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Kongresse
Die besondere Situation Älterer beachten
Sich auf das multifaktorielle Geschehen im Körper altersangepasst einstellen
To-do-Liste für die Pharmakotherapie älterer Patienten
Prof. Dr. Ulrich Jaehde vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn erläuterte in seinem Vortrag, wie die Arzneimitteltherapiesicherheit bei älteren Patienten durch die Berücksichtigung der Organfunktionen erhöht werden kann. Denn altersbedingt sinken im Laufe des Lebens die Leistung von Nieren und Leber und gleichzeitig nehmen viele ältere Menschen oft viele Arzneimittel ein. Mit dem Alterungsprozess geht zunehmend die Fähigkeit verloren, sich wechselnden Bedingungen anzupassen. Die Gründe für die nachlassende Homöostasefähigkeit sind vielfältig und individuell. So nehmen unter anderem die Masse und Größe der Leber und der Blutfluss ab, die glomeruläre Filtrationsrate in den Nieren sinkt – beides Prozesse, die direkt Metabolismus, Bioverfügbarkeit und damit Wirksamkeit von Arzneistoffen beeinflussen. Hinzu kommen chronische Inflammationsprozesse, die körpereigene Reparaturmechanismen bremsen. Zusammengefasst nimmt die funktionelle Reserve, die Differenz zwischen basaler und maximaler Leistungsfähigkeit von Organen, im Verlauf des Lebens ab, betonte Jaehde. Daher sollten die Organfunktion regelmäßig kontrolliert und ihr Status bei der Arzneimittelauswahl und -dosierung berücksichtigt werden. Für die Kontrolle der Nierenfunktion wird häufig der Serumkreatinin-Wert herangezogen, der allein aber immer mit Vorsicht betrachtet werden muss, so Jaehde. Besser sei es, den Quotienten aus Kreatinin-Ausscheidung und Serumkreatinin (Kreatinin-Clearance) als Parameter für die Nierenfunktion heranzuziehen. Ein noch besserer Marker ist Cystatin C, da hier Serumkonzentration nicht durch Alter, Geschlecht und Muskelmasse beeinflusst wird. Zum Schätzen der Leberfunktion, werden häufig Scores eingesetzt, in die unter anderem die Albumin- und Bilirubin-Konzentration im Serum einfließen (z. B. Child-Pugh-Score). Liegen Laborwerte zu Nieren- oder Leberfunktion vor, sollten sie im Rahmen einer Medikationsanalyse genutzt werden, um zu prüfen, ob der Patient womöglich nephro- und hepatotoxische Arzneistoffe bekommt oder ob Dosierungen angepasst werden müssen. Jaehde nannte als Unterstützung dazu mit Nephrotox und Livertox Datenbanken im Internet. Leider würden viel zu selten in der Apotheke die Leberwerte bekannt sein bzw. die falschen Werte vorliegen. Daher riet Jaehde dazu, die Werte selbst zu bestimmen. Mit einem „Check-up der Leberwerte“ könne sich die Apotheke positiv positionieren und die Betreuung der Patienten verbessern.
Dosis an Organfunktion anpassen
Obwohl neben einer Hyperpolymedikation mit zehn und mehr Arzneistoffen eine ungeeignete Dosierung aufgrund der Nierenleistung der wichtigste Risikofaktor für unerwünschte Arzneimittelwirkungen in Heimen ist, werde nur allzu oft die Arzneimitteldosierung nicht an die tatsächliche Funktion der Organe angepasst. Unterstützung zur Arzneimitteldosierung bei Niereninsuffizienz bietet die Seite dosing.de. Zur Anpassung der Dosis an die Leberfunktion nannte Jaehde die Datenbanken unter www.drugsinlivercirrhosis.org. Besonders wichtig sei es, zwischen sogenannten Low- und High-Extraction-Drugs zu unterscheiden. Eine Leberfunktionsstörung wirkt sich bei Letzteren stärker aus. Der First-pass-Effekt fällt weg oder ist eingeschränkt, sodass sich die Bioverfügbarkeit deutlich erhöhen kann. Die Dosis von Substanzen mit ausgeprägtem First-pass-Effekt muss reduziert werden.
Jaehde forderte, im Apothekenalltag die Patienten regelmäßig zu fragen, ob in den letzten vier Wochen neue Nebenwirkungen aufgetreten sind. Um zu erkennen, ob und wenn ja, auf welches Arzneimittel eine unerwünschte Wirkung zurückzuführen ist, kann die sogenannte AMTS-Merkkarte hilfreich sein (www.amts-ampel.de). Sie wurde multidisziplinär entwickelt, um mithilfe von Ampelfarben und übersichtlichen Tabellen Pflegende und Hausärzte in Altenheimen zu helfen, Hinweise auf mögliche arzneimittelinduzierte Symptome sowie Arzneistoffe mit hohem Nebenwirkungsrisiko zu erkennen.
Ältere mit Rheuma oft untertherapiert
Was die Lebensqualität im höheren Lebensalter am häufigsten reduziert und zu großen Aktivitätseinschränkungen führt, sind muskuloskelettale Erkrankungen. Neben einer reduzierten Bruchfestigkeit der Knochen (Osteoporose) und degenerativen Knorpelveränderungen sind es vor allem entzündliche Systemerkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, die zu heftigen Beschwerden führen, wie Prof. Dr. Harald Burkhardt, Abteilung Rheumatologie der Goethe-Universität Frankfurt, zeigte. Rheuma ist kein eigener Diagnosebegriff, etwa 500 Krankheitsbilder werden umgangssprachlich unter diesem Begriff verstanden. Bei den entzündlichen Gelenkerkrankungen dominiert die rheumatoide Arthritis, die unbehandelt zu schwersten Deformationen der Gelenke führen kannt. Aber dank der guten Therapiemöglichkeiten kenne man heute die stark verkrümmten Finger nur noch von Fotos in Lehrbüchern, betonte Burkhardt. Und eine rheumatoide Arthritis müsse als eine systemische Erkrankung angesehen werden, die das kardiovaskuläre Risiko erhöht und sich z.B. auch auf Haut und Lunge auswirkt. Leitlinienkonform wird zunächst mit Steroiden wie Prednisolon und krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) wie Methotrexat (MTX) behandelt. Bleiben eine Dosisoptimierung und DMARD-Kombinationen erfolglos, können Biologika wie das Fusionsprotein Abatacept, TNF-α-Antagonisten (z. B. Infliximab) oder IL6-Rezeptor-Antikörper wie Tocilizumab mit der Methotrexat-Therapie kombiniert werden. Eine neue Option bieten die peroral einzunehmenden Januskinase(JAK)-Inhibitoren wie Baricitinib oder Tofacitinib. Erst in dritter Linie folgt Rituximab. Allerdings gibt es eine aktuelle Sicherheitsbewertung der EMA, nach der antiinflammatorische JAK-Inhibitoren bei Patienten ab 65 Jahren sowie bei kardiovaskulär stark vorbelasteten Patienten nur eingesetzt werden sollen, wenn es keine Therapiealternativen gibt. JAK-Inhibitoren sollten aber nicht verteufelt werden, betonte Burkhardt. Wichtig sei es, individuell und angepasst an die jeweilige altersabhängig eingeschränkte Funktion von Nieren und Leber eine Therapieauswahl zu treffen.
Eine Polymyalgia rheumatica ist eine entzündliche Erkrankung, die urplötzlich beginnt mit starken Schmerzen im Schulter- und Hüftgürtel sowie Entzündung der Schleimbeutel, hinzu kommen Fieber, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit. Vor allem Frauen ab dem 50. Lebensjahr sind davon betroffen. Eine Polymyalgia rheumatica spricht gut und schnell auf eine Prednisolon-Stoßtherapie an (initial 15 bis 25 mg/Tag) danach sollte zur Dauerbehandlung über eineinhalb Jahre die Steroiddosis auf unter 5 mg reduziert werden. Gelingt dies nicht ohne Re-Exazerbation, kann MTX hinzugefügt werden. Bei Patienten im höheren Alter sollten laut Burkhardt unter MTX engmaschig (zwei- bis vierwöchentlich) zu Therapiebeginn und bei Dosissteigerung Kontrollen durchgeführt werden. Eine MTX-Therapie sollte nicht begonnen werden, wen der Serumkreatinin-Wert ≥ 1,5 mg/dl liegt. Steroide wie Prednisolon sollten möglichst niedrig dosiert werden (5 mg), denn ab einer Dauerdosis von 8 bis 15 mg steige die Gesamtmortalität. Burkhardt betonte die Bedeutung einer Knochendichtemessung vor Therapiebeginn und eine Osteoporose-Prophylaxe sowie regelmäßige Kontrollen beim Augenarzt. Trotz aller Bedenken überwiege bei einer Langzeittherapie mit niedrig dosiertem Prednisolon der Nutzen die potenziellen Risiken, so Burkhardt.
Demenz, Depression, Delir – Die drei D der Alterspsychiatrie
Über-80-Jährige erhalten drei- bis viermal so viele Psychopharmaka wie 40- bis 50-Jährige. Was bei ihrem Einsatz zu beachten ist und wie die Apotheke die Adhärenz unterstützen kann, erläuterte Apotheker Dr. Otto Dietmaier, ehemaliger leitender Pharmaziedirektor am Zentrum für Psychiatrie, Weinsberg. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind ein wichtiges Thema, wenn ältere Menschen mit Psychopharmaka behandelt werden, denn praktisch alle Psychopharmaka erhöhen das Sturzrisiko. Bei der pharmakologischen Betreuung älterer Patienten mit mentalen Erkrankungen sei vor allem die veränderte Stoffwechsellage zu beachten, so Dietmaier. Mehr als 50% der Bewohner von Altenheimen erhalten Psychopharmaka, etwa 60% der Pflegebedürftigen eine Polymedikation. Dabei führen altersbedingte Veränderungen der Pharmakokinetik dazu, dass Psychopharmaka im Alter bei gleicher Dosierung deutlich stärkere Effekte und deutlich mehr Nebenwirkungen hätten als bei jüngeren Patienten. Wenn dann Gebrechlichkeit (Frailty-Syndrom), Exsikkose und Gewichtsverlust hinzukommen, fehlen zusätzlich wichtige Kompensationsmechanismen. So kann aufgrund einer altersbedingten Nierenfunktionsstörung die renale Ausscheidung beeinträchtigt sein. Berücksichtigt werden muss, dass fast alle Psychopharmaka die Sturzwahrscheinlichkeit erhöhen – vor allem aber sedierende Substanzen. Benzodiazepine sollten daher generell bei geriatrischen Patienten nicht eingesetzt werden, und möglichst gemieden werden sollten auch Substanzen, die anticholinerge Effekte oder extrapyramidale motorische Störungen hervorrufen. Das Ausmaß der anticholinergen Last werde häufig vonseiten der Ärzte unterschätzt. Die vermehrt auftretenden Nebenwirkungen beeinträchtigten zudem dann oftmals die Compliance. Besondere Aufmerksamkeit bei älteren Patienten erfordern laut Dietmaier anticholinerge Nebenwirkungen, die zu Gedächtnisstörungen und Verwirrtheit bis hin zum Delir führen können. Wirkstoffe mit serotonergem Wirkprofil können zudem Blutungen oder eine Hyponatriämie verursachen. Kardiale Effekte von Psychopharmaka, wie massive Blutdrucksteigerungen oder Verlängerung der QT-Zeit können zu Herz-Kreislauf-Problemen führen und müssen in der Geriatrie ebenfalls berücksichtigt werden. Die „drei großen D“ der Alterspsychiatrie sind Demenz, Depression und Delir. Demenz ist die häufigste psychiatrische Diagnose im Alter und wird laut Dietmaier in 90% der Fälle von nicht kognitiven Störungen begleitet, die sich unter anderem in Hyperaktivität (Aggressivität, Schreien) und psychotischen Symptomen (Wahn, Halluzinationen) äußern. Hier können Antipsychotika wie Risperidon, Melperon oder Pipamperon helfen. Noch häufiger treten bei Demenzpatienten aber reaktive Verhaltensstörungen wie Apathie oder Depression auf, die mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Mirtazapin behandelt werden. Problematisch ist, so Dietmaier, dass Depression im Alter sehr häufig zusammen mit Alzheimer, Parkinson, Schlaganfall, Schmerzsyndromen oder Herzinfarkt auftreten und die Prognose ältere Patienten verschlechtern. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sich das kalendarische und das biologische Alter deutlich unterscheiden können. Als Informationsquelle nannte er die aktualisierte Priscus-Liste 2.0, die für den deutschsprachigen Raum Hinweise zum Interaktionspotenzial gibt sowie der generellen Eignung von Arzneimitteln für alte Menschen.
Ein langsames Steigern der Dosis und später auch langsames Ausschleichen von Psychopharmaka sind gerade bei alten Patienten essenziell, da die hepatischen und renalen Eliminationsfähigkeiten eingeschränkt sind (start low, go slow), so Dietmaier. Pharmakokinetik und -dynamik sind verändert, was zu verstärkten Arzneimittelwirkungen führen kann. Aufgrund dessen sei oft nur die Hälfte oder ein Drittel der üblichen Dosis für Erwachsene bei älteren Patienten vonnöten. Die Bedeutung der Apotheker in der Beratung betonte Dietmaier vor allem wenn es darum geht, Wirkstoffkombinationen und Therapiedauer zu beurteilen. In der Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ wird der Apotheke unter anderem die Adhärenzförderung als Aufgabe zugeordnet. Apothekerinnen und Apotheker können helfen, viele Ängste und Vorurteile auch im Umfeld der Patienten und bei den Angehörigen abzubauen, zum Beispiel bei der Angst vor Abhängigkeit, die unberechtigt sei, so Dietmaier. Die meisten Psychopharmaka machen nicht abhängig, sonst könnten gar nicht so häufig Patienten ihre Arzneimittel selbst absetzen, was nur allzu oft geschehe. Angehörige thematisieren oft Persönlichkeitsveränderungen infolge der Pharmakotherapie, die sie bei den Betroffenen zu erkenne glauben. Hier sollte man sich fragen, wie denn die Person vor der Erkrankung war? Was hat die Person verändert? Dietmaier wünscht sich, mehr das Positive in der Therapie zu sehen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Todesursache Nr. 1
Herzinsuffizienz ist prognostisch mit verschiedenen Tumorerkrankungen vergleichbar, bei Männern zum Beispiel mit einem Blasenkarzinom und bei Frauen mit einem Kolorektalkarzinom. Eines der grundlegenden Therapieziele ist es, die Mortalität zu senken. Die aktuelle europäische Leitlinie empfiehlt für Patienten der NYHA-Klassen II bis IV eine Vierfach-Therapie als Standard, wie Prof. Dr. Dietmar Trenk erläuterte. Entgegen dem herkömmlichen Therapieschema soll die Therapie nun rasch initiiert werden.
Kurzatmigkeit ist zumeist das erste Symptom, mit dem Patienten mit Herzinsuffizienz beim Arzt vorstellig werden. Weitere Symptome sind nächtliche Dyspnoe, verringerte Belastungstoleranz, Müdigkeit und Ödeme in den Füßen. Eingeteilt werden die Krankheitsstadien der Herzinsuffizienz nach der New York Heart Association (NYHA) in die Klassen I bis IV. Während der Patient in Klasse I noch asymptomatisch ist, nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit im weiteren Verlauf ab, bis im letzten Stadium Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe bestehen. Die Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) 2021 sieht als Standardtherapie für alle Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) der NYHA-Klassen II bis IV eine Kombination aus vier Arzneimitteln vor. Dazu gehört ein Angiotensin-Converting-Enzym(ACE)-Inhibitor oder ein Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), ein Mineralocorticoid-Rezeptor-Antagonist, ein Betablocker sowie ein Natrium-Glucose-Transporter2(SGLT2)-Inhibitor. Alle vier Arzneimittel sollen nach Empfehlung von Experten innerhalb von vier Wochen begonnen werden und dann bis hin zur Zieldosis titriert werden. Das herkömmliche Therapieschema sah vor, die Arzneimittel in einem Zeitraum von etwa sechs Monaten schrittweise zu geben und jeweils zur Zieldosis zu titrieren.
Altern ist eine systemische Entzündung
„Es geht nicht darum, irgendwie alt zu werden, sondern gesund alt zu werden“, betonte Prof. Dr. Martin Smollich vom Institut für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig Holstein. Doch gesundem Altern stehen verschiedene alterungsbedingte Beschwerden und Erkrankungen im Wege. Im Mittelpunkt stehen in den meisten Fällen Entzündungsprozesse, weswegen das Altern heute im Wesentlichen als systemische Entzündung („Inflamm-Aging“) betrachtet werde. Diese inflammatorischen Prozesse werden durch die ständige Verfüg
barkeit von Nahrung im Überfluss verstärkt – ein Übel unserer Zeit. Deswegen hat Kalorienrestriktion in allen bekannten Studien und bei allen untersuchten Spezies zu einer deutlichen Zunahme an gesunden Lebensjahren geführt. Eine andere Möglichkeit ist eine sogenannte antiinflammatorische Ernährung, eine im Wesentlichen pflanzenbetonte, ballaststoffreiche und fleischarme Ernährungsweise, wie sie z. B. die mediterrane Diät darstellt. Die Empfehlungen für eine Ernährungsprävention bei den drei weit verbreiteten Krankheitsfeldern Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Demenzen unterscheiden sich nur unwesentlich: Auf allen drei Gebieten empfehlen die Leitlinien eine Gewichtsreduktion und eine mediterrane bzw. pflanzenbetonte Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Seefischen und Nüssen. Reduziert oder ganz gemieden werden sollten dagegen (rotes) Fleisch, gesättigte Fettsäuren und Transfette, Kochsalz sowie Alkohol.
Übergewicht ist auch für die Entstehung von Krebserkrankungen ein klarer Risikofaktor. Deswegen sei der erste und wichtigste Punkt bei der Krebsprävention das Erreichen bzw. Halten des Normalgewichts, betonte Smollich. „Wir erleben einen Adipositas-Tsunami – und in einigen Jahren wird daraus ein Krebs-Tsunami werden!“
Gegen den Teufelskreis der Gebrechlichkeit
Doch neben diesen allgemeingültigen Empfehlungen sollte die Ernährung bei Älteren an ihre spezifischen Erfordernisse angepasst werden. Im Alter sinkt der Grundumsatz, was einen sinkenden Bedarf an Kohlenhydraten und Fetten nach sich zieht. Da aber der Bedarf an Mikronährstoffen konstant bleibt, muss in der Konsequenz die Mikronährstoffdichte in der Nahrung steigen. Der Proteinbedarf nimmt im Alter zu, er liegt bei Über-65-Jährigen Gesunden bei 1,0 bis 1,2 g Protein pro kg Körpergewicht (KG). Wird er nicht gedeckt, kann das zur gefürchteten Sarkopenie beitragen. Die mit dem Verlust an Muskelmasse und -kraft einhergehenden funktionellen Einschränkungen führen zu nachlassender Aktivität und Mobilität, was wiederum den Rückgang der Muskelmasse weiter beschleunigt. Es entsteht ein Teufelskreis der Gebrechlichkeit (circle of frailty). Bei akuten Erkrankungen kann der Proteinbedarf sogar auf bis zu 2,0 g/kg Körpergweicht ansteigen, eine Menge, die mit der Nahrung oft nicht mehr aufgenommen werden kann. In diesen Fällen kann eine Proteinanreicherung der Nahrung sinnvoll sein. Smollich wies aber darauf hin, dass Proteinzufuhr allein nicht zu einer Zunahme an Muskelmasse führt, sondern diese mit körperlicher Aktivität, am besten mit Krafttraining kombiniert werden muss.
Eine große Herausforderung ist die Ernährung von dementen Älteren. Hier tritt oft schon in frühen Krankheitsphasen ein Gewichtsverlust ein, mit Fortschreiten der Erkrankung steigt das Risiko für Mangelernährungen immer weiter. Krankheitsbedingt kommt es oft zu Appetitstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen können zu mangelnder Nahrungszufuhr bzw. ungünstiger Nahrungsauswahl führen. Gleichzeitig ist durch die psycho-motorische Unruhe oft der Energieverbrauch erhöht. Smollich betonte, dass selbst in diesen Fällen hyperkalorische Trinknahrung oder gar die Ernährung über eine Sonde die letzte Option sein sollte. Vorher müssten andere Ursachen der Mangelernährung, z. B. Begleiterkrankungen, ausgeschlossen bzw. therapiert werden, und es sollte durch eine angenehme Gestaltung der Essenssituation, wie das Essen in Gemeinschaft, und durch pflegerische Maßnahmen versucht werden, der Mangelernährung zu begegnen. Dabei sei die „Essensbiografie“ der Patienten zu berücksichtigen, vor allem ihre individuellen Vorlieben und Abneigungen.
Weit verbreitet sind auch Ernährungsprobleme als Folge von unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Negative Folgen für den Ernährungsstatus haben Beeinträchtigungen bzw. Störungen des Geschmackssinns, Appetitverlust oder -steigerung, Mundtrockenheit, Obstipation oder Diarrhöe, Mikronährstoffeffekte sowie das anticholinerge Syndrom. Außerdem können Stoffwechseleffekte von Arzneimittel zu einer Zu- bzw. Abnahme des Körpergewichts führen. Ein besonderes Problem sei, dass viele dieser unerwünschten Arzneimittelwirkungen nicht als solche erkannt, sondern als „alterstypische“ Veränderungen wahrgenommen werden. Hier könne die Apotheke eine wichtige Rolle bei der Detektion und Beseitigung solcher UAW spielen, so Smollich. |
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