Arzneimittel und Therapie

Regelschmerzen spürbar verringern

Cochrane-Review zur Evidenz kombinierter oraler Kontrazeptiva bei Dysmenorrhö

Können kombinierte orale Kontrazeptiva wirksam die Beschwerden primärer Regelschmerzen wie Krämpfe und Schmerzen im Unterleib lindern? Ein aktualisierter Cochrane-Review, der seit der letzten Version aus dem Jahr 2019 14 zusätzliche Studien einschließt, fasst die gesamte vorliegende Evidenz zu Wirksamkeit und Sicherheit von kombinierten oralen Kontrazeptiva zur Behandlung der primären Dysmenorrhö zusammen.

Die Monatsblutung kann mit Beschwerden wie Krämpfen und Schmerzen im Unterleib verbunden sein. Primäre Regelschmerzen (primäre Dysmenorrhö) werden durch Prostaglandin-vermittelte Kontraktionen der Uterusmuskulatur ausgelöst, während sekundäre Regelschmerzen z. B. durch gutartige Geschwulste der Gebärmutter wie Myome, Polypen oder auch Endometriose verursacht werden. Von einer primären Dysmenorrhö sind häufig junge Frauen betroffen. Neben nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) werden zur Behandlung der primären Dysmenorrhö häufig hormonale Kontrazeptiva wie die klassische „Pille“ eingesetzt. Entscheidend für die Auswahl einer Therapieoption kann dabei sein, ob gleichzeitig eine Empfängnisverhütung gewünscht ist. Die in kombinierten oralen Kontra­zeptiva (KOK) enthaltenen Gestagene führen im Laufe der Zeit dazu, dass die Gebärmutterschleimhaut dünner wird und geringere Mengen an Prosta­glandinen synthetisiert. Dadurch verringern sich die Blutungsmenge und die während der Blutung auftretenden Uteruskontraktionen [1]. Ein aktualisierter Cochrane-Review, der 14 zusätzliche Studien einschließt, fasst die vorliegende Evidenz zu Wirksamkeit und Sicherheit von kombinierten oralen Kontrazeptiva zur Behandlung der primären Dys­menorrhö zusammen [2]. Insgesamt konnten die Cochrane-Autorinnen und -Autoren 21 Studien mit Behandlungszeiträumen von drei bis sechs Monaten einschließen. Im Kasten „Die Fakten des Reviews in Kürze“ finden sich allgemeine Informationen zum Review.

Die Fakten des Reviews in Kürze

  • 21 Studien mit 3723 Frauen mit schmerzhafter Regelblutung von mindestens mittlerer Stärke
  • elf Studien: Vergleich kombinierte orale Kontrazeptiva versus Placebo
  • acht Studien: Vergleich verschiedener Präparate mit kombinierten oralen Kontrazeptiva
  • eine dreiarmige Studie: verschiedene kombinierte orale Kontrazeptiva +Placebo
  • Studien durchgeführt von 1966 bis 2017 (ältere Studien mit höheren Estrogen-Dosierungen als heute üblich)

Besserung von Schmerzen auf der Total Dysmenorrhö Skala

Die Teilnehmerinnen der Gruppen mit den kombinierten oralen Kontrazep­tiva bewerteten ihre Menstruations­beschwerden auf der Total Dysmenorrhö Skala (TDS), die von 0 bis 6 reicht, nach drei bis vier Monaten um durchschnittlich 0,8 Punkte besser als die Frauen, die Placebo erhalten hatten. Diese Aussage beruht auf der Auswertung von sechs Studien mit 588 Frauen, wobei die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach GRADE als „hoch“ eingestuft wird (s. Kasten „Gut zu wissen: Vertrauenswürdigkeit von Evidenz“).

Gut zu wissen: Vertrauenswürdigkeit von Evidenz

Für eine informierte klinische Entscheidung ist es wichtig zu wissen, wie die Qualität der vorhandenen Evidenz einzuschätzen ist. In Cochrane-Reviews wird die Vertrauens­würdigkeit der Evidenz nach dem System von GRADE bewertet: Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation. Dieses konsistente und transparente System soll helfen, mit klar definierten Kriterien die Vertrauenswürdigkeit der Effekte für relevante Endpunkte zu bewerten. Danach wird der Grad der Vertrauenswürdigkeit in vier Stufen eingeteilt: hoch, moderat, niedrig, sehr niedrig. Das Studiendesign wird ebenso betrachtet wie die Risiken für Bias, Inkonsistenz, Indirektheit, unzureichende Präzision und Publikationsbias.

Immer bewerten zwei Cochrane­-Autorinnen bzw. -Autoren dabei unabhängig voneinander, wie vertrauenswürdig die vorliegende Evidenz der eingeschlossenen Studien ist. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist abzugrenzen von der Betrachtung der Ergebnisse in Bezug auf die Wirksamkeit der Behandlung – so kann ein Review mit hochgradig vertrauenswürdiger Evidenz durchaus ergeben, dass die untersuchte Therapie un­wirksam ist.

Die meisten Studien ergaben nach der Behandlung auch in den Placebo­gruppen relativ niedrige Werte auf der Schmerz-Skala (2,2 bis 3,0 im Vergleich zu 1,1 bis 2,4). Dies spiegelt auch die zyklische Natur der Erkrankung mit schwankender Schwere von Monat zu Monat wider, bedeutet jedoch auch, dass es für Studien un­möglich gewesen wäre, die TDS um 3 Punkte zu verringern, erklärt Jeppe Schroll, Erstautor des Reviews, der neben seiner Tätigkeit für Cochrane Dänemark als Gynäkologe tätig ist.

Wurde die Verbesserung als Ja-Nein-Kategorie gemessen, ist die Evidenz wegen Inkonsistenz und Indirektheit (ältere Wirkstoffkombinationen) unsicher; das gilt auch für den Endpunkt „Fehltage bei der Arbeit oder in der Schule“. „Mehr Wissen über das tatsächliche Ausmaß der Wirkung wäre zwar nice to have“, so Jeppe Schroll, „praktisch würde es jedoch kaum einen Unterschied machen, da KOK sehr häufig ausprobiert werden, und wenn es nicht funktioniert, werden sie einfach wieder abgesetzt“.

Verschiedene KOK, Dosierungen und Einnahmeschemata

Mehrphasige Kontrazeptiva gibt es in einer Vielzahl verschiedener Zusammensetzungen. Im Cochrane-Review wurden daher potenzielle Unterschiede der verschiedenen Zusammensetzungen adressiert.

  • Es gibt wahrscheinlich keine oder allenfalls geringfügige Unterschiede hinsichtlich Schmerzreduktion für KOK mit Gestagenen der ersten oder zweiten Generation (Norgestrel, Levonorgestrel, Norethisteron) im Vergleich zu kombinierten oralen Kontrazep­tiva mit neueren Gestagenen (Desogestrel, Gestoden, Dienogest, Drospirenon). Für den Vergleich hoher Estrogen-Dosierungen (≥ 50 µg, wie in älteren Studien üblich) mit niedrigeren Estrogen-Dosierungen (< 35 µg Estrogen, wie in neueren Studien üblich) liegen keine Studien vor.
  • Hinsichtlich unerwünschter Wirkungen liegen für den Vergleich verschiedener kombinierter oraler Kontrazeptiva keine belastbaren Daten aus randomisiert-kontrollierten Studien vor.
  • Was das Thromboserisikobetrifft, helfen jedoch Beobachtungsdaten weiter: Im Rahmen eines Risikobewertungsverfahrens wurde festgestellt, dass Levonorgestrel-haltige Präparate mit niedriger Estrogen­-Dosierung das niedrigste Risiko für thromboembolische Komplika­tionen haben (5 bis 7 pro 10.000 Frauenjahre) [3].

Ein für die Indikation Dysmenorrhöbesonders interessanter Vergleich ist ein durchgängiges Einnahmeschema ohne „Pillenpause“ nach 21 Tagen im Vergleich zum regulären Einnahmeschema mit siebentägiger Unterbrechung nach 21 Tagen. Der Langzeitzyklus, um die Blutung hinauszuzögern, erscheint für diese Indikation plausibel, da die Schmerzen mit der Blutung assoziiert sind. Ein methodisches Problem dabei: Die Art des Regimes ist am Auftreten der Abbruchblutung erkennbar, so dass die Studien für diesen Vergleich als entblindet gelten.

Die Einnahme von KOK ohne Pause scheint Schmerzen stärker als das reguläre Einnahmeschema zu verringern. Zwar ist die Ver­trauenswürdigkeit der Evidenz hierfür niedrig, da die Studien entblindet waren und zudem die Ergebnisse uneinheitlich sind. Allerdings unterstützen drei weitere Studien, die aufgrund von Berichtsproblemen nicht in die metaanalytische Auswertung einbezogen werden konnten, diese Erkenntnis. Unerwünschte Wirkungen traten im Studienverlauf in den Gruppen mit und ohne „Pillenpause“ ungefähr gleich häufig auf, möglicherweise aber etwas häufiger in der Gruppe mit kontinuierliche Einnahme: Geht man bei regulärer Einnahme von 65% unerwünschten Arzneimittelwirkungen aus, wären es bei kontinuierlicher Einnahme zwischen 66% und 80%. Mit moderater Vertrauenswürdigkeit kann außerdem festgestellt werden: Die kontinuierliche Einnahme der Kontrazeptiva verursacht wahrscheinlich mehr unregelmäßige Blutungen, das heißt leichte Blutungen außerhalb der normalen Menstruation (33% bei nicht kontinuierlicher Einnahme vs. 38% bis 56% bei kontinuierlicher Einnahme). Unerwünschte Wirkungen wie z. B. eine Gewichtszunahme sind insbesondere für die dauerhafte Einnahme unzureichend erforscht.

Cochrane-Reviews

Cochrane Deutschland repräsentiert das inter­nationale Forschungsnetzwerk Cochrane, das durch systematische Übersichtsarbeiten seit 30 Jahren Grundlagen für eine evidenzbasierte Gesundheitsversorgung schafft. Einen Artikel zum Gründungs­jubiläum des Cochrane Netzwerks finden Sie in dieser Ausgabe auf Seite 29.

Vergleich mit Schmerzmitteln

Wie kombinierte orale Kontrazeptiva im Vergleich zu NSAR hinsichtlich der Wirksamkeit einzuschätzen sind, kann derzeit nicht beantwortet werden, da die Datengrundlage zu gering ist: Die einzige Studie mit 91 Frauen für diesen Vergleich war nicht ver­blindet, und der Effekt kann nicht genau geschätzt werden: Auf einer 100-Punkte-VAS-Schmerzskala betrug der Wert bei Einnahme der Kontra­zeptiva 35 und war mit NSARdurchschnittlich 0,3 Punkte niedriger (95%-Konfidenzintervall: 5,4 niedriger bis 4,8 höher).

Unerwünschte Wirkungen auch unter Placebo sehr häufig

Für die Nutzen-Risiko-Abwägung sind verlässliche Daten zu unerwünschten Wirkungen notwendig. Hormonelle Kontrazeptiva sind durch eine gewisse „Hormonverachtung“ in den sozialen Medien in Verruf geraten. Dort werden allerdings Einzelerfahrungen be­richtet, die nicht verallgemeinerbar und nicht wissenschaftlich basiert sind. Der Blick auf die nüchterne Evidenz für den Einsatz bei Dysmenorrhö ergibt Folgendes:

Mit verlässlicher Evidenz kann gesagt werden, dass kombinierte orale Kon­trazeptiva das Risiko für unregel­mäßige Blutungen erhöhen und auch Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Übelkeit häufiger auftreten. Interessant sind die absoluten Zahlen: Denn „unerwünschte Wirkungen“ sind bei den Frauen mit Dysmenorrhö auch in den Placebogruppen sehr verbreitet (Placebo: 59%; orale Kontrazeptiva: 71% bis 86%). Ob schwerwiegende unerwünschte Wirkungen häufiger auftreten, kann aus den randomisiert-kontrollierten Studien nicht mit ausreichender Sicherheit ermittelt werden; hierfür war die Zahl der Teil­nehmerinnen zu gering und die Nachbeobachtungszeit von einigen Monaten zu kurz.

Fazit: Nach bestem Wissen ...

… bestätigt dieser Review, dass kombinierte orale Kontrazeptiva Regelschmerzen spürbar verringern können. Die Evidenz hierfür ist verlässlich, weitere Studien werden nach Einschätzung der Cochrane-Autorinnen und -Autoren nicht benötigt. Mit unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen muss gerechnet werden, diese sind aber bei Frauen mit Dysmenorrhö auch bei Placebo-Einnahme häufig; eine erwünschte Neben­wirkung kann der Empfängnisschutz sein.

Zur Langzeitsicherheit können im Review allerdings keine Aussagen getroffen werden, da Daten aus randomisiert-kontrollierten Studien nur über sechs Monate vorliegen. |

Literatur

[1] Smith RP, Kaunitz AM. Dysmenorrhea in adult females: Treatment. Literatur-Review von UptoDate, letzte Aktualisierung: 12. August 2022, www.uptodate.com

[2] Schroll JB, Black AY, Farquhar C, Chen I. Combined oral contraceptive pill for primary dysmenorrhoea. Cochrane Database Syst Rev 2023;7(7):CD002120, doi: 10.1002/14651858.CD002120.pub4

[3] Rote-Hand-Brief zu Dienogest- und Ethinyl­estradiol-haltigen Kontrazeptiva: Risiko venöser Thromboembolien. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, 11. Dezember 2018, www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2018/rhb-dienogest-ethinyl­estradiol.html

Autorin

Dr. rer. nat. Birgit Schindler, Fachapothekerin für Arzneimittel­information, Cochrane Deutschland Stiftung.

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