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Praxis

Erfolg beginnt im Denken

Mit dem richtigen Mindset Herausforderungen meistern

Negative Gedanken und Glaubenssätze können dazu führen, dass wir im Leben auf der Stelle treten und unglücklich werden. Wer jedoch an die eigene Lernfähigkeit glaubt und über ein Growth Mindset verfügt, entwickelt sich stets weiter. Denn unser Denken hat Auswirkungen auf unseren Erfolg. | Von Anja Keck

Eine kleine, etwas bittere Anekdote, die sich in der Zeit zugetragen hat, bevor es Smartphones gab: Ein Kind – ungefähr sieben Jahre als – sitzt neben seinem Vater im Zug. Beide sind in ein Buch vertieft. Das Kind hält einen ziemlichen Wälzer vor sich und fragt den Vater nach der Bedeutung eines Wortes. Dieser erklärt kurz. Die Szene wiederholt sich drei- oder viermal. Bei der nächsten Frage des Kindes verzichtet der Vater auf eine Erklärung und meint stattdessen: „Wenn du zu dumm dafür bist, dann solltest du es besser lassen.“ Ach du Schreck – was sollte das denn?

Wahrscheinlich wurden wir als Kinder alle einmal – und oft noch als Erwachsene – von Worten buchstäblich überfahren. Erfahrungen und Interaktionen prägen unsere Einstellung, unsere Art zu denken und zu fühlen, und das hat einen Einfluss auf unser Handeln. Die Denkweise wird auch als Mindset bezeichnet. Weitere Synonyme wären Haltung, Einstellung oder Mentalität. Ein Mindset arbeitet wie ein Filter, der bestimmt, wie wir unsere Umgebung und unsere Möglichkeiten wahrnehmen.

Hoffentlich hallen in Ihren Ohren andere Sätze nach, wenn Sie einer Herausforderung gegenüberstehen. So etwas wie: „Der Mann auf der Spitze des Berges ist da nicht raufgefallen“ oder „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“. Vor allem der erste Satz gab mir als Kind ein Rätsel auf. Es hat einige Jahre gedauert, bis mir klar wurde, was mir die Erwachsenen damit zu verstehen geben wollten. Damit ich das erreiche, was ich erreichen möchte, werde ich einige Anstrengungen in Kauf nehmen müssen, es wird Durst­strecken geben, ich werde viel lernen und meine Fähigkeiten nutzen müssen. Das ist einer der Grundpfeiler eines hilfreichen Mindsets.

Was sich hinter dem Begriff Mindset verbirgt

Die Motivationspsychologin Prof. Carol Dweck arbeitete umfangreich zu dem Thema Mindset. Ihrer Ansicht nach gibt es zwei Mindsets:

  • das Fixed Mindset (für Starrheit) und
  • das Growth Mindset (für Wachstum).

Menschen mit einem Fixed Mindset gehen davon aus, dass bestimmte Fähigkeiten angeboren sind und es Talente gibt, die man entweder hat oder nicht hat. Wenn sie scheitern, begründen sie es damit, dass ihnen die Begabung fehlt. Sie sind davon überzeugt, dass ein Erfolg bedeutet, dass sie klug sind, und dass das Ringen um eine Lösung Inkompetenz darstellt. Das führt dazu, dass sie Herausforderungen eher meiden, weil eine Niederlage befürchtet wird und eine Niederlage sie bis ins Mark erschüttert. Deswegen verbergen sie ihre Niederlagen nach Möglichkeit.

Für alle mit einem Growth Mindset sieht die Lage ganz anders aus: Diese Personen gehen davon aus, dass sie besser werden und einiges erreichen können, solange sie genügend Einsatz bringen, trainieren oder lernen. Daraus folgt Wissbegierde und der Wunsch, Neues zu entdecken, was mit Anstrengungen verbunden ist, vor allem, wenn sie in den neuen Gebieten vorankommen möchten. Sie lieben Herausforderungen und arbeiten an ihren Schwächen. Fehler werden als Chance zum Lernen angesehen. Diese Ein­stellung ist es auch, die Menschen nicht nur ein deutlich geringeres Stresslevel ermöglicht, sondern zu mehr Erfolg insgesamt führt.

Mindset und Erfolg

Mindset wird oft im Zusammenhang mit Erfolg genannt. Eine ganze Reihe von Studien wurde zu dem schulischen Erfolg von Kindern durchgeführt. Wenn sie über den Einfluss eines Growth Mindsets unterrichtet wurden und die Lehrkräfte dieses durch das „richtige“ Loben unterstützten, konnten die Kinder bessere Leistungen erzielen. Professorin Dweck konnte zeigen, dass Kinder, die für ihre Intelligenz und ihr Talent gelobt wurden (Fixed Mindset), weniger schulischen Erfolg verzeichneten als Kinder, die für ihre Anstrengungen und ihren Lernfortschritt gelobt wurden. Es machte zudem einen Unterschied, wie die Bewertung von Testergebnissen vonstattenging. Hatte ein Kind das Ziel nicht in Gänze erreicht, wurde nicht rückgemeldet „Du hast es nicht geschafft“, sondern „Du hast es fast geschafft“. Dieses kleine Wörtchen „fast“ macht einen großen Unterschied im Erleben. In dem einen Fall fühlen sich die Kinder schlecht und als Verlierer, im anderen Fall hatten sie das Gefühl, auf einem guten Weg zu sein, und versuchten es erneut. Das entspricht dem Vorschlag, frustrierte Auszubildende, die einem ein „Ich kann das nicht!“ um die Ohren hauen, zu bitten, ihren Satz in ein „Ich kann das noch nicht!“ umzuformulieren.

Ein Growth Mindset hat nicht ausschließlich eine Auswirkung auf die schulische und berufliche Laufbahn. Die Variabilität kommt mit der Definition des Erfolgs. Eine Beziehung mit einem lieben Menschen über Jahre aufrechtzuerhalten, kann Erfolg sein, genauso wie gute Freunde zu haben, einen Marathon zu laufen oder ein Haus zu bauen. Auf dem Weg, das Mindset immer mehr in die Richtung eines Growth Mindset zu entwickeln, und auf der Suche nach der Art, wie wir individuelle Erfolge definieren, helfen Vorbilder, motivierende Geschichten und Menschen, die ein Growth Mindset pflegen. Daraus lässt sich lernen, welche Erfahrungen ihnen geholfen und wie sie alte Denkmuster überwunden haben.

Fünf Tipps zur Entwicklung einer Growth-Mindset-Kultur

  • Freiräume lassen: Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, sich Aufgaben eigenverantwortlich und ohne Angst vor Fehlern zu stellen.
  • Vorbild sein: Hören Sie auf Ihre Mitarbeiter, um selbst etwas zu lernen und Unternehmensziele besser zu erreichen.
  • Eigene Denk- und Verhaltensweisen hinterfragen: Reflektieren Sie Ihre alten Denk- und Verhaltensweisen und stellen Sie sie infrage. Handeln Sie nach echten Prinzipien.
  • Fehlerkultur entwickeln: Lassen Sie Fehler zu und setzen Sie auf Lerneffekte bei den Mitarbeitern. So fördern Sie ihre Kreativität. Wer für Fehler immer nur negatives Feedback erntet, kommt garantiert nicht mehr so oft mit einer neuen Idee um die Ecke.
  • Feedbackkultur leben: Geben Sie Ihren Mitarbeitern regelmäßig Feedback und seien Sie selbst auch empfänglich dafür – fordern Sie es ein. Wenn jeder mitbekommt, dass Feedback Teil einer offenen Kultur ist, wird es nicht als etwas Negatives betrachtet, sondern als Chance, etwas zu lernen.

Ein solches Vorbild ist beispielsweise Tom Brady, bis 2022 der Ehemann von Gisele Bündchen. Brady war Quarterback der American-Football-Mannschaft Tampa Bay Buccaneers, und man muss nicht viel von Football verstehen, nur so viel, dass der Quarterback als Spielgestalter gilt. Bradys Start in die National Football League war nicht der rosigste. Er wurde 2000 von den New England Patriots erst in der sechsten von sieben Runden an der 199. Stelle ausgewählt. Zu Beginn war er lediglich als vierter Quarterback eingeteilt. 21 Jahre später gewann er den siebten Super Bowl und ist damit nicht nur der erfolgreichste Quarterback in der Geschichte der National Football League, sondern gewann auch gegen das Vorzeigetalent, den Quarterback der Kansas City Chiefs Patrick Mahomes. Bradys Aussagen und Verhaltensweisen lassen sein Mindset erkennen. Er sagt, dass er nicht gewinnen muss, aber er muss das sichere Gefühl haben, alles für den Erfolg seiner Mannschaft getan zu haben. Er hat den Ruf, sich gut vorzubereiten, und nicht nur sich, sondern auch andere besser zu machen. Nachdem er viele Jahre bei den New England Patriots gespielt hatte und zu den Tampa Bay Buccaneers wechselte, stand die Frage im Raum, wie die Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Coach Bruce Arians funktionieren würde. Schließlich war es auch das Aufeinandertreffen zweier Football-Größen. Aber Bradys Ziel ist es nach wie vor, immer besser zu werden, und da kam ihm ein Coach, der ehrliche Rückmeldungen gibt, wohl gerade recht.

Wenn Sie etwas erreichen wollen, müssen Sie etwas dafür tun. Dazu gehört nicht nur die Bereitschaft, Neues zu lernen, sondern auch, neue Wege zu beschreiten; wenn etwas auf eine Art nicht funktioniert hat, kann es immer noch auf eine andere Art funktionieren.

Ein positives Mindset formen

Erst kürzlich berichtete eine Unternehmerin bei einem Online-Netzwerktreffen über ihre Strategien für eine gute Mitarbeiterführung in der Krise. Zusammenfassend zitierte sie ihren Vater, der in seiner Position als Unternehmer zu sagen pflegte: „Ein guter Kapitän zeigt sich im Sturm.“

Vor allem in Krisensituationen wird unser Mindset auf die Probe gestellt und soll standhalten, was es nicht immer tut. Schnell scheint das Problem nur allzu wuchtig oder wir begeben uns reflexartig in eine Opferrolle und bilden uns ein, dass uns keine oder nur sehr wenige Handlungsoptionen zur Verfügung stehen. Beliebt ist auch das Grübeln über die unglücklichen Umstände: wie sie wohl entstanden sind, welche Worst-Case-Szenarien sie mit sich bringen werden und von welch unvorstellbar langer Dauer das Ganze sein wird. War die Situation unvermeidbar oder hätten wir etwas tun können?

Wenn es sich um eine herausfordernde Situation handelt, bei der sich der Ursprung sehr gut eingrenzen lässt, dann mag eine detaillierte Ursachenforschung noch Sinn ergeben. Zum Beispiel, wenn Sie unter der Dusche stehen, und das Wasser bleibt eiskalt (was morgens um sechs schon sehr nah an einer Krise sein kann). Dann werden Sie mit Ursachenforschung an dem Gerät, das Sie mit der Herstellung von warmem Wasser „beauftragt“ haben, wahrscheinlich sehr weit kommen. Sobald es sich allerdings um komplexe Sachverhalte handelt, um das Zusammenspiel zwischen politischen Entscheidungen, Verlagerungen am Markt, Änderungen im Kundenverhalten und vielen weiteren Einflussfaktoren, dauert die Suche nach der Ursache sehr lange und führt unter Umständen zu der Einsicht, dass es nicht die eine Ursache gibt, sondern es sich um ein multifaktorielles Phänomen handelt.

Wenn im Kopf schwarze Wolken aufziehen, hilft es eher, sich darüber klar zu werden, welche Reaktion in dieser Lage die beste wäre, welche Aspekte der eigenen Kontrolle unterliegen und was sich tun lässt, um das Ausmaß der Schäden in Grenzen zu halten.

Akzeptieren und Verantwortung übernehmen

Sich selbst einzugestehen, dass es gerade eine Krise gibt und dass die eigene Denkweise im Moment nicht sehr zielführend oder hilfreich ist, ist meist schon der erste wichtige Schritt. Die Verantwortung für sein Denken und Handeln zu übernehmen und sich nicht von äußeren Einflüssen leiten zu lassen, zu verdrängen oder sich den eigenen Beitrag abzuerkennen, kann unfassbar schwer werden, wenn wir unsere Gedanken nicht im Zaum halten. Es wird kein Ritter in schillernder Rüstung zur Rettung heraneilen, wir müssen selbst mutig sein und zum Macher werden.

Natürlich wird es immer Aspekte in einer Krise geben, die wir nicht ändern können. Es gilt, alle Aspekte in zwei Kategorien zu sortieren: „Was kann ich ändern?“ und „Was kann ich nicht ändern?“ Vor allem die Aspekte, die außerhalb unseres Einflussbereiches liegen, sollten auf Herz und Nieren geprüft werden. Vielleicht lässt sich doch etwas daran machen. Sollte sich herausstellen, dass wir wirklich nichts daran ändern können, dann können wir die Gegebenheiten auch als solche annehmen, für diesen Moment. Dann lässt sich gelassener damit umgehen, dass es einfach gerade so ist, wie es ist.

Ausloten der eigenen Handlungsoptionen

Um aus einer (schock-)starren Denkweise wieder auszu­brechen, helfen Fragen, die zur Selbstreflexion anregen und auf die eigene Kontrolle und den eigenen Einflussbereich abzielen. Je mehr Möglichkeiten und Handlungsoptionen uns einfallen, umso besser bekommen wir die Situation gedanklich in den Griff. Zu solchen Fragen gehören:

  • Konkret und jetzt: Welche Punkte dieser Situation kann ich beeinflussen, um der Krise eine Wendung zu geben? Mit welchen Interventionen kann ich sofort positiven Einfluss nehmen?
  • Weitergedacht: Was würden meine Vorbilder in dieser Situation tun? Welche positiven Auswirkungen könnte mein Handeln auf die Menschen in meinem Umfeld haben?
  • Etwas kreativer: Falls Ihnen kein Vorbild einfällt, an dem Sie sich in der speziellen Situation orientieren können, überlegen Sie, was der Held Ihrer Kindheit tun würde. Nun kann es passieren, dass der Held Ihrer Kindheit sich seine Hightech-Uhr (inklusive aller nötigen Spezialwaffen und Sprengstoff) umschnallt, sich in den Superflitzer setzt und dank seiner übernatürlichen Fähigkeiten die Situation rettet. Das hilft Ihnen jetzt auch nicht weiter? Vielleicht doch. Wahrscheinlich gibt es wichtige Eigenschaften, die Sie und Ihr Held gemeinsam haben. Nutzen Sie diese. Und was Ihre Möglichkeiten angeht: Was ist Ihre Spezialwaffe? Was ist Ihre übernatürliche Fähigkeit? Es gibt sie sicher.
  • Helfende Hände: Zusammen lassen sich Krisen am besten meistern. Wer kann mich unterstützen und wie kann ich diese Person am besten für mein Vorhaben gewinnen? Wie bekomme ich andere dazu, nicht den Kopf hängen zu lassen, sondern ins Handeln zu kommen?

Stiften Sie mit den konkretisierenden und weiterdenkenden Fragen auch das Team zu einer anderen Denkweise an.

Schaden reduzieren und Chancen finden

Es braucht Mut, einen neuen Weg zu gehen, und es kostet Überwindung, Dinge zum ersten Mal zu tun. Eine Krise befördert uns sehr schnell aus unserer Komfortzone, sodass keine Zeit bleibt, uns Ge­danken zu machen, ob wir uns mutig genug fühlen oder nicht. Bei einer genaueren Suche liegt in jeder Krise auch eine Chance, die es zu finden und zu nutzen gilt.

Fragen wären: Wie kann ich die potenziellen Nachteile dieser Situation reduzieren und die positiven Vorteile maximieren? Welche Nachteile werden bei der richtigen Betrachtung zu Vorteilen? Welche neuen Stärken und Ressourcen entdecke ich schon jetzt und werde ich nach dem Ende der Krise mein Eigen nennen? Wie soll das Leben jenseits dieser Krise aussehen?

Fast geschafft …

Carol Dweck, Professorin für Psychologie an der Stanford University, erläuterte 2014 in einem ihrer Vorträge, wie wichtig das Denken in Prozessen ist. Auch ein positives Mindset lässt sich entwickeln. Das funktioniert nur nicht von jetzt auf gleich. Auch ein Growth Mindset fällt nicht vom Himmel und so zu denken ist eine Fähigkeit, die sich entwickeln darf. Vielleicht gelingt das Umdenken bei der einen Herausforderung schon ganz gut, bei der anderen aber noch nicht. Dann denken Sie nicht, dass ein Growth Mindset nichts für Sie ist, sondern denken Sie sich „fast geschafft“. Sie sind in einem Prozess, es braucht Übung, und jedes Mal werden Sie etwas besser, bis Sie auch in den kniffeligsten Situationen auf eine wachstumsorientierte Haltung zurück­greifen können. „Die Talente sind oft gar nicht so ungleich, im Fleiß und im Charakter liegen die Unterschiede“, sagt Theodor Fontane. |

Autor

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Master-Coach (DGfC) und Systemische Beraterin

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