Aus den Ländern

Von der Pubertät bis zur Menopause

17. Europäisches Pharmazeutinnen Treffen (EWPM) am 23. September 2023 in Maastricht

Das diesjährige Treffen von Pharmazeutinnen aus sieben europäischen Ländern legte den Fokus auf die weibliche Gesundheit. Tragisch: Nur wenige Tage nach der Veranstaltung verunglückte die Präsidentin der niederländischen Organisation für Apothekerinnen, Sonja Keizers, tödlich bei einem Autounfall.

Das Treffen am 23. September 2023 in Maastricht wurde von Sonja Keizers, der Präsidentin der niederländischen Organisation für Apothekerinnen (NOVA), eröffnet. Sie forderte in ihrer Begrüßung „eine Pharmazie, die für Frauen arbeitet und die die weibliche Perspektive auf Gesundheitsthemen ernst nimmt“. Anschließend wünschten Dr. Nicole Hunfeld, die Vizepräsidentin der niederländischen Apothekervereinigung (KNMP), und Manuela Queitsch, die Präsidentin des DAB (Deutscher Akademikerinnen Bund), in ihren Ansprachen der Veranstaltung viel Erfolg.

Foto: EWPM

Podiumsdiskussion am Ende der Tagung Die Referentinnen und die Moderatorin des EWPM: Meike van’t Hof, Dr. Zuzana Vaneková, Rineke Gordijn, Dr. Nuttan Tanna, Maartje Conijn und Anne Lewerenz (von links).

20 Prozent Schwangerschaften sind unerwartet

Selbstbestimmung von Anfang an - dieses Ziel hat Meike van’t Hof, Krankenschwester und Sexologin im öffentlichen Gesundheitsdienst in Rotterdam, mit dem Programm „Niet zwanger nu“. Das Programm startete 2014 und wird bereits von 255 niederländischen Gemeinden genutzt und finanziert. Menschen, die schon Kontakt haben mit sozialen Einrichtungen aufgrund schwieriger Lebensumstände, bekommen Unterstützung zur Frage „jetzt ein Kind?“. 20 Prozent aller Schwangerschaften in den Niederlanden sind unerwartet, davon 68 Prozent unerwünscht. Van’t Hof plädiert für direkte, einfache Fragen, die Sozialarbeitende, Hebammen und auch Apothekerinnen und Apotheker stellen sollen: Wollen Sie ein Kind? Wie wird man schwanger? Wollen Sie verhüten? Dann folgt die Unterstützung zur Verhütung. Örtliche Apotheken sind beteiligt bei der Frage der schnellen, verlässlichen und finanziell regulierten Distribution der Pille über ein Internetportal.

Dr. Annemieke de Groot, Pharmazeutin bei Organon, zeigt mithilfe des „Contraception policy atlas“ verfügbar über www.epfweb.org/node/966, des EPF (European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights), wie in verschiedenen europäischen Ländern Verhütung möglich und geregelt ist. Das Vereinigte Königreich erreicht für 96 Prozent der Bevölkerung Zugang zu modernen Verhütungsmethoden, während Polen mit 33,5 Prozent das Schlusslicht ist. Deutschland ist auf der Ranking Liste mit 76 Prozent im oberen Mittelfeld. De Groot weist auf die bedenkliche Rolle von Social Media hin, die besonders junge Menschen beeinflusst in ihrer Akzeptanz von Verhütungsmitteln.

Medikamenteneinnahme in der Schwangerschaft soll sicher sein für die werdende Mutter und das ungeborene Kind, und ist immer eine Frage von Risikoabschätzung für beide Seiten, so Dr. Maartje Conijn, Ärztin beim TIS, der Teratogenität Informationsstelle am Pharmakovigilanz Zentrum der Niederlande. Bedenkt man, dass 40 Prozent der Schwangeren, die chronisch krank sind, während der Schwangerschaft nicht medikamentös adhärent sind aus Angst vor medizinischen Problemen, ist es wichtig, genau hinzuschauen und abzuwägen:

  • In welcher Phase der Schwangerschaft soll was eingenommen werden?
  • Gibt es alternative Wirkstoffe mit hohem Erfahrungswert?
  • Ist eine systemische Anwendung notwendig?
  • Wird der angewandte Arzneistoff über Niere oder Leber abgebaut?

Schnelle Information über OTC-Medikamente

Bisher liegen nur für weniger als 10 Prozent der Arzneistoffe sichere Abschätzungen vor. Um für die Zukunft bessere Aussagen zur Risiko­abschätzung machen zu können, braucht es Daten. Dafür gibt es in den Niederlanden die Plattform „Moeders van Morgen“ (Teil des TIS). Schwangere registrieren sich hier auf freiwilliger Basis, um ihren Medikamentengebrauch während der Schwangerschaft erfassen zu lassen und werden im Verlauf der Schwangerschaft zu ihrem Befinden befragt. Zur schnellen und verständlichen Information über OTC-Medikamente werden Schwangere und Stillende ab 2024 die App „Medimama“ nutzen können, die TIS gerade aufbaut.

Insgesamt werde zu wenig über sexuelle Nebenwirkungen von Medikamenten gesprochen, stellte Rineke Gordijn, Pharmazeutin am Institut für Pharmakologie der Universität Leiden, fest. Das Problem ist: die Ausgangs­lage in Bezug auf die Sexualität wird nicht erfragt oder ist nicht bekannt. Krankheiten, wie beispielsweise Diabetes oder Depression, können zu sexuellen Problemen führen. Deren medikamentöse Behandlung kann ursächlich und zusätzlich zu sexuellen Nebenwirkungen führen.

300 Medikamente mit sexuellen Problemen als Nebenwirkung

Dazu kommt, dass in der Wahrnehmung der Menschen Sexualität einen sehr unterschiedlich hohen Stellenwert hat. So denken 63 Prozent der Männer Sex sei wichtig, 43 Prozent der Frauen denken ebenso. Nur 2 Prozent der Menschen, die sexuelle Probleme bemerken, gehen deshalb zum Arzt. Im Beipackzettel von 300 Medikamenten werden sexuelle Probleme als Nebenwirkung genannt. Doch nur bei 16 Medikamenten liegen sie bei über 10 Prozent, bei 82 bei 1 bis 10 Prozent der Nebenwirkungsrate. Menschen setzen häufig ihre Medikation ab, da sie denken, dass der Wirkstoff für ihre Probleme verantwortlich sei – in vielen Fällen ist das jedoch nicht der Fall. Deshalb fordert Gordijn die Gesundheitsdienstleistenden auf, aktiv zu fragen und ein konkretes Problem zu benennen. Auch die Beratung zu sexuellen Nebenwirkungen von Medikamenten gehöre zum Beruf.

Für immer jung oder Altern in Würde?

Dr. Nuttan Tanna, beratende Apothekerin am London North West Uni­versity Healthcare NHS Trust (LNWUHT), berichtete über ihre Arbeit in der Medikation-Beratungsklinik für Menopause und Osteoporose. Beraten werden dort Patientinnen und Patienten – aber auch weibliche Beschäftigte des Klinikums können die Sprechstunden nutzen. Nicht in allen Kulturen, so betonte Dr. Nuttan Tanna, wird die Menopause thematisiert wie im Westen. Die Einstellung „Aging in Grace“ könnte helfen. Außerdem können einige der Symptome der Menopause, wie zum Beispiel Muskelmassenverlust, mit Bewegung und Vitamin D angegangen werden.

Die Hormonersatztherapie wird wieder wichtiger

Die Hormonersatztherapie (HRT) hat laut Tanna inzwischen wieder einen wichtigen Stellenwert in der Therapie der frühen Menopause. Voraussetzung ist die Berücksichtigung individueller Merkmale der Patientinnen. Laut Leitlinien der NICE, die Ende 2023 erwartet werden, wird eine Therapiedauer von bis zu 7,5 Jahren für eine HRT empfohlen, im Vergleich zu bisher fünf Jahren Therapiedauer. Ein häufiger Unsicherheitsfaktor von Patientinnen bezüglich HRT ist das leicht erhöhte Brustkrebs- und Thromboserisiko. Studien zeigen jedoch, dass zum Beispiel Übergewicht das Brustkrebsrisiko höher steigen lässt als eine langjährige HRT.

Für bestimmte Patientinnen, beispielsweise Typ-2-Diabetikerinnen, empfiehlt Tanna die transdermale Applikation der Hormone. Zur Ver­meidung von Herzerkrankungen und Osteoporose ist HRT in der frühen Menopause unbestritten geeignet.

Dr. Zuzana Vaneková, Pharmazeutin am Pharmakognosie Departement der Universität Wien, gab in ihrem Vortrag über phytotherapeutische Therapieoptionen zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden und der Menopause darauf Antworten. Mönchspfeffer wirke senkend auf den Prolaktin-Spiegel, greift an β-Estrogen und endogenen Opioid-Rezeptoren an und sei somit sehr gut geeignet zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden, allerdings nicht für Pillenanwenderinnen, so Vaneková. Schmerzen und Krämpfe können auch mit Ingwer und Fenchel bekämpft werden, klärte Vaneková auf. Zur Behandlung der Menopause stellt sie die Traubensilberkerze, Rotklee und Soja als wirkungsvoll gegen Hitzewallungen vor. Da die Traubensilberkerze keinen Einfluss auf Estrogen-Rezeptoren habe, gilt sie als sicher in Bezug auf Brustkrebsrisiko.

In der anschließenden Diskussion betont Vaneková, dass der Phytotherapie ein gebührender Platz in der Therapie gewährt werden sollte, jedoch sollte sie nicht in der Laienpresse hochgelobt oder belächelt werden.

Beim diesjährigen EWPM konnten wie auf den vergangenen Treffen Pharmazeutinnen neue Projekte vorstellen und voneinander lernen. |

Ulla Holtkamp

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