörde The Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) in Großbritannien hat Ende Juli 2023 vor schwerwiegenden und lebensbedroh­lichen anticholinergen Nebenwir­kungen nach dem nicht zulassungs­gemäßen Gebrauch von Scopolamin-Pflastern gewarnt. Ursache für die Warnung waren sieben Fälle eines anticholinergen Syndroms, die seit 2009 berichtet wurden. Die Neben­wirkung trat vor allem bei älteren Menschen oder Kindern auf. In einem Fall verstarb ein Kind an einer Hyperthermie. Daher warnt die MHRA vor dem Gebrauch bei Kindern unter zehn Jahren, dem Zerschneiden des Pflasters, der gleichzeitigen Anwendung von mehr als einem Pflaster sowie der Langzeitanwendung, die alle nicht der Zulassung entsprechen. Die Behörde appelliert an die Angehörigen der Gesundheitsberufe, auf Symptome eines möglichen anticholinergen Syndroms zu achten. Bei Hyperthermie, Harnverhalt, Desorientierung, Krämpfen, Bewusstseinsstörungen und Koma sollte das Pflaster umgehend entfernt, Maßnahmen zur Reduzierung der Körperwärme durchgeführt sowie ein Arzt aufgesucht werden. Außerdem weist die MHRA darauf hin, dass die Nebenwirkungen auch mehr als 24 Stunden nach dem Entfernen des Pflasters anhalten können. Tarun Nayyar, klinischer Apotheker am Birmingham Hospiz, begrüßt gegenüber dem „Pharmaceutical Journal“ die Vorsichtsmaßnahme des MHRA. Er rät Klinikern insbesondere bei der Kombination mit anderen anticholinerg wirksamen Arzneimitteln, die in der Palliativmedizin üblich sind, Vorsicht walten zu lassen. |

Literatur

Fachinformation Scopoderm® TTS, Stand: April 2022

Hyoscine hydrobromide patches (Scopoderm 1,5 mg Patch or Scopoderm TTS Patch): risk of anticholinergic side effects, including hyperthermia. Drug Safety Update volume 16, issue 12: July 2023: 1, Meldung des GOV.UK vom 24. Juli 2023

Lipanovic David. MHRA issues drug safety warning on hyoscine bromide patches. Meldung des The Pharmaceutical Journal, 28. Juli 2023, doi:10.1211/PJ.2023.1.192995

Apothekerin Marina Buchheit-Gusmão

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.