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Wirtschaft

Was ist meine Apotheke wert?

Objektivierte Wertermittlung mithilfe des klassischen Ertragswertverfahrens

Egal, ob man darüber nachdenkt, einen Verbund zum bestmöglichen Preis zu verkaufen, oder auf der Suche nach einer zukunftsträchtigen Apotheke ist: Die Bestimmung des Unternehmenswertes spielt eine zentrale Rolle. Für eine objektivierte Wertermittlung gibt es eine Reihe von verschiedenen Methoden – am Markt etabliert hat sich das klassische Ertragswertverfahren. So funktioniert es. | Von André Butterweck 

Den Wert einer Apotheke zu ermitteln, ist für Verkäufer und Käufer gleichermaßen interessant. Um zu ökonomisch begründeten Werten zu gelangen, hat sich die Erstellung eines neutralen Bewertungsgutachtens bewährt, auf dessen Basis anschließende Kaufpreisverhandlungen zwischen den Parteien erfolgen können. Faustformeln und Praktikermethoden (X% vom Umsatz) sind strikt abzulehnen, da sie zu falschen und nicht begründbaren Ergebnissen führen.

Standardisierte Bewertung

Nach herrschender Meinung in Bewertungstheorie, -praxis und höchstrichterlicher Rechtsprechung bildet der Standard IDW S1 des Instituts der Wirtschaftsprüfer den Rahmen für die Ermittlung von Unternehmenswerten und folglich auch für die Bewertung von Apotheken. Dem IDW S1 zufolge wird der Wert eines Unternehmens über das klassische Ertragswertverfahren (EW) beziehungsweise das Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF) ermittelt. Dabei ist der Wert ausschließlich aus der Fähigkeit des Unternehmens abzuleiten, zukünftige finanzielle Überschüsse für die Eigner zu erzielen (= Zukunftserfolgswert). Es werden alle zukünftigen Nettozuflüsse ermittelt und mit einem risikoadäquaten Kapitalisierungszinssatz – über die Formel der ewigen Rente – auf den Bewertungsstichtag abgezinst. Vereinfacht ausgedrückt ergibt sich der Wert einer Apotheke damit nach der Formel:

Ablauf eines Bewertungsprozesses

Der Prozess der Unternehmensbewertung besteht aus mehreren Einzelschritten, die auf­einander aufbauen. Die Abbildung 1 zeigt die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Bewertung nach dem klassischen Ertragswert­verfahren.
 

Abb. 1: Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren

1. Analyse der Vergangenheitswerte

Zunächst ist es notwendig, die wirtschaftliche Situation der Apotheke während der letzten üblicherweise drei bis fünf Wirtschaftsjahre umfassend zu analysieren, um Besonderheiten, Entwicklungstendenzen, Risikofaktoren und Chancen zu erkennen. Einen zentralen Stellenwert haben dabei unter anderem

  • die wesentlichen apothekenbetrieblichen Kennzahlen,
  • die Umsätze und Aufwendungen,
  • die Struktur des Versorgungsprofils,
  • die Standortbedingungen (Wettbewerber, Hauptverordner etc.) und
  • die gesetzgeberischen beziehungsweise wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

2. Bereinigung der Vergangenheitswerte

Anschließend sind die Vergangenheitswerte – wie in der Bewertungspraxis üblich – um Ereignisse zu bereinigen, die das Jahresergebnis atypisch beeinflusst haben.

Beispiele hierfür sind unter anderem

  • Erlöse oder Aufwendungen aus Anlage­verkäufen,
  • die Bildung oder Auflösung von Rückstellungen,
  • außerordentliche Instandhaltungs­aufwendungen,
  • hohe Personalkosten durch temporäre krankheitsbedingte Ausfälle.

3. Prospektive Ergebnisermittlung

Bei der Wertermittlung ist auf die der Apotheke innewohnende und übertragbare Ertragskraft abzustellen. Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass sich die Erträge der Vergangenheit auch in der Zukunft unverändert erzielen lassen. Vielmehr wird der nachhaltige Ertrag von einer Vielzahl von Einflussfaktoren bestimmt. Dies können zum Beispiel Veränderungen

  • der gesundheitspolitischen und rechtlichen Rahmen­bedingungen,
  • der Versorgungsaufgabe,
  • der Standortfaktoren im Einzugsbereich (Mietvertrag, Ärztestruktur, Standortdaten, Verkehrslage, Wettbewerber),
  • der Betriebsstruktur (Umsatz, Betriebsaufwendungen) sein.

Ebenso ist der Zustand der Apotheke, über den sich notwendige Reinvestitionen erkennen lassen, einzubeziehen.

4. Kalkulatorischer Unternehmerlohn

Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften darf kein Unternehmerlohn in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden. Da aber jede unternehmerische Tätigkeit eine Dienstleistung darstellt und somit einen Aufwandscharakter besitzt, lässt sich diese steuerrechtliche Vorschrift betriebswirtschaftlich nicht rechtfertigen. Daher ist es in der Literatur unumstritten, dass bei der Unternehmens­bewertung ein individuell kalkulierter Unternehmerlohn vom bereinigten Zukunftsergebnis abgezogen werden muss. Der Unternehmerlohn wird in aller Regel nach der Vergütung bestimmt, die eine nicht am Unternehmen beteiligte Geschäftsführung in vergleichbarer Tätigkeit erhalten würde. Die Höhe richtet sich jeweils nach dem Einzelfall und den individuellen Verhältnissen.

Expertentipp

Der Markt der Apothekenberater ist groß und einige Experten sind der Auffassung, dass Apotheken nicht nach dem klassischen, sondern nach dem für die Bewertung von Freiberuflerpraxen (insbesondere Arztpraxen) konzipierten, sogenannten modifizierten Ertragswertverfahren zu bewerten seien. Unserer Ansicht nach lässt sich diese Auffassung weder durch die Fachliteratur noch durch die Rechtsprechung legitimieren. Nach herrschender Meinung und der Auffassung des IDW ist für die Bewertung von Apotheken das hier dargestellte klassische Ertragswertverfahren anzuwenden.

5. Berücksichtigung der Steuern

Vom Reinertrag nach Unternehmerlohn sind noch die Gewerbe- und die (typi­sierte) Einkommensteuer (inklusive Gewerbesteueranrechnung) abzusetzen. Der Gedanke dahinter: Dem Inhaber stehen die zufließenden Gewinne aus dem Unternehmen netto zur Verfügung.

6. Kapitalisierungszinssatz

Der so verbleibende Nettoertrag (nach Unternehmerlohn und Steuern) ist sodann zu kapitalisieren, das heißt auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen. Die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes ergibt sich dabei aus dem Basiszins (risikofreier Zinssatz) und einem Risiko­zuschlag für das allgemeine Marktrisiko und das unternehmensindividuelle Risiko der Apotheke. Die Abzinsung erfolgt unter der Prämisse einer grundsätzlich unbegrenzten Lebensdauer der Apotheke nach der Formel der ewigen Rente.

7. Apothekenwert

Der so ermittelte Apothekenwert beinhaltet das betriebsnotwendige Anlagevermögen, das betriebsgrößen- und versorgungsprofiltypische Warenlager sowie den ideellen Firmenwert. Alle weiteren Aktiva und Passiva werden vom Verkäufer abgewickelt.

Die Bewertung einer Apotheke erfordert hohes branchen­spezifisches Fachwissen, um die Besonderheiten zu erkennen und sachgerecht in den Wert einfließen zu lassen. Auf Basis der Wertermittlung kann anschließend der finale Kaufpreis ausgehandelt werden. |

Autor

André Butterweck

Dipl.-Ökonom und Dipl.-Arbeitswissenschaftler bei der RST Steuerberatungsgesellschaft, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Apotheken (IHK Essen). Certified Valued Analyst.

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